Gerard Depardieu
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Depardieu

Über 50 Kunstschaffende sehen „Lynchjustiz“

Ein kürzlich veröffentlichter Dokumentarfilm sowie eine neue Anzeige gegen die französische Schauspiellegende Gerard Depardieu sorgen seit Wochen für Aufruhr in Frankreich. Nachdem Depardieu zuletzt Rückendeckung von Präsident Emmanuel Macron erhalten hatte, stellten sich nun über 50 Künstlerinnen und Künstler hinter Depardieu. In einem im „Figaro“ veröffentlichten Text sprachen sie von einer „Lynchjustiz“.

Weiters beklagten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner darin den „Hass, der sich über seine Person ergießt“. Es gebe im Fall Depardieu ganz klar eine „Missachtung der Unschuldsvermutung“. Zu den Unterzeichnern gehören der Regisseur Bertrand Blier, der Schauspieler Pierre Richard, die britische Schauspielerin Charlotte Rampling, Depardieus ehemalige Lebensgefährtin und Schauspielkollegin Carole Bouquet und die ehemalige französische First Lady Carla Bruni.

„Gerard Depardieu ist wahrscheinlich der größte aller Schauspieler. Der letzte Superstar des Kinos“, heißt es in dem Beitrag. „Wenn man Gerard Depardieu auf diese Weise angreift, ist das ein Angriff auf die Kunst.“ Unsere Zeit sei für immer von der „unauslöschlichen Spur seines Werks“ geprägt, schrieben Depardieus Unterstützer weiter. „Der Rest, alles andere, betrifft die Justiz; nur die Justiz. Ausschließlich.“

Carla Bruni
APA/AFP/Valery Hache
Die Sängerin und ehemalige First Lady Frankreichs, Carla Bruni, zählt zu Depardieus Unterstützerinnen und Unterstützern

Rückendeckung erhielt Depardieu vor Weihnachten auch von Frankreichs Präsident Macron. Er sei ein „großer Bewunderer“ von Depardieu, der ein „großartiger Schauspieler“ sei, sagte Macron. Er verabscheue „Menschenjagden“, es gelte die Unschuldsvermutung. „Nein, wir sind nicht stolz auf Gerard Depardieu“, sagte Ex-Präsident Francois Hollande als Reaktion auf Macrons Aussagen.

Ministerin: „Schande für Frankreich“

Kulturministerin Rima Abdul Malak hatte Depardieus Verhalten gegenüber Frauen vor Kurzem als „Schande für Frankreich“ bezeichnet und seinen Ausschluss aus der Ehrenlegion, Frankreichs höchster Auszeichnung, eingeleitet. Der Kodex der Ehrenlegion sieht vor, dass ein „gegen die Ehre verstoßendes Verhalten“ mit einer Rüge, einer Aussetzung der Mitgliedschaft oder einem Ausschluss geahndet werden kann. Depardieu stellte seine Mitgliedschaft daraufhin zur Verfügung, wie seine Anwälte mitteilten.

Emmanuel Macron
AP/Ludovic Marin
Macron sprach sich jüngst gegen „Menschenjagden“ aus und streute Depardieu Rosen

Ins Rollen gebracht hatte die neuen Debatten eine kürzlich auf France 2 ausgestrahlte Doku über Depardieu. In „Der Fall des Ogers“ ist der Schauspieler zu sehen, wie er auf einer Drehreise in Nordkorea zahlreiche vulgäre Kommentare zu seiner jungen Übersetzerin macht. „Ich wiege 124 Kilo, mit Erektion 126“, sagte er beispielsweise. Über ein etwa zehn Jahre altes Mädchen auf einem Pferd sagte er: „Wenn es galoppiert, dann bekommt sie einen Orgasmus.“

Der Schauspieler war 2018 zum 70. Jahrestag der Staatsgründung nach Nordkorea gereist, eingeladen von Diktator Kim Jong Un. Depardieu wusste zu allen Zeiten, dass er aufgenommen wurde. Depardieus Anwälte nannten die Sendung „umstritten und anfechtbar“. Diese habe „Bilder ausstrahlt, die in der Sphäre des Intimen und Privaten aufgenommen wurden.“

Zahlreiche Frauen erhoben Vorwürfe

Gegen Depardieu, einen der berühmtesten französischen Schauspieler der Geschichte, läuft bereits seit Ende 2020 in Frankreich ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigungsvorwürfen. Die Schauspielerin Charlotte Arnould wirft dem Schauspieler vor, sie 2018 in seiner Pariser Wohnung zweimal vergewaltigt zu haben.

Vor Kurzem zeigte die Schauspielerin Helene Darras Depardieu wegen sexueller Übergriffe bei Dreharbeiten 2007 an. Eine weitere Anzeige erstattete die spanische Journalistin und Autorin Ruth Baza. Zahlreiche weitere Frauen haben Depardieu in der Vergangenheit sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Der Schauspieler, der am Mittwoch 75 Jahre alt wird, weist sämtliche Vorwürfe zurück.

Ärger auch über Haltung zu Putin

Für Kontroversen sorgte Depardieu in der Vergangenheit auch mit seiner Nähe zum russischen Machthaber Wladimir Putin, der den französischen Schauspielstar im Jahr 2013 einbürgern ließ. Wenige Tage vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine veröffentlichte er auf Instagram ein Foto von sich mit dem Kriegsherrn und betitelte es mit „Freundschaft“.

„Lasst Wladimir in Ruhe“, sagte er kurz darauf in einer Fernsehsendung. Später übte er aber auch öffentlich Kritik an Putin und warf ihm angesichts des Krieges „verrückte und inakzeptable Exzesse“ vor. Zudem kündigte er an, den Erlös von Theaterauftritten für die ukrainischen Kriegsopfer zu spenden.

Depardieu ist einer der bekanntesten französischen Schauspieler. Er arbeitete mit den bedeutendsten Regisseuren und Schauspielerinnen Frankreichs zusammen und kommt auf mehr als 200 Filme. Darin verkörperte er den wortstarken Cyrano de Bergerac ebenso wie einen abgehalfterten Schlagersänger, einen Schlachthofarbeiter und einen Alzheimer-Patienten. Im Gedächtnis bleiben nicht zuletzt seine Auftritte als Obelix.