Stadtansicht von Wien
ORF/Christian Öser
Denkmalschutz

Neues Gesetz erhitzt Gemüter

Zum 100. Geburtstag soll der Denkmalschutz einen neuen Anstrich bekommen. Das Gesetz ist mittlerweile in die Jahre gekommen, viele Lücken taten sich auf, einige Passagen konnten mit der Zeit nicht mithalten. Mit der Novelle wollte die Regierung das Gesetz für die „nächsten 100 Jahre fit“ machen. Doch der Entwurf begann bereits in der Begutachtung zu bröckeln.

Nach sechs Wochen endete die Begutachtung für den 21 Seiten dicken Entwurf am Donnerstag. Neben zahlreichen Institutionen gaben auch zig Privatpersonen ihre Stellungnahmen ab. Viele von ihnen haben mit Denkmalschutz zu tun, sind etwa für Städte tätig und arbeiten an Universitäten im In- und Ausland, wie etwa der renommierte Keltologe und Archäologe Raimund Karl. Der Entwurf sei „über weite Strecken hochproblematisch, teilweise krass verfassungswidrig und für einen zeitgemäßen, demokratischen Denkmalschutz ungeeignet“.

Karl ist nicht der einzige, der den Gesetzestext zerpflückt. In fast allen Stellungnahmen wird Kritik laut. So spricht das Staatsarchiv etwa von „Widersprüchlichkeiten“ und von Passagen, die nun gestrichen werden, aber für das Gesetz wichtig seien. In einigen Stellungnahmen ist von einem Rückschritt die Rede. Das Institut für Archäologie der Uni Innsbruck sieht durch das Vorhaben die Forschungsfreiheit bedroht. Auch aus anderen Hochschulen und Institutionen hagelt es Kritik.

Kapuzinerberg mit Kapuzinerkloster, Salzburg
ORF.at/Georg Hummer
Das Kapuzinerkloster in Salzburg ist ebenso denkmalgeschützt wie Tausende andere Gebäude in Österreich

Ökoaspekt, Weltkulturerbe und Archäologie

Der Entwurf stammt aus dem Kulturministerium unter Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Derzeit sind rund 39.000 Gebäude in ganz Österreich denkmalgeschützt. Das entspricht in etwa 1,8 Prozent des gesamten Bestandes, die Novelle betrifft entsprechend viele Personen direkt als Eigentümer und Denkmalschützer sowie indirekt zum Beispiel als Forscher und Forscherinnen.

Dass ein umfassender und detailreicher Entwurf zig Stellungnahmen nach sich zieht, war erwartbar. Als zentraler Punkt der Novelle gilt der Ökoaspekt: Künftig sollen Möglichkeiten zu Veränderungen im Sinne des Klimaschutzes stärker berücksichtigt werden. Außerdem soll das Bundesdenkmalamt in einem rascheren Verfahren Gebäudeensembles gesammelt unter Schutz stellen können. Haftungsfragen sollen stärker berücksichtigt und Erhaltungspflichten für Eigentümer erweitert werden.

Darüber hinaus sieht die Novelle eine gesetzliche Verankerung des UNESCO-Welterbes vor. Im Bereich des Schutzes des beweglichen Kulturgutes soll das Bundesdenkmalamt in Zukunft eine aktivere Rolle einnehmen. Nach Angaben des Ministeriums sind im Bereich der Archäologie „mehrfache Vereinfachungen“ von Verfahren und Fristenläufen vorgesehen. Zudem gibt es erstmals Bestimmungen über die Verwahrung der bei archäologischen Grabungen gemachten Funde.

Forschungsfreiheit „zweifelsohne rechtswidrig verletzt“

Gerade diese Bestimmungen sorgen für Stirnrunzeln. Das Institute for Archaeological Science der Uni Wien stößt sich daran, Nachforschungen nach archäologischen Denkmalen bewilligen zu lassen. Das sei nicht nachvollziehbar, weil Nachforschungen – wie etwa bildliche Aufnahmen – „von Natur aus eingriffs- und zerstörungsfrei“ seien. Durch die Bewilligungspflicht werde die Forschungsfreiheit „zweifelsohne rechtswidrig verletzt“.

Grabung am Domplatz, St. Pölten, 2019
ORF.at/Christian Öser
Besonders scharfe Kritik kommt aus dem Bereich der Archäologie

Aus dem zuständigen Institut der Universität Salzburg kommen ebenfalls scharfe Töne. Die Novelle würde die Arbeit von zum Beispiel Heimatforschern und -forscherinnen erschweren und ihre Tätigkeit kriminalisieren. Die Rechtsfachleute des Landes Salzburg hielten fest, dass gemäß der Formulierung eine Ablichtung durch einen Touristen per se nicht verboten wäre, die Ablichtung eines archäologischen Denkmals durch einen Wissenschaftler hingegen schon.

Selbst die Verwendung von Metallsuchgeräten ohne Bewilligung ist laut Entwurf verboten. Eine Stadt- und Gemeindearchäologin hält das für „problematisch“, gerade auch, weil die ehrenamtliche Beteiligung von interessierten Laien, Metallsuchern und Lokalhistorikern an der archäologischen Arbeit den Gemeinden enorme Kosten erspare.

Definition zu weit, Uni vermisst Kriterien

Für Kritik sorgt selbst der Denkmalbegriff. Die Novelle stellt auf „von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ ab. Für Andreas Konecny vom Institut für Antike der Uni Graz ist die Definition zu weit gefasst, „selbst der Müll in meinem Mistkübel fällt theoretisch darunter“.

Grazer Uhrturm
ORF/Viviane Koth
Der Grazer Uhrturm wird von der Erhaltungspflicht weniger betroffen sein als viele weniger bekannte Denkmäler

Die Universität Innsbruck vermisst in der Definition konkrete Kriterien, die das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmälern begründen. Dem Staatsarchiv fehlt im Entwurf hingegen der Begriff „Archiv“. Das Kulturministerium selbst spricht in seinen Materialien von einem „weiten“ Begriffsinhalt. Allerdings werde ein „bestimmtes Herausragen“ der Gegenstände, die als Denkmale infrage kommen, vorausgesetzt.

„Unbedeutendes Relikt“

Die Wirtschaftskammer sieht hingegen die geplante Erhaltungspflicht von geschützten Denkmalen kritisch. Es existiere eine baupolizeiliche Erhaltungspflicht, die vollkommen ausreiche. Dem Bundesdenkmalamt sei es außerdem jetzt schon möglich, die Bezirksverwaltungsbehörden einzuschalten. Auch was die Regeln zu Veränderungen von Denkmalen betrifft, wurde in der Begutachtung Kritik geäußert. So empfiehlt das Land Vorarlberg etwa, das Verbot der Zerstörung und Veränderung auf „sämtliche und nicht nur auf unbewegliche Denkmale“ zu beziehen.

Wer gegen diese Bestimmungen verstößt, muss mit einer Geldstrafe rechnen. Dass die Strafgelder zweckgebunden an den Denkmalfonds gehen, wird vom Justizministerium kritisch gesehen. Gesetzlich sei es nämlich nicht möglich, Strafeinnahmen an einen Fonds zu übertragen. Ohnehin sei die Anzahl und Höhe der Strafgelder in der Vergangenheit überschaubar gewesen. Die Zweckwidmung der Strafen scheint ein „unbedeutendes Relikt“ zu sein, mit dem der Denkmalfonds ohnehin nicht finanziert werden kann.

Die ÖBB-Holding begrüßt das Anliegen, das Denkmalschutzgesetz zu modernisieren. Gleichzeitig wird davor gewarnt, dass das Verbot der Zerstörung und Veränderung Folgen für die Eisenbahninfrastruktur haben kann. Man fürchtet, dass alle Interessen dem Denkmalschutz untergeordnet werden. Auch die Bischofskonferenz hadert mit der Erhaltungspflicht bzw. mit dem Verbot der Veränderung und Zerstörung. Diese Regeln seien nicht mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf Eigentum vereinbar, so die Konferenz.

Experte empfiehlt ganz neue Verhandlungen

Weitere Kritikpunkte und Empfehlungen betreffen den Datenschutz, die Kompetenzen des Bundesdenkmalamts, die Barrierefreiheit und den Denkmalbeirat, der etwa vor Zerstörungen beigezogen wird. Die UNESCO-Kommission in Österreich begrüßt in ihrer Stellungnahme, dass die Welterbekonvention im Denkmalschutzgesetz verankert wird. Allerdings fehle es an konkreten Details, etwa was die Bewahrung des Welterbes und internationale Standards betrifft.

Das Gesetz soll Ministeriumsplänen zufolge im ersten Halbjahr 2024 in Kraft treten. Was bis dahin noch geändert wird, ist unklar, dass sich die Novelle ändern wird, darf angenommen werden. Ginge es nach dem international anerkannten Experten Karl dürfte der „missglückte“ Entwurf in dieser Form nicht beschlossen werden. Es gebe „große Probleme“, sagt dieser im Gespräch mit ORF.at. Er empfiehlt, den Gesetzestext ganz zu verwerfen und unter breiter Beteiligung denkmalschutzinteressierter Parteien ganz neu zu entwickeln.