Spezialkräfte in Kherson
AP/Felipe Dana
Ukraine

Mehrere Drohnen-Angriffswellen abgewehrt

Russland hat ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht auf Mittwoch mehrere Angriffswellen mit Drohnen gestartet. Wie die ukrainische Luftwaffe auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mitteilte, konnten 32 von insgesamt 46 Drohnen abgeschossen werden. Getroffen worden seien vor allem die Frontgebiete in der südlichen Region Cherson.

Bürgermeister Roman Mrotschko zufolge wurden dabei Schahed-Drohnen aus iranischer Produktion eingesetzt. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Ein 35-jähriger Mann starb nach Angaben der Behörden, als Trümmer einer abgeschossenenen Drohne auf sein Haus in der Region Odessa stürzten. Vier weitere Menschen, darunter ein sechsjähriges Kind, wurden verletzt.

Am Dienstag hatte Russland nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den Bahnhof von Cherson kurz vor der geplanten Abfahrt eines Evakuierungszuges angegriffen. Die Stadt sei am Dienstagabend „massiv bombardiert“ worden, erklärte Innenminister Ihor Klymenko im Onlinedienst Telegram.

Auch Bahnhof beschädigt

Das Bombardement erfolgte, als etwa 140 Zivilisten und Zivilistinnen auf dem Bahnhof auf die Abfahrt eines Zuges warteten, mit dem sie aus der Stadt in Sicherheit gebracht werden sollten, ein Polizist wurde demnach getötet, zwei Zivilisten und zwei Polizisten wurden durch Splitter verletzt. Auch Selenskyj erklärte, zahlreiche Zivilisten seien zum Zeitpunkt des Angriffs auf dem Bahnhof gewesen.

Laut der ukrainischen Bahngesellschaft Ukrsalisnyzja wurden der Bahnhof und der Evakuierungszug beschädigt. Die Bahnstrecke sei jedoch weiterhin befahrbar. Cherson liegt am Fluss Dnipro und ist häufig Ziel russischer Angriffe, seit die Stadt im November 2022 nach monatelanger russischer Besatzung von den ukrainischen Truppen zurückerobert wurde.

Ukraine will mit Rückzug Kräfte sparen

Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj gab indes einen weitgehenden Rückzug seiner Truppen aus der völlig zerstörten Kleinstadt Marjinka im östlichen Gebiet Donezk bekannt. Die ukrainischen Streitkräfte befänden sich im nördlichen Teil, außerhalb von Marjinka seien neue Verteidigungslinien vorbereitet worden, sagte der General am Dienstag in Kiew.

Ukrainischer Präsident Wolodomir Selenski
Reuters/Alina Smutko
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj

Saluschnyj sagte weiter, der teilweise erfolgte Rückzug solle „nicht zu einem allgemeinen Aufschrei führen“. Am Vortag hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu die Eroberung der seit Februar 2022 umkämpften Stadt verkündet.

Gleichzeitig sprach Saluschnyj von der Möglichkeit, dass es den russischen Truppen gelingen würde, die nördlich von Donezk gelegene Stadt Awdijiwka in „zwei bis drei Monaten“ zu erobern. „Wir müssen uns nicht an eine bestimmte Siedlung klammern und eine Show oder Trauer darum veranstalten“, sagte er. Zwar werde die Verteidigung so lange wie möglich aufrechterhalten. Jedoch sei es Kiew wichtiger, die Soldaten für eine spätere Rückeroberung aufzusparen.

Norwegen und Finnland: Russische Artillerie nahe Grenze

Russland will indes nach Angaben des Rüstungskonzerns Rostec seine modernsten Artilleriesysteme bald an der Grenze zu Finnland und Norwegen stationieren. Die Tests der neuen selbstfahrenden Haubitzen Coalition-SV seien abgeschlossen, und die Massenproduktion habe bereits begonnen, sagt Rostec-Chef Sergej Tschemesow der staatlichen Nachrichtenagentur RIA. Bis Ende 2023 werde die erste Serienproduktion ausgeliefert.

„Ich denke, dass sie dort bald zum Einsatz kommen werden, denn Haubitzen dieser Klasse sind notwendig, um westliche Artilleriemodelle in der Reichweite zu übertreffen.“ Präsident Wladimir Putin hatte mit dem NATO-Beitritt Finnlands angekündigt, dass Russland seine Streitkräfte an den Westgrenzen des Landes verstärken werde.

NATO-Beitritt Schwedens nimmt weitere Hürde

Die für einen NATO-Beitritt Schwedens noch ausstehende Ratifizierung durch das türkische Parlament hat eine weitere Hürde genommen. Der zuständige Parlamentsausschuss in Ankara schickte am Dienstag das schwedische NATO-Beitrittsprotokoll zur Abstimmung ins Plenum, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Dort muss der Antrag Schwedens auf einen Beitritt zum westlichen Militärbündnis noch abgesegnet werden. Ein Zeitpunkt für die Abstimmung war noch nicht bekannt.

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die NATO-Mitgliedschaft beantragt. Finnland wurde Anfang April als 31. Mitglied im Bündnis willkommen geheißen. Damit auch Schweden aufgenommen werden kann, benötigt es noch die Zustimmung aus der Türkei sowie aus Ungarn. Die zwei Länder sind die beiden letzten NATO-Mitglieder, deren Parlamente die Beitrittsprotokolle für Schweden noch nicht ratifiziert haben.

D: Kretschmer ruft zu Waffenstillstand auf

Der Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), hat indes der ukrainischen Regierung für einen Waffenstillstand im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen einen vorübergehenden Gebietsverzicht nahegelegt. „Es kann sein, dass die Ukraine bei einem Waffenstillstand erst einmal hinnehmen muss, dass gewisse Territorien für die Ukraine vorübergehend nicht erreichbar sind“, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Mittwoch.

Nötig sei eine Kehrtwende in der Russland-Politik. „Russland ist unser Nachbar. Ein gefährlicher, unberechenbarer Nachbar“, sagte Kretschmer. „Die Vorstellung, Russland militärisch, politisch und wirtschaftlich so zu schwächen, dass es uns nicht mehr gefährlich werden kann, ist eine Haltung, die aus dem 19. Jahrhundert kommt. Sie legt das Fundament für weitere Konflikte.“ Kretschmer hat mit Äußerungen zum Ukraine-Krieg immer wieder Kritik auf sich gezogen. So warb der CDU-Politiker im November dafür, den Konflikt „einzufrieren“.