Wolfgang Schäuble
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1942–2023

Wolfgang Schäuble ist tot

Der frühere deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren friedlich eingeschlafen, teilte die Familie am Mittwoch der dpa mit. Schäuble starb nach langer schwerer Krankheit. In seiner politischen Laufbahn war er Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er.

Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg geboren. Er studierte Rechtswissenschaft, es zog ihn aber früh in die Politik. 1965 trat Schäuble in die CDU ein. 1972 errang er erstmals ein Mandat für den Bundestag, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod angehörte.

Mit dem Namen Schäuble sind Jahrzehnte deutscher Politik verbunden. Unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) war er zunächst Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 war er Innenminister. Schäuble handelte nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus und gehörte zu den Architekten der Wiedervereinigung.

Seit dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 saß Schäuble im Rollstuhl. Von 1991 bis 2000 führte er die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zur Bundestagswahl 1998 trat Kohl noch einmal an, benannte aber Schäuble zu seinem Wunschnachfolger zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu sollte es nicht kommen. Die Union verlor die Wahl. Schäuble wurde daraufhin Parteichef und Angela Merkel Generalsekretärin.

Der scheidende CDU-Vorsitzende Helmut Kohl gratuliert am 07.11.1998 auf dem CDU-Parteitag in Bonn dem neugewählten Vorsitzenden Wolfgang Schäuble.
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Der scheidende CDU-Chef Kohl gratuliert dem neu gewählten Vorsitzenden Wolfgang Schäuble auf dem CDU-Parteitag 1998

Schäuble prägte deutsche Politik über Jahrzehnte

Schon bald danach erschütterte eine Spendenaffäre die CDU. Sie kostete Kohl den Ehrenvorsitz, die Turbulenzen erfassten aber auch Schäuble. Unter dem Druck immer neuer Enthüllungen über eine Barspende in Höhe von 100.000 Mark vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber gab Schäuble im Februar 2000 den Vorsitz von Partei und Fraktion auf. Es kam zum Bruch mit seinem einstigen Freund und Förderer Kohl.

Merkel wurde Parteichefin, 2005 machte sie als Kanzlerin Schäuble zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Das Amt hatte Schäuble zwei Wahlperioden inne, er schaffte die „schwarze Null“, also einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden. In der Griechenland-Krise traten unterschiedliche Meinungen beider zutage. Zwischenzeitlich brachte Schäuble etwa ein vorübergehendes Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro ins Gespräch. In Athen sorgte das für viel Kritik. Trotz gelegentlicher Differenzen stand Schäuble loyal zu Merkel.

Angela Merkel (CDU-Vorsitzende) und Wolfgang Schäuble (CDU) 2001 in Berlin
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Angela Merkel mit Wolfgang Schäuble im Jahr 2001

Amt des Bundespräsidenten blieb ihm verwehrt

Nach der Bundestagswahl 2017 wurde er als Nachfolger von Norbert Lammert zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Für das höchste Amt im Staat, das des Bundespräsidenten, wurde er mehrfach gehandelt – letztlich blieb es Schäuble aber verwehrt.

Anders als die Kanzlerin stieg der CDU-Politiker 2021 nach dem Machtverlust der Union nicht aus der Politik aus und kandidierte erneut für den Bundestag. In seinem Wahlkreis Offenburg holte er wieder das Direktmandat. Schäuble blieb einfacher Abgeordneter. Als Alterspräsident eröffnete Schäuble die erste Sitzung und warb für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. Schäuble sah sich als „Parlamentarier mit Leib und Seele“, wie er selbst einmal sagte.

Wolfgang Schäuble
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Niemand gehörte dem Bundestag länger an als Wolfgang Schäuble

Hohes Ansehen in Partei

In seiner Partei zählte Schäuble eher zu den konservativen Politikern, hinter den Kulissen hatte sein Wort stets Gewicht. Auf der anderen Seite hatte er früher als andere die CDU zur Offenheit für Bündnisse mit den Grünen aufgerufen. Schon 2007 sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Schwarz-Grün ist nicht unser Wunsch, aber eine Option für die Union.“ Im Ringen um die Kanzlerkandidatur 2021 schlug sich Schäuble auf die Seite des damaligen CDU-Chefs Armin Laschet und stellte sich gegen CSU-Chef Markus Söder.

Auch im Privaten spielte bei Schäuble oft die Politik eine Rolle. Schon Vater Karl Schäuble war CDU-Politiker und gehörte dem Badischen Landtag an. Schäubles jüngerer Bruder Thomas war ebenfalls Politiker, 13 Jahre lang war er Landesminister in Baden-Württemberg. 2013 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts. Der CDU-Spitzenpolitiker Thomas Strobl war Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, Tochter Christine, die ARD-Programmdirektorin, Strobls Ehefrau. Schäuble hinterlässt insgesamt vier Kinder und Ehefrau Ingeborg, mit der er seit 1969 verheiratet war.

Wolfgang Schäuble 81-jährig verstorben

Der frühere deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist im Alter von 81 Jahren verstorben. Schäuble war in seiner langen politischen Laufbahn Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages.

„Ausnahmemensch“: Große Trauer um Schäuble

Die Trauer um den CDU-Politiker ist groß. Altkanzlerin Merkel äußerte sich in einer Aussendung bestürzt: „Deutschland verliert mit ihm eine überragende Persönlichkeit mit politischer und programmatischer Weitsicht“, schrieb sie darin. Weiters bezeichnete sie Schäuble als ihren „politischen Lehrmeister“ sowie einen „der Anker meiner ersten drei Kabinette“. „Wolfgang Schäubles Stimme werden wir in Deutschland vermissen, sein Rat wird mir persönlich fehlen“, so Merkel.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz reagierte bestürzt auf den Tod Schäubles. Die Nachricht erfülle ihn mit großer Trauer, schrieb Merz auf der Plattform X (Twitter). Er verliere den „engsten Freund und Ratgeber, den ich in der Politik je hatte. Meine Gedanken sind bei seiner Familie, insbesondere seiner Frau Ingeborg.“

CDU-Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner erklärte, sein Tod lasse innehalten und mache traurig. Sie bezeichnete Schäuble als einen „Ausnahmemenschen“. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder würdigte die jahrzehntelange politische Leistung des verstorbenen CDU-Politikers. „Die CSU wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren“, schrieb er bei X.

Scholz: Deutschland verliert „prägenden Christdemokraten“

„Deutschland verliert einen prägenden Christdemokraten, der gerne stritt und dabei doch nie aus dem Blick verlor, worum es geht in der Politik: das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser zu machen“, hieß es in einer Erklärung des Kanzlers Olaf Scholz (SPD). Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Schäuble als „Glücksfall für die deutsche Geschichte“.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser würdigte ihn als einen großen Staatsmann. „Kaum ein Politiker hat die jüngste deutsche Geschichte und unsere demokratische Kultur so geprägt wie Wolfgang Schäuble“, schrieb Außenministerin Annalena Baerbock bei X. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erklärte: „Er reißt eine schmerzhafte Lücke, nicht nur als politische Ausnahmeerscheinung, sondern auch als politischer Intellektueller.“

Macron: „Freund Frankreichs“

„Nicht nur Wolfgang Schäubles Intellekt und seine Disziplin waren herausragend, sondern auch sein tiefer Respekt vor dem demokratischen Diskurs und seine Fähigkeit, sich immer wieder auf Neues einzulassen“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Statement.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sah Schäuble als „Freund Frankreichs“. Der frühere Finanzminister habe „zur deutschen Wiedervereinigung, zum Aufbau des Euro und zur europäischen Einheit beigetragen“, schrieb Macron bei X. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) und frühere Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, bezeichnete Schäuble als einen der „einflussreichsten europäischen Führer seiner Generation“. In einem Statement auf X hob sie sein „Engagement für Europa, seine intellektuelle Schärfe und sein staatsmännisches Geschick“ hervor.

Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte sich in einer Stellungnahme gegenüber der APA zutiefst betroffen. „Wolfgang Schäuble schrieb ein Stück deutscher Geschichte und wurde nicht müde, bis zuletzt den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzumahnen, um die Demokratie zu verteidigen“, hieß es in der Stellungnahme.

Raue Töne aus Griechenland

Der ehemalige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis, mit dem sich Schäuble im Zuge der Griechenland-Krise mehrfach Auseinandersetzungen lieferte, schlug in einer Reaktion scharfe Töne an: Schäuble „verkörperte den explosiven Widerspruch, der sowohl zur Euro-Krise als auch zu den Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung führte – Maßnahmen, die einerseits zur Verarmung Griechenlands und andererseits zur aktuellen Deindustrialisierung Deutschlands sowie Europas Abgleiten in die geopolitische Bedeutungslosigkeit führten“, hieß es in einem Statement.