US-Präsident Joe Biden
Reuters/Leah Millis
Verprellte Jungwähler

Israel-Politik wird zu Problem für Biden

Die USA rüsten sich schon jetzt für die Präsidentschaftswahlen im November, bei der alles auf eine Neuauflage des Duells zwischen Amtsinhaber Joe Biden und seinem Vorgänger Donald Trump hinausläuft. Das Rennen wird großenteils von jungen Wählerinnen und Wählern entschieden. Diese wenden sich allerdings von den Demokraten ab – die unbedingte Unterstützung Israels durch Biden erregt ihren Zorn. Biden muss hoffen, dass die Jungen Trump noch stärker ablehnen.

Israels Armee weitet den Bodeneinsatz gegen die Hamas im Gazastreifen aus und rechnet mit „vielen Monaten“ Krieg, wie es am Mittwoch hieß. Die humanitäre Lage in Gaza ist derweil verheerend, kaum ein Spital ist noch im Betrieb, die Lieferung lebensnotwendiger Güter ist ein andauernder Drahtseilakt.

Die Bilder, die über soziale Netzwerke Menschen auf der ganzen Welt erreichen, sind verstörend – und mitunter gefälscht. Sie erreichen vor allem die Jungen und wirken bei der Meinungsbildung mit. Bidens Haltung, auch angesichts der Schicksale der Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza an Israels Seite zu stehen, verstört viele.

Das zeigen nicht zuletzt die Kontroversen der vergangenen Wochen an US-Universitäten, wo es bei propalästinensischen Protesten wiederholt zu antisemitischen Vorfällen kam. Auch jüngste Umfragen geben ein Bild vom Dilemma, vor dem Biden angesichts der bevorstehenden Wahl im Herbst steht.

Mehrheit lehnt Bidens Politik ab

Eine aktuelle Erhebung der „New York Times“ in Kooperation mit dem Siena College Research Institute ergab, dass eine klare Mehrheit unter den registrierten Wählerinnen und Wählern (57 Prozent von über 1.000 Befragten) Bidens Umgang mit dem Konflikt in Nahost ablehnte. Nur 33 Prozent stimmten zu. 38 Prozent befanden, Biden mache einen guten Job, während 46 Prozent eher Trump zutrauten, besser mit dem Konflikt umgehen zu können.

Dass Israel seinen Militäreinsatz fortsetzt, wünschten sich laut der Umfrage fast genauso viele US-Amerikanerinnen und -Amerikaner wie eine Ende des Einsatzes zum Wohl der Zivilbevölkerung. 48 Prozent aller befragten Wähler gaben an, dass Israel nicht genügend Vorkehrungen treffe, um zivile Opfer in Gaza zu vermeiden.

Junge kritischer

Jene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren zeigte sich besonders kritisch und drückten eine noch stärkere Ablehnung gegenüber Bidens Politik aus. Sie gaben mit 72 Prozent an, eher die palästinensische Sache als die israelische zu unterstützen. Die älteren Kohorten gaben ein völlig anderes Bild ab: Je älter die Befragten, desto eher unterstützten sie die israelische Seite.

Am unnachgiebigsten in ihrer Kritik waren jene unter den Jungen, die angaben, regelmäßig TikTok zu nutzen. Die chinesische Videoplattform steht neben X (Twitter) und anderen in der Kritik, zu wenig gegen Fake News zu unternehmen.

Wahlentscheidende Kohorten

Für Biden könnte dieser erste Blick in das wahrscheinliche Wahlverhalten junger Wähler eine Hiobsbotschaft sein. Die Gen Z (Jahrgänge 1995 bis 2010) und die Millennials (1980 bis 1996) dürften bis zu 40 Prozent der Wählerschaft im kommenden Jahr ausmachen. Sie tendieren prinzipiell in Richtung der Demokraten und haben Biden auch 2020 durch ihre Wahl in den „Swing-States“, etwa in Michigan, den Sieg gebracht. Auch die für sie oft abschreckende Haltung Trumps bei den Themen Abtreibung, Minderheiten und Migration wäre eigentlich ein bestellter Acker für die Demokraten in dieser Wählergruppe.

Pro-Palästinensischer Protest in Washington
Reuters/Tom Brenner
Im ganzen Land gibt es wiederholt propalästinensische Demos – viele sind mit Bidens Haltung nicht einverstanden

Enttäuschungen auch abseits der Außenpolitik

Doch Biden und sein Team sorgten für viel Enttäuschung, etwa in der Klimapolitik. Die US-Regierung hatte versprochen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren und die USA auf saubere Energie umzustellen. Doch genehmigte Biden etwa heuer das „Willow“-Projekt in Alaska, eine neue große Ölbohreinrichtung samt Straßen, Pipeline und Flugplatz.

Auch den Erlass von Studierendenkrediten – in den USA ein lang gepflegtes Vorhaben – konnte Biden nicht durchbringen. Nicht zuletzt das Alter des Präsidenten (81) dürfte viele Jungwähler abschrecken, obwohl ihm Trump (77) hier nur wenig nachsteht. Zusätzlich dazu könnte 2024 die Israel-Frage die entscheidende sein.

Politische Beobachter erwarten daher bei der kommenden Wahl für das Weiße Haus eine verstärkte Hinwendung zu den traditionell chancenlosen Kandidaten dritter Parteien sowie mehr ungültige Stimmzettel – wenn Trump für die Jungen keine wählbare Alternative ist. Doch ist es noch fast ein Jahr Zeit bis zur Wahl, und die Demokraten pulvern Millionen Dollar in Kampagnen, die auf das junge Elektorat abzielen.

Israel weitet Bodenoffensive aus

Während Israel mit noch einigen Monaten Krieg im Nahen Osten gegen die Terrororganisation Hamas rechnet, laufen die Bemühungen um eine Deeskalation auf Hochtouren. Unterdessen warnen internationale Hilfsorganisationen vor einem Zusammenbruch der Krankenhäuser im Gazastreifen.

Das kleinere Übel

Viele junge Anhänger der Demokraten verbänden die Frage der Palästinenser auch mit jener der sozialen Gerechtigkeit in den USA, sagte Michael Abramson gegenüber der BBC. Abramson ist der politische Direktor der Young Democrats of Maricopa County im Bundesstaat Arizona. „Viele der Organisationen, in denen ich vertreten bin, haben eine starke Verbindung zu den Erfahrungen der Palästinenser und wollen ihren Kampf weiter vorantreiben.“ Doch gebe es auch wahlbestimmende Themen wie Abtreibungsrechte. Zudem sei der demokratische Kandidat für seine Zielgruppe schlicht „das kleinere von zwei Übeln“.