Kinder mit Betreuerin in Kindergarten
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Kinderbetreuung

Österreich hinkt trotz Rekords hinterher

29,9 Prozent der Null- bis Dreijährigen haben 2022 einen Kinderbetreuungsplatz in Österreich gehabt, 2,2 Prozent sind bei Tageseltern betreut worden. Das ist ein Rekord, wie der am Mittwoch präsentierte Bericht „Familie in Zahlen“ des Österreichischen Instituts für Familienforschung zeigt. Doch international hinkt Österreich beim Ausbau der Betreuungsplätze nach wie vor hinterher.

Trotz des leichten Anstiegs der Betreuungsquote der unter Dreijährigen in diesem Jahr (2021: 29,1 Prozent, Tageseltern: 2,1 Prozent) erreicht Österreich nach wie vor nicht das EU-weit vereinbarte Barcelona-Ziel. Diesem zufolge sollte bereits seit 2010 ein Drittel der Kleinkinder Betreuungseinrichtungen besuchen.

2022 wurde dieses Ziel für manche EU-Staaten nochmals auf 50 Prozent erhöht. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Quote machte Österreich einen Vorbehalt geltend und fixierte das Ziel bei 31,9 Prozent. Über 33 Prozent in institutioneller Betreuung erreichen 2022/23 laut Bericht Wien, das Burgenland und Vorarlberg.

Zu wenige Betreuungsplätze für Vollzeitarbeit

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) freute sich über die gestiegenen Zahlen bei der Kinderbetreuung: „Ich bin stolz, dass wir bei der Kinderbetreuung Rekordwerte verzeichnen können und die Kinderbetreuungsquoten der Null- bis Dreijährigen sowie der Drei- bis Sechsjährigen steigern konnten.“ Österreichweit befinden sich 94,7 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in institutioneller Betreuung.

Problematisch ist, dass die Hälfte der Kinderbetreuungsplätze nicht mit einem Vollzeitjob der Eltern zu vereinbaren ist. Viele Kindergärten haben nur vormittags geöffnet. Das soll sich bis 2030 ändern. Bis dahin will der Bund 4,5 Mrd. Euro für Länder und Gemeinden auch in Plätze investieren, die mit einer Vollzeittätigkeit zu vereinbaren sind, hielt Raab gegenüber Ö1 fest. Bis 2030 sollen 50.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden.

Zusätzlich zu der per 15a-Vereinbarung mit den Ländern vereinbarten „Kindergartenmilliarde“ mit jährlich 200 Mio. Euro sollen aus dem „Zukunftsfonds“ des Finanzausgleichs jedes Jahr wertangepasst weitere 500 Mio. Euro gezahlt werden.

Kritik an geringen Ambitionen Österreichs

Ines Stilling, Leiterin des Bereichs Soziales in der Arbeiterkammer (AK), kritisierte im Ö1-Mittagsjournal die geringen Ambitionen Österreichs im internationalen Vergleich. Es sei dringend erforderlich, nicht nur in den Ausbau, sondern auch in die Qualität und die Arbeitsbedingungen zu investieren – „sonst werden wir das Personalproblem nicht lösen“. Es brauche qualitätsvolle Rahmenbedingungen, das könnten die Pädagogen und Pädagoginnen nicht alleine stemmen. „Ich fürchte, dass der Ausbau auf halber Strecke stehen bleiben wird.“

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner kritisierte eine fehlende Milliarde Euro pro Jahr für den Ausbau der Kinderbetreuung und den fehlenden Rechtsanspruch auf einen kostenlosen und ganztägigen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr.

Auch Korinna Schumann, Bundesfrauenvorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), mahnte die Regierung am Mittwoch, dass es trotz Rekordwerten keinen Grund gebe, „sich auf den Ergebnissen auszuruhen“. Einen Appell gab es am Mittwoch zudem von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die Betreuungssituation rasch zu verbessern. Der Wirtschaftsstandort Österreich könne es sich nicht leisten, auf Frauen als Arbeitskräfte zu verzichten.

KDZ: 4,5 Mrd. zu wenig

Berechnungen des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ) zufolge reichen die vom Bund zugesagten 4,5 Mrd. Euro nicht. „Unter den jetzigen Rahmenbedingungen reicht das Geld nicht aus, weil man sich vonseiten des Bundes wieder viel zu sehr auf den Ausbau konzentriert hat und nicht auf den Erhalt und bessere Qualität“, sagte kürzlich auch Karoline Mitterer vom KDZ.

Die von mehreren Ländern schrittweise geplante Verkleinerung der Gruppen werde etwa dazu führen, dass die Kosten um bis zu ein Fünftel steigen und sich zudem kurzfristig der ohnehin schon vorhandene Personalmangel „massiv“ verschärft. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sei aber unerlässlich, um das Fachpersonal zu bekommen und zu halten. Zudem kämen schon jetzt Gemeinden bei den aktuell vorhandenen Plätzen nicht mit ihren Mitteln aus.

Grafik zeigt Erwerbstätigkeit der Eltern
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria/ÖIF

Frauen dominieren bei Teilzeitbeschäftigung

Die Situation der Kinderbetreuung in vielen Bundesländern ermöglicht häufig nur Teilzeitjobs für zumindest einen Elternteil. In den meisten Fällen sind das die Mütter, wie der Bericht „Familie in Zahlen“ erneut bestätigt. Von den rund 70 Prozent der erwerbstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiteten 2022 mehr als drei Viertel in Teilzeit. Bei den Männern derselben Kategorie waren knapp 94 Prozent in Beschäftigung – nur 8,8 Prozent von ihnen in Teilzeit.

Bei Kindern unter drei Jahren arbeitete nur etwas mehr als jede dritte Frau. Für Schumann ist klar, dass das nicht freiwillig gewählt sei, sondern weil es keine flächendeckende Kinderbetreuung gebe. Stilling beobachtet beim regelmäßig durchgeführten Wiedereinstiegsmonitor der AK, dass sich die Situation verschlechtere und es zu einem späteren Berufseinstieg von Müttern komme.