TVP-Hauptquartier in Warschau
IMAGO/Aleksander Kalka
Polen

Umbau von Rundfunk als Drahtseilakt

Mit dem Antritt der neuen Regierung in Polen ist ein Machtkampf um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und staatsnahe Medien entbrannt. Die Regierung kündigte am Mittwoch an, Fernsehen, Radio und die Nachrichtenagentur des Landes zu liquidieren. Damit soll die „Umstrukturierung“ der Medien vorangetrieben werden, die bisher als Sprachrohr der Vorgängerregierung galten. Kritik kommt vom Präsidenten und der neuen Opposition, doch auch Beobachter reagieren skeptisch auf den rasanten Umbau.

Es ist die nächste Runde im Streit über die öffentlich-rechtlichen Medien in Polen zwischen der Regierung von Donald Tusk und der bisher regierenden PiS-Partei. Erst diese Woche hatte Präsident Andrzej Duda, der als Unterstützer der PiS gilt, ein Veto gegen den Budgetentwurf der neuen Regierung eingelegt. Dieser sah nämlich vor, den Rundfunk mit rund 690 Millionen Euro zu unterstützen. Duda sah darin einen Verstoß gegen die Verfassung und blockierte das Gesetz.

Am Mittwoch reagierte Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz und kündigte daraufhin die Liquidation von Fernsehen, Radio und der Nachrichtenagentur PAP an: „Aufgrund der Entscheidung des Präsidenten der Republik Polen, die Finanzierung der öffentlichen Medien auszusetzen, habe ich beschlossen, die Unternehmen Telewizja Polska SA, Polskie Radio SA und Polska Agencja Prasowa SA zu liquidieren“, sagte Sienkiewicz.

Polens Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz
Reuters/Aleksandra Szmigiel
Der neue Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz – hier bei der Angelobung – kündigte die Liquidation an

Auf X (Twitter) schrieb er weiter, die offizielle Liquidation solle „Betrieb und Umstrukturierung“ sicherstellen und zugleich die Arbeitsplätze bei den Medien erhalten. Der Status der Liquidation könne „vom Eigentümer“, also dem polnischen Staat, jederzeit widerrufen werden.

Medien im Fokus der neuen Regierung

Seit dem Antritt der neuen Regierung vor rund zwei Wochen sind die Medien für Tusk ein besonders großes Thema: Gleich zu Beginn ließ er die Führungsriegen austauschen. Eine zuvor verabschiedete Resolution des neu gewählten Parlaments solle die „Unparteilichkeit“ der öffentlich-rechtlichen Medien wiederherstellen. Das kritisierte die PiS scharf: Politiker der zuvor regierenden Partei besetzten nach der Umbesetzung das Gebäude des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, um nach eigenen Angaben den „Medienpluralismus“ zu verteidigen.

Opposition und Nichtregierungsorganisationen hatten der im Oktober abgewählten PiS-Regierung immer wieder vorgeworfen, sie hätten in ihren acht Jahren an der Macht die Medienfreiheit in Polen mehr und mehr eingeschränkt, erhebliche Finanzmittel in die staatlichen Medien geschleust und diese zu Sprachrohren der rechtsnationalistischen Regierungspropaganda umgebaut.

Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte etwa 2020 festgestellt, dass einseitige Berichterstattung und „Hassreden“ bei den Medien in Polen an der Tagesordnung seien. Die öffentlichen Medien seien in „Propagandasprachrohre der Regierung“ verwandelt worden. In ihrem Bericht 2023 stellte die Organisation fest, dass die PiS-Regierung auch verstärkt versuche, private Medien unter ihre Kontrolle zu bringen.

NGOs und Medien kritisieren raschen Umbau

Doch die rasche Umstrukturierung stößt auch bei NGOs auf Skepsis, wenngleich auf schwierige Rahmenbedingungen verwiesen wird. Die Helsinki Foundation for Human Rights sagte laut BBC, die öffentlichen Medien müssten dringend reformiert werden, da sie unter der PiS-Regierung zu einem „Propagandasprachrohr des herrschenden Lagers“ geworden seien, das politische und rechtliche Bedingungen geschaffen habe, die die Durchführung einer solchen Reform für die Regierung Tusk „sehr schwierig“ machten.

Polens Präsident Andrzej Duda und Polens Premier Donald Tusk
Reuters/Aleksandra Szmigiel
Präsident Duda (li.) und der neue Premier Tusk befinden sich im Schlagabtausch beim Medienthema

„Wir können jedoch nicht übersehen, dass die Art und Weise, wie die Veränderungen in den öffentlichen Medien eingeleitet werden, ernsthafte Zweifel aufkommen lässt“, so die NGO weiter. Auch unabhängige polnische Medien mahnten, dass Veränderungen in den öffentlichen Medien „in einer geordneten und rechtlich unbedenklichen Weise stattfinden sollten, die Journalisten nicht verunsichert“, heißt es in einem gemeinsamen Statement laut „Politico“.

Ein Ende im Streit über die Medien ist jedenfalls nicht in Sicht: So ist etwa die Führungsfrage im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch immer nicht restlos geklärt, weil zwar die neue Regierung einen Direktor bestellt hat, gleichzeitig aber von einem anderen Organ ein PiS-Abgeordneter auf denselben Posten beordert wurde, wie „Politico“ schreibt. Das führte zu gegenseitigen Anschuldigungen – und dem Vorwurf der PiS, dass auch die neue Führung des Rundfunks voreingenommen sei, nur eben in die andere Richtung.

Beitritt zu Europäischer Staatsanwaltschaft als Signal

Die neue polnische Regierung verkündete am Mittwoch auch den Beitritt des Landes zur Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO). Das Kabinett habe eine „dringende Notifizierung“ des Beitritts beschlossen, so Tusk nach einer Sitzung mit seinen Ministerinnen und Ministern. Der Beitritt ermöglicht unter anderem eine bessere Kontrolle der EU-Mittel, die Polen zukommen.

Die Europäische Staatsanwaltschaft mit Sitz in Luxemburg geht seit Juni 2021 gegen grenzüberschreitende Kriminalität zulasten des EU-Haushalts vor. Tusk sagte vor der Presse, mit dem Beitritt zu der Strafverfolgungsbehörde dürfte es für Polen „auch leichter werden, rascher, transparenter und im Einklang mit den Regeln EU-Mittel zu erhalten und zu verwenden“.

EU-Vorschuss von 4,6 Milliarden Euro

Tatsächlich verkündete Tusk am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst X (Twitter), dass bereits die ersten EU-Gelder geflossen seien. „Erste europäische Überweisung bereits auf dem Konto des polnischen Staates! Über 20 Milliarden Zloty! (4,6 Mrd. Euro, Anm.) Erledigt wie versprochen“, schrieb Tusk. Das Geld sei für den Ausbau erneuerbarer Energien in Polen bestimmt, teilte die Ministerin für Regionalentwicklung, Katarzyna Pelczynska-Nalecz, mit.

Die Freigabe der Mittel wird in Brüssel als Vertrauensvorschuss für Tusks proeuropäische Dreiparteienkoalition verstanden. Allerdings steht auch diese Regierung in der Pflicht, die umstrittenen Justizreformen zurückzunehmen. Sonst muss Polen den Vorschuss zurückzahlen.

Kirchenfinanzierung soll geändert werden

Die neue Regierung plant auch eine umfassende Reform der Kirchenfinanzierung. Künftig solle es eine freiwillige Abgabe der Steuerzahler für Religionsgemeinschaften geben, sagte Tusk laut Kathpress nach einer Kabinettssitzung am Mittwoch in Warschau. Der Staat solle nicht mehr wie bisher die Pensions- und andere Sozialversicherungen für Geistliche bezahlen.

Das Kabinett beauftragte fünf Minister damit, gemeinsam die Änderung des Finanzierungssystems für den Kirchenfonds vorzubereiten. Tusk sagte, seine Regierung wolle die Beziehung zwischen Staat und Kirche „zivilisieren“. Bei der Reform gehe man von der Verantwortung der Mitglieder für ihre Kirchen aus. Die Entscheidung über die Bezahlung der Religionsgemeinschaften müsse „bei den Gläubigen liegen, nicht beim Staat“.