Mickey Mouse in „Steamboat Willie“
IMAGO
Copyright ausgelaufen

Was aus der befreiten Micky Maus wird

Jahrzehntelang hat es der Disney-Konzern verhindert, nun ist es passiert: Das inzwischen 95 Jahre alte Copyright auf die Ur-Micky-Maus ist Geschichte. Wie sehr der Zeichentrickfigur die neue Freiheit behagt, ist offen. Sie wird wohl weiter Spielball von Gerichten, Kunst und Kommerz bleiben.

Erstmals tauchte Micky Maus 1928 in dem animierten Schwarz-Weiß-Kurzfilm „Steamboat Willie“ auf, dem ersten Zeichentrickfilm, der vertont wurde. Damals sah die legendäre Figur noch etwas anders aus, hatte dünnere Arme und Beine, eine spitzere Nase und einen langen Schwanz, sie war weniger rundlich und besaß Augen ohne Pupillen. Mit Jahresbeginn ist das Urheberrecht darauf ausgelaufen.

Eigentlich hätte „Steamboat Willie“ bereits nach 25 Jahren gemeinfrei werden sollen, dann nach 56 und später nach 75 Jahren. Doch immer wieder hatte sich der Disney-Konzern erfolgreich dagegen gestemmt. Die letzte Verlängerung auf 95 Jahre setzte Disney 1998 durch, was ihr den Spitznamen „Mickey Mouse Protection Act“ (Micky-Maus-Schutzgesetz) einbrachte.

Mickey Mouse in „Steamboat Willie“
IMAGO/Album
Minnie Maus tritt erstmals an der Seite von Micky in „Steamboat Willie“ auf

Kunstfigur oder Logo?

Ganz befreit ist Micky Maus nun aber nicht. Denn nur die Schutzbestimmungen ihres ersten Auftritts enden, alle nachfolgenden Versionen bleiben davon unberührt. „Selbstverständlich werden wir weiterhin unsere Rechte an den moderneren Varianten von Micky Maus und anderen Figuren schützen“, kündigte Disney an. Die Frage ist, ob Micky Maus eine Kunstfigur oder eine Art wandelndes Logo ist. Denn an Letzterem bleibt Disney das Copyright.

Markenrecht als Schlupfloch

Während das Urheberrecht für „Steamboat Willie“ ausläuft, verjähren Markenrechte nicht. Das bedeutet, dass die Ur-Micky-Maus nur so verwendet werden darf, dass sie nicht ausschließlich als Schöpfung von Disney verstanden wird. Der Konzern hat also weiterhin die Kontrolle darüber, welche Produkte und Dienstleistungen unter Verwendung des Micky-Maus-Motivs verkauft werden dürfen.

Laut dem US-Fachmagazin „Journal of Intellectual Property & Entertainment Law“ („JIPEL“) wird Micky Maus durch ständige Weiterentwicklungen und Abwandlungen zu einem vielseitigen Charakter gemacht. Dadurch sei jede Verwendung der Maus so gestaltet, dass sie möglicherweise irgendein Recht von Disney verletzt. Entscheidend werde sein, so der Rechtsexperte Aaron J. Moss gegenüber der „New York Times“, wo Disney für sich die Linie ziehe und gegen wen es wann in einen Rechtsstreit gehen werde.

Daniel Mayeda, stellvertretender Direktor der Documentary Film Legal Clinic an der Universität von Kalifornien, sagte dem „Guardian“: „Man kann die Micky-Maus-Figur so verwenden, wie sie ursprünglich geschaffen wurde, um eigene Micky-Maus-Geschichten oder Geschichten mit dieser Figur zu erfinden.“ Aber: „Wenn Sie das auf eine Weise tun, die die Leute an Disney denken lässt – was ziemlich wahrscheinlich ist, weil sie so lange in diese Figur investiert haben –, dann könnte Disney theoretisch sagen, dass Sie seine Marke verletzt haben.“

Szene aus „Blood and Honey“
picturedesk.com/Everett Collection
Ein honigliebender Bär wird in „Winnie the Pooh: Blood and Honey“ zur gar nicht süßen Horrorfigur

Blutiges Schicksal eines süßen Bären

Eine künstlerische Befassung mit der „Steamboat Willie“-Maus zum Beispiel im Rahmen einer Parodie oder Hommage wird Disney künftig wohl kaum verhindern können. Ausgelotet wurde diese Grenze an Winnie Puuh. Nachdem dessen Urheberrecht 2022 erloschen war, erschien 2023 der Horrorfilm „Winnie the Pooh: Blood and Honey“. Darin wird die sympathische Bärenfigur von Alan Alexander Milne, deren Rechte sich Disney gesichert hatte, als mordende Bestie neu erfunden.

Wer sich bei seinen Werken an Disney orientiert, dürfe zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erwecken, im Auftrag oder in Zusammenarbeit mit Disney zu handeln. Also habe er so viel wie möglich getan, um sicherzustellen, „dass (der Film) nur auf der Kinderbuchversion von 1926 basiert“, sagte der Regisseur und Produzent des Films, Rhys Waterfield, gegenüber der US-Zeitschrift „Variety“. Der Film sei „Spaß und ein bisschen Satire“. Micky Maus der ersten Stunde blüht womöglich ein ähnliches Schicksal.