Der ukrainische Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj hatte zuvor von 122 Raketen und Marschflugkörpern sowie von 36 Drohnen gesprochen. Die Flugabwehr habe über 70 Prozent davon abfangen können. Der Angriff sei in mehreren Wellen aus verschiedenen Richtungen und unter Einsatz strategischer Bomber erfolgt.
Ziel der Angriffe seien Einrichtungen der zivilen und militärischen Infrastruktur sowie der Industrie gewesen. Über Einschläge und Schäden wurde aus Charkiw, Lwiw, Dnipro und der Hauptstadt Kiew berichtet. Explosionen gab es Medienberichten zufolge ebenfalls in Odessa, Chmelnyzkyj und Saporischschja. Auch aus den Städten Sumy und Konotop wurden nächtliche Angriffe gemeldet.
Tote und Verletzte
„Derart viele rote feindliche Ziele haben wir seit Langem nicht mehr auf unseren Monitoren gehabt“, sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat am Freitag im ukrainischen Fernsehen. Es sei der bisher schwerste Luftangriffe auf die Ukraine gewesen. Die bisher höchste offiziell gemeldete Zahl russischer Raketen, die an einem Tag auf die Ukraine abgefeuert worden waren, lag bei über 90.
Bei den beispiellosen russischen Raketen- und Drohnenangriffen kamen laut offiziellen Angaben aus Kiew mindestens 31 Menschen ums Leben, über 150 wurden verletzt, wie die ukrainischen Behörden am Freitag mitteilten. Tote gab es demnach in Dnipro, Charkiw, Saporischschja, Odessa und der Hauptstadt Kiew.
Auch Hyperschallraketen eingesetzt
Laut dem Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte flog von russischer Seite „praktisch alles, außer Kalibr-Marschflugkörper“. Eingesetzt worden seien Kinschal-Hyperschallraketen, ballistische Raketen des Typs S-300, verschiedene Marschflugkörper und weit reichende Drohnen iranischer Bauart. Etwa 18 strategische Bomber seien in der Luft gewesen.
Laut Regierung ist es in vier ukrainischen Regionen zu Stromausfällen gekommen. Betroffen davon seien der Norden und Süden des Landes, teilte das Energieministerium Freitagvormittag mit.
Schwere russische Angriffe auf die Ukraine
Russland hat die schwersten Luftangriffe seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine ausgeführt. Ziel waren mehrere Städte, darunter auch die Hauptstadt Kiew.
Klitschko: Luftabwehr in Kiew im Großeinsatz
In Kiew war die Luftabwehr nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko im Großeinsatz. Es gebe eine Raketenwarnung für die Hauptstadt, Explosionen seien zu hören, schrieb Klitschko in der Früh auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Danach meldete die Nachrichtenagentur Reuters, ein mehrstöckiges Wohnhaus sowie eine Lagerhalle stünden in Kiew in Flammen.
Der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, erklärte im Fernsehen, es seien 22 Luftangriffe gezählt worden. Ein Krankenhaus, mehrere Wohngebäude und Industrieanlagen seien getroffen worden.
UNO-Dringlichkeitssitzung beantragt
Die humanitäre UNO-Koordinatorin für die Ukraine, Denise Brown, sprach über die russischen Attacken am Freitag von einer „hasserfüllten Welle von Angriffen auf Wohngebiete der Ukraine“. EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte die „barbarischen“ Luftangriffe. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, zeigte sich schockiert, zumal die Attacken auch zivilen Zielen wie Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten gegolten hätten.
Der UNO-Sicherheitsrat beantragte auf Betreiben der Ukraine und von mehr als 30 Partnerländern eine Dringlichkeitssitzung für Freitag. Das ging aus Angaben des ukrainischen Außenministeriums und des UNO-Sicherheitsrates hervor.
Militärhilfe: Selenskyj ruft zu „gemeinsamer Stärke“ auf
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief angesichts unsicherer Militärhilfen für das nächste Jahr die Weltgemeinschaft mit Nachdruck zum gemeinsamen Kampf gegen Russlands Aggression auf. „Der russische Terror muss besiegt werden. Terror muss immer scheitern. Und alle von uns in der freien Welt müssen das zusammen sicherstellen“, sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache kurz vor Ende des Jahres.
Es müsse alles dafür getan werden, dass im kommenden Jahr alle „gemeinsam Stärke“ zeigten. Selenskyj dankte etwa Papst Franziskus für dessen Friedenswünsche für die Ukraine und den USA für ein neues militärisches Hilfspaket. Die USA hätten neue Raketen für die Flugabwehr geliefert sowie Marschflugkörper vom Typ HIMARS, Artilleriemunition mit den Kalibern 155 und 105 Millimeter sowie zusätzliche gepanzerte Fahrzeuge.
„Alles, was wir brauchen“, sagte Selenskyj. Am Vortag hatte er in seiner Rede die Fortschritte bei der ukrainischen Rüstungsproduktion hervorgehoben und als Ziel ausgegeben, sein Land unter die zehn größten Rüstungsproduzenten der Welt zu führen. Am Freitag sicherte auch Großbritannien der Ukraine weitere Waffen zu: Es würden Hunderte Flugabwehrraketen geliefert, um die ukrainischen Verteidigungsfähigkeiten zu unterstützen, schrieb der britische Verteidigungsminister Grant Shapps auf X (Twitter).