Große Rauchsäule über Kiew
Reuters/Gleb Garanich
Ukraine

Größter Luftangriff seit Kriegsbeginn

Der Luftangriff auf die Ukraine am Freitag ist nach Angaben des ukrainischen Militärs der größte seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 gewesen. Es seien in der Nacht 158 Drohnen und Raketen auf die Ukraine abgefeuert worden, teilte die Armeeführung über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Die Luftabwehr habe 27 Drohnen und 87 Marschflugkörper abschießen können. Der UNO-Sicherheitsrat berief eine Dringlichkeitssitzung ein.

Der ukrainische Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj hatte zuvor von 122 Raketen und Marschflugkörpern sowie von 36 Drohnen gesprochen. Die Flugabwehr habe über 70 Prozent davon abfangen können. Der Angriff sei in mehreren Wellen aus verschiedenen Richtungen und unter Einsatz strategischer Bomber erfolgt.

Ziel der Angriffe seien Einrichtungen der zivilen und militärischen Infrastruktur sowie der Industrie gewesen. Über Einschläge und Schäden wurde aus Charkiw, Lwiw, Dnipro und der Hauptstadt Kiew berichtet. Explosionen gab es Medienberichten zufolge ebenfalls in Odessa, Chmelnyzkyj und Saporischschja. Auch aus den Städten Sumy und Konotop wurden nächtliche Angriffe gemeldet.

Feuerwehrleute während Löscharbeiten an einem brennenden Gebäude in Kiew
AP/Ukrainian Emergency Service
Feuerwehrleute während Löscharbeiten an einem brennenden Gebäude in Kiew

Tote und Verletzte

„Derart viele rote feindliche Ziele haben wir seit Langem nicht mehr auf unseren Monitoren gehabt“, sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat am Freitag im ukrainischen Fernsehen. Es sei der bisher schwerste Luftangriffe auf die Ukraine gewesen. Die bisher höchste offiziell gemeldete Zahl russischer Raketen, die an einem Tag auf die Ukraine abgefeuert worden waren, lag bei über 90.

Bei den beispiellosen russischen Raketen- und Drohnenangriffen kamen laut offiziellen Angaben aus Kiew mindestens 31 Menschen ums Leben, über 150 wurden verletzt, wie die ukrainischen Behörden am Freitag mitteilten. Tote gab es demnach in Dnipro, Charkiw, Saporischschja, Odessa und der Hauptstadt Kiew.

Rauchsäule nahe der Stadt Novyi Rozdil im Oblast Lviv, Ukraine
IMAGO/ZUMA Wire/Artur Abramiv
Eine weithin sichtbare Rauchsäule über Kiew

Auch Hyperschallraketen eingesetzt

Laut dem Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte flog von russischer Seite „praktisch alles, außer Kalibr-Marschflugkörper“. Eingesetzt worden seien Kinschal-Hyperschallraketen, ballistische Raketen des Typs S-300, verschiedene Marschflugkörper und weit reichende Drohnen iranischer Bauart. Etwa 18 strategische Bomber seien in der Luft gewesen.

Laut Regierung ist es in vier ukrainischen Regionen zu Stromausfällen gekommen. Betroffen davon seien der Norden und Süden des Landes, teilte das Energieministerium Freitagvormittag mit.

Schwere russische Angriffe auf die Ukraine

Russland hat die schwersten Luftangriffe seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine ausgeführt. Ziel waren mehrere Städte, darunter auch die Hauptstadt Kiew.

Klitschko: Luftabwehr in Kiew im Großeinsatz

In Kiew war die Luftabwehr nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko im Großeinsatz. Es gebe eine Raketenwarnung für die Hauptstadt, Explosionen seien zu hören, schrieb Klitschko in der Früh auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Danach meldete die Nachrichtenagentur Reuters, ein mehrstöckiges Wohnhaus sowie eine Lagerhalle stünden in Kiew in Flammen.

Menschen suchen in einer U-Bahn-Station in Kiew Schutz
Reuters/Viacheslav Ratynskyi
Menschen suchen in Kiew Schutz vor den Luftangriffen

Der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, erklärte im Fernsehen, es seien 22 Luftangriffe gezählt worden. Ein Krankenhaus, mehrere Wohngebäude und Industrieanlagen seien getroffen worden.

UNO-Dringlichkeitssitzung beantragt

Die humanitäre UNO-Koordinatorin für die Ukraine, Denise Brown, sprach über die russischen Attacken am Freitag von einer „hasserfüllten Welle von Angriffen auf Wohngebiete der Ukraine“. EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte die „barbarischen“ Luftangriffe. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, zeigte sich schockiert, zumal die Attacken auch zivilen Zielen wie Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten gegolten hätten.

Der UNO-Sicherheitsrat beantragte auf Betreiben der Ukraine und von mehr als 30 Partnerländern eine Dringlichkeitssitzung für Freitag. Das ging aus Angaben des ukrainischen Außenministeriums und des UNO-Sicherheitsrates hervor.

Militärhilfe: Selenskyj ruft zu „gemeinsamer Stärke“ auf

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief angesichts unsicherer Militärhilfen für das nächste Jahr die Weltgemeinschaft mit Nachdruck zum gemeinsamen Kampf gegen Russlands Aggression auf. „Der russische Terror muss besiegt werden. Terror muss immer scheitern. Und alle von uns in der freien Welt müssen das zusammen sicherstellen“, sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache kurz vor Ende des Jahres.

Ukrainischer Präsident Wolodomir Selenski
Reuters/Alina Smutko
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj

Es müsse alles dafür getan werden, dass im kommenden Jahr alle „gemeinsam Stärke“ zeigten. Selenskyj dankte etwa Papst Franziskus für dessen Friedenswünsche für die Ukraine und den USA für ein neues militärisches Hilfspaket. Die USA hätten neue Raketen für die Flugabwehr geliefert sowie Marschflugkörper vom Typ HIMARS, Artilleriemunition mit den Kalibern 155 und 105 Millimeter sowie zusätzliche gepanzerte Fahrzeuge.

„Alles, was wir brauchen“, sagte Selenskyj. Am Vortag hatte er in seiner Rede die Fortschritte bei der ukrainischen Rüstungsproduktion hervorgehoben und als Ziel ausgegeben, sein Land unter die zehn größten Rüstungsproduzenten der Welt zu führen. Am Freitag sicherte auch Großbritannien der Ukraine weitere Waffen zu: Es würden Hunderte Flugabwehrraketen geliefert, um die ukrainischen Verteidigungsfähigkeiten zu unterstützen, schrieb der britische Verteidigungsminister Grant Shapps auf X (Twitter).