Zentrale der Möbelkette Leiner/kika
APA/Helmut Fohringer
Signa-Pleite

Republik dürfte Millionen verlieren

Auch der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, stimmt in den Chor jener ein, die Konsequenzen aus dem Signa-Fiasko fordern. Als Anwalt und Berater der Republik verweist Peschorn gegenüber der „Krone“ darauf, dass die Republik rund um die kika/Leiner-Insolvenz wohl Millionen verlieren werde. Ex-SPÖ-Kanzler und Signa-Aufsichtsratschef Alfred Gusenbauer meldete laut „profil“ unterdessen auch noch Millionenforderungen gegen Signa an.

Konkret geht es um eine Zahlung von 20 Millionen Euro, über die die Signa Holding alle Ansprüche gegen die Gesellschaften der Signa, Organe und Berater in der kika/Leiner-Insolvenz bereinigen kann. 15 dieser 20 Millionen stehen nun infrage. Das Insolvenzgericht hatte entgegen dem Wunsch der Finanzprokuratur eine gestückelte Zahlung in vier Tranchen zu je fünf Millionen Euro genehmigt. Nur die erste Tranche wurde bisher erstattet. Wie viel von den ausstehenden 15 Millionen noch fließt, hängt nun von der Quote der Insolvenz des Verfahrens der Signa Holding ab.

Laut „Krone“ schuldete kika/Leiner dem Staat fast 50 Millionen an Steuern, die während der Covid-Pandemie gestundet worden waren. Insgesamt würden sich die Verbindlichkeiten gar auf 150 Mio. Euro belaufen. Peschorn zweifelt auch an, ob in der kurzen Frist bis 12. Februar ein Sanierungsplan der Signa angesichts des komplexen Firmengeflechts überhaupt seriös geprüft werden kann. Er schließt gegenüber der „Krone“ auch eine Zerschlagung des Firmengeflechts nicht aus. Damit die Gläubiger einem Sanierungsplan zustimmen würden, brauche es nun völlige Transparenz, so Peschorn weiter.

Zadic für neue Regeln für „skrupellose Konzerne“

Nachdem auch die Vorzeigetöchter der Signa Holding, Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG, diese Woche Insolvenz anmelden mussten, häufen sich die Forderungen von Fachleuten nach Konsequenzen. Insbesondere sollten „Transparenzschlupflöcher“ gestopft werden. Auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sprach sich am Freitag für neue Regeln für „skrupellose Konzerne“ aus.

Das Imperium des Tiroler Investors Rene Benko kracht vielerorts, die Insolvenzen der beiden größten Brocken – Signa Prime und Signa Development – katapultierten die Verbindlichkeiten in den zweistelligen Milliardenbereich. Solange kein Durchblick beim verschachtelten Konzernkonstrukt besteht, ist aber auch eine endgültige Summe nicht absehbar.

Gusenbauer fordert von Signa Millionen

Auch die Gläubiger müssen warten, bis Licht in die Sache kommt. Wie „profil“ und die „Süddeutsche Zeitung“ berichten, gehört zu den Gläubigern nicht nur eine Firma des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer (Grüne), sondern auch der Signa-Aufsichtsratsvorsitzende Gusenbauer selbst.

Laut „profil“ geht es einerseits um eine Forderung der Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung Gmbh in Höhe von fast 5,7 Mio. Euro – Verzugszinsen von 167.000 Euro – inklusive. Zusätzlich fordert Gusenbauer, der in seiner Funktion die Entwicklung der Signa eigentlich direkt mitverfolgte, persönlich rund 680.000 Euro. Dabei handle es sich um monatliche Honorare. Der monatliche Basisbetrag betrug den Angaben zufolge 50.000 Euro.

Signa-Pleite dürfte Staat Millionen kosten

Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, fordert nun ebenfalls Konsequenzen aus dem Signa-Fiasko. Die Republik wird wohl rund um die kika/Leiner-Insolvenz Millionen verlieren. Ex-SPÖ-Kanzler und Signa-Aufsichtsratschef Alfred Gusenbauer meldete laut „profil“ unterdessen auch noch Millionenforderungen gegen Signa an.

EZB-Warnung brachte Causa ins Rollen

Die Frage, wie es mit der Signa so weit kommen konnte, stellen nun viele – auch an die Politik. Die Signa sprach von einem „toxischen Mix“ aus hohen Zinsen, Inflation, Energiepreisen und Löhnen bei einem gleichzeitigen Nachfrageeinbruch und letztlich der Überprüfung durch die Europäische Zentralbank (EZB). Diese wies betroffene Banken auf ein mögliches Risiko und Gefahren für deren eigene Stabilität hin.

Wieso aber zuvor niemand hinter die Kulissen schaute, bleibt vorerst unklar, die Vorwürfe wiegen schwer. So seien Bilanzen und Jahresabschlüsse nicht hinterlegt worden. Wie das Nachrichtenmagazin „News“ berichtete, sei das bewusst geschehen, Strafen seien in Kauf genommen worden.

Geringe Geldstrafen

Vorgeschrieben ist, dass Kapitalgesellschaften ihre Jahresabschlüsse beim Firmenbuchgericht einreichen müssen – in Österreich beträgt die Frist dafür neun Monate, wie der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Peter Bartos von BDO am Freitag gegenüber dem Ö1-Radio sagte. Geschieht das nicht, kann das Firmenbuchgericht Strafen verhängen, die sich im Fall keiner Besserung wiederholen. Die Strafen sind in der Relation allerdings gering: Zwischen 700 und 3.600 Euro seien bei einmaliger Strafverhängung vorgesehen, so Bartos. Darüber hinaus gebe es keine Konsequenzen.

Rauswurf aus dem Firmenbuch

Für große Konzerne sind solche Strafen also leicht bezahlbar. Bartos sprach sich daher für eine andere Option aus, wie sie etwa Großbritannien ausübt. Veröffentlicht ein Unternehmen den Abschluss nicht pünktlich, könne es aus dem Firmenbuch gestrichen werden. Wenn eine Zwangsstrafe nicht ausreichend abschrecke, „dann wäre das natürlich eine sehr taugliche Variante, weil damit eben die Gesellschaft einfach aufgelöst wird und sich das Thema der weiteren Teilnahme am Geschäftsverkehr damit dann nicht mehr stellt“.

Auch Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, könnte sich eine Variante wie in Großbritannien vorstellen: „Das wäre wirklich eine harte Konsequenz, würde aber auch zeigen – um vor allem den Gläubigern eine gewisse Sicherheit zu bringen –, dass Bilanzen pünktlich hinterlegt werden. Und damit Offenheit und Transparenz herrschen“, so Weinhofer zu Ö1.

Zadic: „Gezielte Manipulation verhindern“

Zuständig für eine solche Gesetzesänderung wäre das Justizministerium. Ressortchefin Zadic meldete sich auch am Freitag mit dem Ruf nach neuen Regeln zu Wort, ging dabei aber nicht ins Detail. „Dass die derzeitigen gesetzlichen Regeln für Jahresabschlüsse nicht ausreichen, zeigen auf dramatische Weise die jüngsten Signa-Insolvenzen“, zitierte das Ministerium in einer Aussendung Zadic.

Die Rede war von „skrupellosen Konzernen“, deren Schaden am Schluss „nicht nur wir alle zahlen – er untergräbt auch das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort und die heimischen Unternehmen“, so Zadic, die hier noch anfügte: „Wir müssen neue Regeln schaffen, um die gezielte und profitgetriebene Manipulation von Bilanzen auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern.“

Dobusch: „So ziemlich jedes Schlupfloch“

Leonhard Dobusch, Ökonom an der Uni Innsbruck und wissenschaftlicher Leiter des arbeitnehmernahen Momentum Instituts, sagte, die Pleite der Signa-Gruppe habe „so ziemlich jedes Transparenzschlupfloch aufgezeigt“, das es in den österreichischen gesellschaftsrechtlichen Regelungen gebe.

Dobusch sah das Problem nicht nur in den nicht vorgelegten Jahresabschlüssen, sondern auch darin, dass die Signa die Konsolidierungspflicht, den Abschluss für die finanziell verbundene Unternehmensgruppe unter einheitlicher Führung, umgangen habe. Der Konzern sei nun mit drei Gesellschaften unter den fünf größten Pleiten Österreichs. „Das ist aber nur deshalb so, weil die Signa eben ganz bewusst und gezielt eine Konsolidierungspflicht, also quasi die Pflicht, eigentlich einen gemeinsamen Jahresabschluss vorzulegen“, umgangen habe. „Dass es so eine einheitliche Führung gab, diesen Eindruck hat man ja auch auf der Webseite immer erweckt“, so Dobusch.

Er forderte zunächst drei Konsequenzen: wirksame Durchsetzungsregeln für die Hinterlegung von Jahresabschlüssen bei größeren Gesellschaften sowie selbiges für die Konsolidierungspflicht. Zum Dritten sollten Gruppen, die gemeinsam geführt werden, auch insolvenzrechtlich gemeinsam behandelt werden, um die Aufarbeitung zu erleichtern. Aber, so Dobusch: „Was man am Fall Signa sieht, ist: Die strengsten Regeln nutzen nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden.“