IHS-Chef Holger Bonin
APA/Helmut Fohringer
IHS-Chef Bonin

Hoffen auf Aufholen der Wohlstandsverluste

Optimismus gepaart mit Vorsicht: Das ist laut dem Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, das richtige Motto fürs neue Jahr. Die Wirtschaft komme aus der Rezession, und mit Glück könnten 2024 die seit der CoV-Pandemie erlittenen Wohlstandsverluste wettgemacht werden, so Bonin am Samstag im Ö1-Mittagsjournal-Interview. Von der Politik fordert Bonin dringend Strukturreformen zur Sanierung des Budgets – zeigt sich angesichts der bevorstehenden Wahlen aber realistisch.

2024 wird laut Bonin ein Übergangsjahr für Österreichs Wirtschaft. Aufgrund der kräftigen Lohnsteigerungen werde der private Konsum ein zentraler Treiber des Aufschwungs im nächsten Jahr sein, so der IHS-Chef. Es werde zwar „kein großartiger Aufschwung“ sein, „aber immerhin kommen wir aus der Rezession heraus“. Die hohen Energiepreise und die Krisen in der Ukraine und Nahost seien aber Risikofaktoren.

„Die Bürgerinnen und Bürger können sich erst einmal darauf einstellen, dass es ihnen finanziell besser gehen wird als im letzten Jahr“, meint Bonin. Die Menschen würden real mehr im Portemonnaie haben, Vorsicht sei aber trotzdem angebracht. Nach den Wohlstandsverlusten als Folge der CoV-Pandemie und des Ukraine-Krieges gebe es nun eine gewisse Durststrecke. „Wenn wir Glück haben, sind wir Ende nächsten Jahres ungefähr da, wo wir vor der Corona-Krise waren.“ Möglicherweise werde es aber auch bis ins übernächste Jahr hinein dauern.

Baubranche in schwerem Fahrwasser

Die Signa-Pleiten hätten natürlich Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. „Auf den Finanzmarkt, also wenn es um die Banken geht, da werden die Auswirkungen wahrscheinlich begrenzt sein, weil es sich auf sehr, sehr viele Player verteilt.“ Der Schaden für die heimische Wirtschaft werde wahrscheinlich nicht sehr groß sein.

„Die Immobilien sind ja was wert, sie müssen umfinanziert werden. Die gestiegenen Zinsen spielen da eine große Rolle. Es wird sicherlich an einigen Standorten dann auch Leerstände geben.“ Das werde auch zu Kündigungen führen, möglicherweise werde es auch Auswirkungen auf andere Unternehmen in der Baubranche geben, der es insgesamt nicht gut gehe.

Der Hochbau sei in einer heftigen Rezession, man müsse ihn aber erhalten, weil man Wohnungen für den Zuzug brauche. Aber man müsse auch für die Energiewende viel bauen. Der Staat könne da etwa über den geförderten Wohnbau stabilisierend eingreifen, müsse dabei aber aufpassen, den Markt nicht zu überhitzen.

Budget sanieren, aber nicht mit höheren Steuern

Zur Finanzierung sollte man nicht Steuern erhöhen, sondern den Haushalt durchforsten, rät Bonin. „Wir haben immer noch einen sehr hohen Anteil an klimaschädlichen Subventionen, die Pendlerpauschale ist eines der prominentesten Beispiele dafür.“ Erschwert werde das durch die demografische Entwicklung und den hohen Anteil der Pensionsausgaben.

IHS-Chef Bonin zur Teuerung

2023 war ein wirtschaftlich forderndes Jahr. Zu den KV-Abschlüssen und dem Verlauf der Teuerung äußert sich Holger Bonin, Leiter des Instituts für Höhere Studien.

Bei den notwendigen Strukturreformen werde im Wahljahr 2024 nicht viel passieren, weil die Maßnahmen nicht sehr populär seien – möglicherweise werde man etwa länger arbeiten müssen. „Aber eine neue Regierung hat vielleicht die Chance, am Anfang einer neuen Legislaturperiode noch Pflöcke einzusetzen.“ Auch bei der Klimaschutzpolitik fehle derzeit noch eine klare Strategie mit langfristigen Bindungen.

Warnung vor Abwandern der Industrie

Anlass zur Sorge sieht der IHS-Ökonom bei Österreichs Wettbewerbsfähigkeit. Ein wesentlicher Faktor sei dabei das hohe Energiepreisniveau. Das gelte für Deutschland noch stärker als für Österreich, etwa in der Stahlindustrie und Chemie. Österreichs Wirtschaft sei breiter aufgestellt, etwa durch den Tourismus und starke Nischenanbieter. „Deshalb bin ich für Österreich optimistischer, was diese Frage der Deindustrialisierung angeht, als ich es im Moment für Deutschland bin.“

Auch bei der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz sei „sicherlich Luft nach oben“, Europa bleibe dabei hinter den dynamischen Volkswirtschaften in den USA und Asien zurück.

Für Prämien, um Mobilität zu erhöhen

Was den Facharbeitermangel und den Arbeitsmarkt angehe, seien die Unternehmen mehr gefordert als die Politik. In der Vergangenheit hätten die Unternehmen Arbeitskräfte gehortet, weil Fachkräfte schwer zu bekommen waren, aber das könnte als Reaktion auf die gestiegenen Lohnkosten nun kippen. Gegensteuern könnten die Firmen durch bessere Arbeitsbedingungen, etwa durch flexiblere Arbeitszeitmodelle und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die räumliche Mobilität könnte man beispielsweise durch Mobilitätsprämien fördern.