Demonstranten gehen an einem Netanyahu Plakat vorbei
AP/Oded Balilty
Israels Justiz

Urteil facht Politstreit neu an

Israels Oberster Gerichtshof hat am Montag ein Kernelement des Justizumbaus der rechtsreligiösen Regierung gekippt. Das Urteil facht den monatelangen Politstreit zwischen der Koalition von Premier Benjamin Netanjahu und der Opposition neu an und könnte die nach dem Terrorangriff der Hamas gebildete Einheitsregierung auf die Probe stellen.

Die Richterinnen und Richter in Jerusalem erklärten eine Gesetzesänderung für nichtig, die dem Gericht die Möglichkeit genommen hatte, gegen „unangemessene“ Entscheidungen der Regierung vorzugehen. Acht der 15 Mitglieder des Gerichts stimmten für die Aufhebung der Klausel. „Das Gericht befand, dass die Änderung den Kern von Israels Wesen als demokratischer Staat einen schweren und noch nie da gewesenen Schaden zufügt“, wurde mitgeteilt.

Das Urteil könnte nun die Einheitsregierung auf die Probe stellen, die nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas gebildet wurde. Diese umfasst Hardliner wie Finanzminister Besalel Smotritsch und Kritiker der Reform wie Verteidigungsminister Joav Galant.

Kritik der Regierung, Opposition lobt Urteil

Kritik kam von Justizminister Jariv Levin: „Die Entscheidung der obersten Richter, das Urteil während des Krieges zu veröffentlichen, ist das Gegenteil des Geistes der Einigkeit, der in diesen Tagen notwendig ist, damit unsere Kämpfer an der Front Erfolg haben.“ Netanjahus Likud-Partei erklärte, das Urteil stehe im Widerspruch zum Wunsch des Volkes nach Einheit, insbesondere im Angesicht des Krieges. Zu etwaigen weiteren Schritten machte sie keine Angaben.

Der oberste Gerichtshof in Jerusalem
Reuters/Ilan Rosenberg
Höchstgericht in Jerusalem: Der Justizumbau hat die Gesellschaft tief gespalten

Oppositionsführer Jair Lapid lobte das Gericht dagegen und stellte sich hinter den Entscheid. Das Urteil markiere das Ende eines harten Jahres, in dem der Streit das Land von innen zerrissen habe. Die israelische Bewegung für eine Qualitätsregierung sprach von einem „historischen Tag“. „Das ist ein riesiger öffentlicher Sieg derer, die für Demokratie kämpfen“, hieß es. Sie hatte eine von insgesamt acht Petitionen gegen die Grundgesetzänderung eingereicht.

Massenproteste gegen Justizumbau

Das israelische Parlament hatte nach einer langen und erbitterten Debatte Ende Juli für das Kernstück der Reform gestimmt. Die Opposition bezeichnete dieses als einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und als Einfallstor für Korruption und Machtmissbrauch. Die Regierung argumentierte dagegen, die Justiz mische sich zu sehr in die Politik ein.

Vermittlungsversuche von Präsident Jizchak Herzog und Aufrufe des Verbündeten USA zu einem Kompromiss blieben vergebens. Hunderttausende Israelis gingen gegen den Justizumbau auf die Straße. Auch in der Wirtschaft hatte sich Widerstand geregt. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara hatte die Aufhebung des Gesetzes gefordert, weil es ihrer Ansicht nach auf Netanjahu persönlich zugeschnitten sei.

Novum in der Geschichte

Israels Höchstgericht war im September zu einer historischen Gerichtsverhandlung zusammengetreten. Erstmals in der Geschichte des Landes kamen alle 15 Richterinnen und Richter zusammen, um über acht Petitionen gegen die verabschiedete Grundgesetzänderung zu beraten. In Israels Geschichte wurde bisher noch nie ein vergleichbares Gesetz vom obersten Gericht einkassiert.