Bombeneinschlag vor Gebäude in Kiew
AP/Andrii Marienko
Russische Angriffe

Kiew fordert mehr Raketen vom Westen

Nach den neuen schweren russischen Angriffen auf sein Land hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba die Verbündeten Kiews zu schnelleren Waffenlieferungen aufgefordert. Der Westen müsse „auf entschiedene Art reagieren“, sagte Kuleba am Dienstag in Kiew. In Deutschland wurden Stimmen laut, nun doch Marschflugkörper zu liefern.

Außenminister Kuleba betonte am Dienstag, es müssten vor allem „zusätzliche Luftverteidigungssysteme und Kampfdrohnen aller Art“ geliefert werden. Zudem benötige die ukrainische Armee mehr „Raketen mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern“.

Moskau hatte Dienstagfrüh eine neue große Angriffswelle auf das Nachbarland gestartet. Insgesamt feuerte Russland nach ukrainischen Angaben „99 Raketen verschiedenen Typs“ ab. Davon seien 72 von der Luftabwehr abgeschossen worden, erklärte die ukrainische Armee. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von erneutem „russischem Terror“ und dankte zugleich den westlichen Alliierten für die Lieferung von Luftabwehrsystemen. „Diese helfen, Hunderte Leben jeden Tag und jede Nacht zu retten.“

Selenskyj fordert Bestrafung Russlands

„In den vergangenen fünf Tagen hat der Feind mindestens 500 Raketen und Drohnen auf die Ukraine abgefeuert“, teilte er zudem am Dienstagabend auf X (Twitter) mit, nachdem er mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak telefoniert hatte. Selenskyj bedankte sich dort bei Sunak für die Unterstützung der ukrainischen Luftverteidigung.

In seiner abendlichen Videobotschaft forderte Selenskyj die Bestrafung Russlands: „Russland muss lernen, was Verantwortung für das Zerstören von Leben und was die Kraft des Verteidigens von Leben bedeutet.“

Westen kommt mit Produktion nicht nach

Der Westen unterstützt die Ukraine rüstungstechnisch in großem Ausmaß in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor. Die USA und die NATO-Bündnispartner haben aber mittlerweile politische und logistische Probleme bei der Belieferung. Neben verbesserten Luftabwehrkapazitäten braucht die Ukraine vor allem Munition, insbesondere für die Artillerie. Die USA haben im vergangenen Jahr ihre Produktionskapazitäten bereits deutlich erhöht, beliefern derzeit aber auch Israel im Krieg gegen die Hamas.

Die europäischen Staaten versuchen ebenfalls ihre Kapazitäten auszubauen. Das selbst gesteckte Ziel – eine Million Granaten 2023 – wurde verfehlt. Finnland kaufte zuletzt eine vor Jahren stillgelegte Artillerieproduktionsstätte zurück und will diese wieder hochfahren und so seine Produktion verdoppeln, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg im Dezember berichtete.

Kiew: Schutz vor Angriff in U-Bahn-Stationen

In der Ukraine hat es einen landesweiten Luftalarm gegeben. In der Hauptstadt Kiew waren Explosionen zu hören. Bewohnerinnen und Bewohner suchten Schutz in U-Bahn-Stationen.

Politische Ungewissheit

Aus europäischer Sicht kommt die Ungewissheit hinzu, wer im November die US-Wahl gewinnen wird und ob die USA die Ukraine dann weiter wie bisher unter Präsident Joe Biden unterstützen werden – oder ob Europa dann schlagartig deutlich mehr Verantwortung übernehmen und Kosten stemmen muss.

Türk ruft zu sofortiger Deeskalation auf

UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk forderte eine sofortige Deeskalation zum Schutz von Zivilisten. Er sprach auf X (Twitter) von einer „alarmierenden Eskalation der Kämpfe“. Nach den russischen Angriffen mit Dutzenden Raketen und Drohnen am Dienstag flog die Ukraine in der Nacht auf Mittwoch nach russischen Angaben einen weiteren Drohnenangriff auf die russische Stadt Belgorod. Mehrere Drohnen seien beim Anflug auf die Stadt zerstört worden, sagte der Gouverneur der an die Ukraine grenzenden Region.

Neue Debatte über Taurus-Lieferungen in Berlin

Unter anderem mehrten sich am Dienstag in Deutschland die Forderungen nach einer Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. „Die Ukraine benötigt mehr Munition, mehr Ersatzteile, und der Taurus muss sofort auf den Weg gebracht werden, um endlich den russischen Nachschub zu erschweren“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), laut dem Nachrichtenportal t-online.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Sara Nanni, schloss sich der Forderung an. Auch die oppositionelle CDU/CSU-Fraktion im Bundestag erneuerte ihre Forderungen nach Taurus-Lieferungen. Die deutsche „Ampelregierung“ zögert nach wie vor, Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine zu liefern. Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und würde der ukrainischen Armee damit Angriffe auf Waffendepots und Versorgungslinien auf russischem Staatsgebiet erleichtern.