Bundesgesetz in ausgedruckter Form
ORF/Ákos Heves
Neue Uni in Linz

„Sonderkonstruktion“ stößt auf Kritik

Von der Idee bis zur Gründung: Auf die neue Universität in Linz prasselt Kritik nieder. Aktuell liegt ein Gesetzesentwurf, mit dem das Institute of Digital Sciences Austria organisiert und betrieben werden soll, in der Begutachtung. Diese endet am Montag. Besonders scharf wird die rechtliche „Sonderkonstruktion“ kritisiert. Das Ministerium verteidigt das neue Modell.

Die neue Universität in Linz – derzeit am Gelände der Johannes-Kepler-Universität untergebracht – ist umstritten. Obwohl sie als öffentliche Uni geführt wird und dementsprechend vom Unibudget profitiert, fällt sie nicht unter das strenge Regime des Universitätsgesetzes. Die neue Universität erhält ein eigenes Gesetz, das zum Teil ganz andere Regeln und Möglichkeiten vorsieht. In vielen Stellungnahmen wird der Begriff Universität deshalb unter Anführungszeichen gesetzt.

„Die Konstruktion ist ein Wolpertinger, und das spiegelt sich im Gesetz wider“, sagt Oliver Vitouch, Präsident der Universitätskonferenz (uniko), im Gespräch mit ORF.at. Die Hochschule sei eine Mischung aus öffentlicher Universität, Fachhochschule und Privatuni. „Es läuft auf eine Sonderbehandlung hinaus, und wir haben verfassungsrechtliche Bedenken“, betont der Uni-Klagenfurt-Rektor. Das betreffe sowohl die Struktur der Leitungsspitze als auch die Möglichkeit, Studienbeiträge einzuheben. Zudem sei der inhaltliche Fokus noch immer zu breit.

Hochschulnetz

Österreich hat mit 22 öffentlichen Universitäten und 21 Fachhochschulen ein dichtes Hochschulnetz. Hinzu kommen die Privatuniversitäten und die pädagogischen Hochschulen.

Das Wissenschaftsministerium kennt die Kritik. Seit der Ankündigung der „Digitaluni“ im Jahr 2020 wird das Projekt infrage gestellt. Das nun geplante Gesetz soll das Gründungsgesetz von 2022 ersetzen. Es sei „bewusst“ versucht worden, „ein gänzliches neues Universitätsmodell zur Diskussion zu stellen“, das mehr Flexibilität ermöglicht, heißt es auf ORF.at-Anfrage aus dem Ressort von ÖVP-Minister Martin Polaschek. Die breite Debatte wird begrüßt, man werde die konstruktive Kritik und die Vorschläge aus der Begutachtung genau prüfen. Änderungen seien möglich, die Absicht, neue Wege zu beschreiten, würde aber aufrecht bleiben.

Rückbildung der Autonomie?

Das Gesetz ist im Gegensatz zum Universitätsgesetz äußerst schlank gehalten. Es soll, so hieß es, Modellcharakter für die Zukunft haben. Doch viele zeigen sich besorgt, das betrifft insbesondere die Struktur, die die neue Uni erhalten soll: Präsidentin bzw. Präsident, Kuratorium und Universitätsversammlung. Von einer „konzentrierten Machtfülle“ an der Spitze ist die Rede, andere kritisierten eine „Machtverschiebung“, die die „universitäre Selbstbestimmung einschränkt“. Besonders die Unisenate, in denen das Universitätspersonal sitzt, äußern Bedenken.

Von den Aufgaben her ähnelt zwar das Kuratorium dem Senat, jedoch wird das Kuratorium der neuen Uni auch von Bund und vom Land Oberösterreich beschickt. Für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist der Vorschlag über die Landesregierung eine „Besonderheit“, die es zu hinterfragen gilt. Andere Regierungen in den Ländern hätten nämlich für die jeweiligen Unis ein „solches Privileg“ nicht. Kritisiert wird zudem die Vermischung zwischen „externer Aufsicht“ und operativen Aufgaben.

Von ORF.at befragte Verfassungsexperten halten die geplante Struktur der neuen Uni für „bedenklich“. Mit dem Modell würde man sich ein Stück weit von der Selbstverwaltung der Universitäten entfernen. Denn während in den restlichen öffentlichen Unis den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen noch ein Mitspracherecht eingeräumt wird, werde das bei der neuen Uni in Linz rückgebaut. Das liege daran, dass dem Gremium, in dem die Universitätsangehörigen sitzen (hier die Universitätsversammlung), Kompetenzen entzogen würden.

„Klar verfassungswidrig“

Dass die neue Uni als öffentliche Universität Studienbeiträge einheben darf, dürfte noch zu scharfen Diskussionen führen. Zwar müssen die Beiträge „sozial verträglich“ gestaltet sein, die uniko erinnert jedoch daran, dass der Verfassungsgerichtshof eine „vergleichbare Regelung“ bereits 2013 aufgehoben hat. Sollte die Uni autonom über die Höhe der Studienbeiträge entscheiden können, während das den anderen Unis nicht möglich ist, wäre das „klar verfassungswidrig“.

Die Senatsvorsitzenden der TU Austria kritisieren, dass weder im Gesetz noch in den Erläuterungen klar sei, was unter „sozial verträglich“ zu verstehen ist. Diese fehlende „valide und verlässliche gesetzliche Regelung“ widerspreche dem Legalitätsprinzip (jedes staatliche Handeln – die Uni hat einen öffentlichen Charakter – darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden). Die vage Regelung würde zu einer „vollkommenen Auslieferung der Universitätsausbildung an die Gesetze des Marktes führen“, lautet die Kritik.

Bemängelt wird auch die privatrechtliche Rechtsbeziehung zwischen der neuen Uni und den Studierenden. Nach Ansicht der uniko würde der Plan den hoheitlichen Aufgaben des Staates widersprechen. Sogar das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) regt an, die „Notwendigkeit und Erforderlichkeit“ dieses Vorhabens „grundlegend“ zu prüfen. Denn damit würde eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, mit der auch der Rechtsschutz von Studierenden ein ganz anderer ist als bisher.

ÖAW fordert Verbesserung

Seit Langem ist die inhaltliche Ausrichtung der Uni ein Streitpunkt. Für die ÖAW ist der Fokus der Uni zu breit gefasst. Zwar soll sich alles um Digitalisierung drehen, jedoch will die Universität auch die „Folgen der digitalen Transformation auf Wissenschaft, Kunst, Gesellschaft und Wirtschaft“ behandeln. Mit der breiten Palette würde das neue Institut „Lehr- und Forschungsbereiche bestehender universitärer wie außeruniversitärer Institutionen für sich beanspruchen“, kritisiert die ÖAW.

Ganz abgelehnt wird der Entwurf von der Konferenz der Senatsvorsitzenden der 22 öffentlichen Universitäten. Recht deutlich argumentieren sie, dass das geplante Gesetz der neuen Uni zum Teil verfassungswidrig sei. Die Verfassung könne nicht für „diese Sonderkonstruktion einer Universität“ herhalten. Den Entwurf durchziehe eine „Tendenz zum Autoritären und zu einer Wiederbelebung der politischen Kontrolle, die diametral zu einer demokratischen Universitätslandschaft steht“.

„Weniger ist wirklich weniger“

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Bereiche Frauenförderung und Diskriminierungsschutz. Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der TU Graz verweist nun auf die Aussage von Minister Polaschek, der mit dem Prinzip „Weniger ist mehr“ für mehr Flexibilität beim Gesetz geworben hat. „Im Bereich des Schutzes vor Diskriminierung sowie der Frauenförderung und der Gleichstellung der Geschlechter gilt leider, dass weniger wirklich weniger ist.“ Aus anderen Universitäten wurde ähnliche Kritik laut. Sie fordern eine Überarbeitung des Vorschlags.

Die rechtliche Gestaltung der Universität ist recht komplex, selbst der Name sorgt für Verwirrung. Sprach man im Sommer 2020 noch von einer „Digitaluni“, die später zu einer Technischen Universität führte, lautet der gesetzliche Name Institute of Digital Sciences Austria. Nach außen hin wird die Uni aber unter der Marke Interdisciplinary Transformation University Austria geführt werden.