Menschen durchsuchen beschädigtes Gebäude in Beirut
AP/Hassan Ammar
Explosion

Hamas meldet Tötung von Anführer in Beirut

Bei einer Explosion in Beirut soll der stellvertretende Leiter des Politbüros der islamistischen Hamas, Saleh al-Aruri, ums Leben gekommen sein. Nach mehreren Berichten bestätigten die Hamas und zwei libanesische Sicherheitsvertreter am Dienstag in ihren offiziellen Medien die „Ermordung“ von Aruri. Auch zwei weitere hochrangige Hamas-Mitglieder sollen getötet worden sein. Israel wollte sich gegenüber Medienanfragen nicht äußern.

Die Hisbollah-Miliz kündigte umgehend Vergeltung an. Das „Verbrechen“ in Beirut sei „eine gefährliche Attacke auf den Libanon“ und dessen Volk und Sicherheit, teilte die Miliz am Dienstagabend mit. „Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen.“ Die Hisbollah habe „den Finger auf dem Abzug“ und ihre Kämpfer seien „in höchster Stufe der Bereitschaft“.

Israel sei nach drei Monaten Krieg unfähig, Gaza zu „unterwerfen“ und greife deshalb zu Mitteln wie Attentaten, erklärte die schiitische Bewegung. Der Tod Aruris sei eine Fortsetzung der Tötung des ranghohen iranischen Generals Sejed-Rasi Mussawi, der jüngst bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff in Syrien ums Leben kam.

Die Hisbollah unternahm nach dem Tod von Aruri demnach bereits ihren ersten Angriff auf Israel. Sie habe eine Gruppe israelischer Soldaten nahe der Grenze angegriffen, teilte die Miliz mit. Dabei habe es Tote und Verletzte gegeben. Der regelmäßige Beschuss zwischen der Hisbollah und Israels Armee nahe der Grenze nahm seit Beginn des Gaza-Krieges vor drei Monaten zu.

Bericht: Weitere hochrangige Hamas-Mitglieder getötet

Ein der Hamas nahestehender TV-Sender berichtete Dienstagabend, dass bei der Attacke auch zwei weitere hochrangige Hamas-Mitglieder getötet worden seien. Es handelt sich laut dem Fernsehsender um die Kommandanten Samir Fandi Abu Amer und Assam al-Akra Abu Ammar vom bewaffneten Arm der Gruppierung – die Hamas selbst sprach von zwei getöteten Anführern ihrer Essedin-al-Kassam-Brigaden. Sie bestätigte auch den Tod eines ihrer Anführer, des stellvertretenden Leiters des Hamas-Politbüros, Aruri.

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtajjeh verurteilte zuvor die „Ermordung“ von Aruri, der Nummer zwei der radikalislamischen Hamas. „Dieses Verbrechen“ sei durch „bekannte Kriminelle“ verübt worden, hieß es in einer am Dienstagabend von seinem Büro veröffentlichten Erklärung.

Aruri sei zusammen mit zwei Begleitern in einem südlichen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden, erklärte Schtajjeh weiter. Er warnte vor „den Risiken und Konsequenzen“ dieses Angriffs. Die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland, der Schtajjeh angehört, sowie die im Gazastreifen herrschende Hamas sind verfeindet.

Libanon sieht „israelisches Verbrechen“

Der libanesische Regierungschef Nadschib Mikati sprach von einem „israelischen Verbrechen“. Er warf Israel laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung vor, den Libanon in eine „neue Phase der Konfrontation“ hineinziehen zu wollen.

Die genauen Hintergründe der Explosion blieben zunächst unklar. Schnell kam der Verdacht auf, dass es sich um eine gezielte Tötung handeln könnte – möglicherweise durch Israels Armee oder im Auftrag Israels. Die israelische Armee bestätigte den Angriff zunächst nicht und erklärte gegenüber der BBC, „die Informationen ausländischer Medien nicht zu kommentieren“.

Fast 20 Jahre in israelischen Gefängnissen inhaftiert

Aruri, den Israel für die Planung zahlreicher Attentate verantwortlich macht, war 2017 zum Stellvertreter von Hamas-Politbüro-Chef Ismail Hanija gewählt worden. Damit wurde er offiziell zur Nummer zwei der islamistischen Organisation.

Saleh al-Arouri, 2017
AP/Nariman El-Mofty
Der stellvertretende Leiter des Politbüros der islamistischen Hamas, Saleh al-Aruri, 2017

Nachdem Aruri insgesamt fast 20 Jahre in israelischen Gefängnissen inhaftiert war, wurde er im Jahr 2010 unter der Bedingung freigelassen, ins Exil zu gehen. Seitdem lebte er wie viele andere Hamas-Vertreter im Libanon. Sein leerstehendes Haus im Westjordanland war nach Angaben von Augenzeugen im Oktober von der israelischen Armee durch Sprengstoff zerstört worden.

Nach Angaben der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA wurden bei dem israelischen Angriff insgesamt sechs Menschen getötet. „Die Zahl der Märtyrer ist auf sechs gestiegen“, hieß es. Demnach fand zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Hamas-Büro ein Treffen von Palästinensergruppen statt. Zunächst hatte die Agentur vier Tote gemeldet. „Eine feindliche israelische Drohne“ habe ein Hamas-Büro in al-Muscharrafija in der Nähe von al-Schark Sweets getroffen.

Menschen durchsuchen beschädigtes Gebäude in Beirut
AP/Hassan Ammar
Das Gebiet, in dem der Angriff stattfand, gilt als Hochburg der Hisbollah-Miliz

Hochburg der Hisbollah-Miliz

„Der Vizepräsident des Politbüros der Hamas, Scheich Saleh al-Aruri, wurde bei einem zionistischen Angriff in Beirut zum Märtyrer“, gab die Hamas auf ihrem offiziellen Fernsehkanal al-Aksa TV und ihren anderen Medien bekannt.

Auch zwei Chefs der Essedin al-Kassam-Brigaden, des militärischen Flügels der Hamas, seien getötet worden. Weiter hieß es, der Angriff werde „den Widerstand“ nicht brechen. Ein AFP-Fotograf an Ort und Stelle sah zwei zerstörte Etagen eines Gebäudes sowie beschädigte Fahrzeuge. Rettungswagen eilten zum Ort des Angriffs. Das Gebiet ist eine Hochburg der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Menschen und Fahrzeuge vor einem beschädigten Gebäude in Beirut
Reuters/Ahmad Al-Kerdi
Bei dem Angriff auf ein Hamas-Büro in einem Vorort von Beirut sollen vier Menschen getötet worden sein

Es handelt sich um den ersten israelischen Angriff auf ein Ziel in der libanesischen Hauptstadt seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas am 7. Oktober – und die erste gezielte Tötung eines hohen palästinensischen Funktionärs durch Israel. Bisher beschränkten sich die Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und der libanesischen Hisbollah-Miliz – einem Verbündeten der palästinensischen Hamas – auf die Grenzgebiete im Süden des Libanon.