Claudine Gay
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Nach Vorwürfen

Harvard-Präsidentin tritt doch zurück

Nach Plagiatsvorwürfen und Kritik an ihren Äußerungen über Antisemitismus auf dem Campus tritt die Präsidentin der US-Universität Harvard, Claudine Gay, doch zurück. Ihr Rückzug sei im „besten Interesse“ für die Universität, hielt sie am Dienstag fest. Gleichzeitig sei es „erschütternd“, dass ihr Engagement gegen Hass und für wissenschaftliche Prinzipien zuletzt in Zweifel gezogen wurden.

Zuvor hatte bereits die Zeitung „The Harvard Crimson“ berichtet, dass Gay am Dienstagnachmittag zurücktreten werde. Kurz darauf wurde auch ihr Schreiben publik, in dem die Harvard-Präsidentin ihre Gründe näher ausführte. „Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Es war in der Tat unbeschreiblich schwierig“, schrieb Gay. Ihr Rücktritt würde Harvard die Möglichkeit geben, „sich auf die Institution und nicht auf eine Einzelperson zu konzentrieren“.

Gay hatte das Amt sechs Monate lang inne und war die erste Schwarze und erst die zweite Frau, die an die Spitze der Eliteuniversität berufen wurde. Mitte Dezember hatte Gay einen Rücktritt noch abgewendet, nachdem sich das Hochschulführungsgremium Harvard Corporation hinter sie gestellt hatte.

Claudine Gay
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Claudine Gay wurde zuletzt auch mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert – bisher wurde der Verdacht nicht bestätigt

Gay war zuvor bei einer Kongressanhörung zum Thema Antisemitismus befragt worden. Dabei antwortete sie auf die Frage, ob Studierende, die auf dem Campus zum „Völkermord an Juden“ aufrufen, gegen die Verhaltensregeln der Unis verstoßen: Die Aufrufe seien abscheulich, aber es hänge vom Kontext ab, ob solche Äußerungen einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex in Bezug auf Mobbing und Belästigung darstellen würden.

Gay entschuldigte sich – Magill trat zurück

Neben Gay wurden auch die Präsidentinnen Liz Magill (University of Pennsylvania) und Sally Kornbluth (MIT) von der republikanischen Abgeordneten Elise Stefanik befragt – sie antworteten ähnlich. Die Kritik war enorm. Anfang Dezember zog Magill die Konsequenzen und trat zurück. Sie lege das Amt freiwillig nieder, bleibe aber festes Mitglied der juristischen Fakultät, hieß es. Eine Begründung wurde nicht genannt.

Seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem darauffolgenden Beginn der israelischen Bombardements von Zielen im Gazastreifen haben antisemitische Vorfälle und Hassverbrechen gegen Juden und Jüdinnen, aber auch Muslime und Musliminnen in den USA zugenommen. Auch an Hochschulen gab es antisemitische Aktionen.

Gay hatte sich nach der Anhörung in einem Interview für ihre Aussagen entschuldigt. „In diesem Moment hätte ich die nötige Geistesgegenwart aufbringen sollen, um zu meiner Wahrheit zurückzukehren, nämlich dass Aufrufe zur Gewalt gegen unsere jüdische Gemeinschaft – Drohungen gegen unsere jüdischen Studenten – in Harvard keinen Platz haben und niemals unwidersprochen bleiben werden“, sagte sie.

„NYT“: Vorwürfe aus konservativer Ecke

Gay sah sich neben ihrer Aussage über den Antisemitismus aber auch mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Der 53-Jährigen wurde vorgeworfen, in ihren Publikationen nicht sauber zitiert zu haben. Wie die „New York Times“ berichtete, sollen die Anschuldigungen über konservative Medien in Umlauf gebracht worden sein.

Harvard erklärte Anfang Dezember, dass eine externe Fachkommission zum Schluss kam, dass in Gays akademischer Arbeit zwar einige „doppelte Formulierungen“ verwendet wurden, das aber nicht das Niveau eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens erreicht habe. Gay hatte ihre Arbeit nachdrücklich verteidigt: „Ich stehe zur Integrität meiner wissenschaftlichen Arbeit.“ Anfang Jänner wurden erneut Vorwürfe publiziert, diese werden nun geprüft.