Rettungswagen am Anschlagsort in Kerman (Iran)
APA/AFP/Iran Press
Gedenkfeier für General

Fast 100 Tote bei Explosionen im Iran

Nach zwei verheerenden Explosionen am Todestag des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani in dessen Heimatstadt Kerman hat der iranische Gesundheitsminister die Zahl der Todesopfer nach unten korrigiert. 95 Menschen seien ums Leben gekommen, sagte Bahram Ejnollahi am Mittwoch.

Ejnollahi begründete die Korrektur damit, dass einige Namen der Opfer zuvor doppelt gezählt worden waren. Staatsmedien hatten die Zahl der Todesopfer zuvor mit 103 angegeben. Immer noch befänden sich rund 30 Patientinnen und Patienten in kritischem Zustand, sagte der Minister. Insgesamt wurden laut Ejnollahi 211 Menschen verletzt. Die iranische Führung kündigte scharfe Reaktionen an.

Von systemtreuen Regierungsanhängern wird Soleimani, der von den USA vor vier Jahren getötet wurde, als Märtyrer verehrt. Auch am Mittwoch pilgerten Menschenmassen durch Kermans Straßen zu Soleimanis Grabstelle in einer Moschee. In einem live im Staatsfernsehen übertragenen Ausschnitt waren ein Knall und Schreie zu hören.

Während einer Liveschaltung einer Reporterin waren Retter zu sehen, die mit Verletzten im Hintergrund in ein Krankenhaus eilten. Reporter sprachen von einem „entsetzlichen Geräusch einer Explosion“ und von einem „terroristischen Angriff“.

Hintergrund unklar

Das Staatsfernsehen zeigte, wie Rettungskräfte des Roten Halbmonds Verletzte bei der Zeremonie versorgten, zu der sich Hunderte Iraner versammelt hatten, um den Todestag Soleimanis zu begehen. Auch in sozialen Netzwerken kursierten Videos, die Tumulte zeigten.

Wer oder was die Explosionen wie auslöste, ist bisher nicht bekannt. Laut Augenzeugen vergingen zwischen den beiden Detonationen rund zehn Minuten. Zunächst hieß es aus offiziellen Quellen, es sei nicht bekannt, ob die Explosionen auf Gaskanister oder Selbstmordattentäter zurückzuführen seien. Später erklärten Beamte, die Explosionen seien durch zwei ferngezündete Bomben ausgelöst worden. Der Vorfall wurde als terroristisch eingestuft.

Wagner (ORF) zu Explosionen im Iran

ORF-Korrespondentin Katharina Wagner spricht unter anderem darüber, was der Hintergrund der Explosionen bei einer Gedenkfeier im Iran, wo etliche Menschen getötet wurden, sein könnte.

Staatsführung kündigt entschlossene Reaktion an

Innenminister Ahmad Wahidi kündigte eine entschiedene Reaktion an. „Natürlich werden die Sicherheitsbehörden, das Militär und die Strafverfolgungsbehörden kurzfristig und mit Nachdruck reagieren“, sagte der Innenminister am Mittwoch dem Staatsfernsehen. Die genauen Hintergründe würden untersucht. „Unsere Polizeikräfte sind wachsam und werden diejenigen, die dieses Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft ziehen.“

Auch Präsident Ebrahim Raisi verurteilte die Terrorattacke. Er wies laut einer Mitteilung der Regierung am Mittwoch die Behörden an, das Leid der Opfer und Verletzten zu lindern. Gleichzeitig forderte er eine entschiedene Reaktion. „Zweifellos werden die Täter und Befehlsgeber dieser feigen Tat bald ermittelt und (…) für ihre abscheuliche Tat bestraft werden“, wurde der Regierungschef zitiert.

Zudem sagte er seinen ersten Staatsbesuch in der Türkei ab. Die eigentlich für Donnerstag geplante Reise nach Ankara werde verschoben, berichtete die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA am Mittwoch auf Telegram.

Drahtzieher unklar

Das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei kündigte eine scharfe Reaktion an. „Sie sollen wissen, dass diese katastrophale Tat eine harte Antwort nach sich ziehen wird, so Gott will“, sagte der Religionsführer laut einer Mitteilung, die in den Staatsmedien veröffentlicht wurde. Den Opfern und Familien sprach der 84-Jährige sein Mitgefühl aus.

Die EU nannte den Bombenanschlag im Iran einen „Terrorakt“. „Die EU verurteilt den heutigen Bombenanschlag in der iranischen Stadt Kerman aufs Schärfste“, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Die EU bringe ihre Solidarität „mit dem iranischen Volk zum Ausdruck“.

Zunächst reklamierte keine Gruppe den mutmaßlichen Anschlag für sich. Terrorangriffe mit diesem Ausmaß sind im Iran äußerst selten. Vor mehr als einem Jahr hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einen Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum in der Metropole Schiras für sich reklamiert. Bei der Attacke im Oktober 2022 kamen mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben.

Angriff auf General auf Anordnung Trumps

Im Iran wurde am Mittwoch des vierten Todestages Soleimanis gedacht, der am 3. Jänner 2020 durch das US-Militär im Irak getötet worden war. Soleimani war bei einem vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump angeordneten Drohnenangriff nahe Bagdad getötet worden. Der General befehligte die Al-Kuds-Brigaden, die für Auslandseinsätze zuständige Abteilung der iranischen Revolutionsgarde, und galt in seiner Heimat als Held des Iran-Irak-Krieges.

Trump sagte damals, er habe den Drohnenangriff als Reaktion auf eine Reihe von Angriffen auf US-Stützpunkte im Irak angeordnet. In der Region führte das zu einer dramatischen Eskalation der Spannungen und zu einem Vergeltungsschlag der iranischen Streitkräfte auf einen US-Stützpunkt im Irak.

Die USA wiesen am Mittwoch jegliche Verantwortung für den Anschlag im Iran zurück. „Die Vereinigten Staaten waren in keinerlei Weise beteiligt, und jegliche Andeutung des Gegenteils ist lächerlich“, sagte am Mittwoch in Washington der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller. Er fügte hinzu, seine Regierung habe auch „keinen Grund zu der Annahme“, dass Israel mit dem Vorfall zu tun habe.