Ein Pärchen sitzt auf einer Couch vor einem Fernseher
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Richtungswechsel

Werbeabos sollen Streamingriesen retten

Der Streaminganbieter Amazon Prime Video informiert aktuell per E-Mail über ein neues Geschäftsmodell: Künftig wolle man auf mehr Werbung setzen, eine werbefreie Option wird gegen Zahlung einer Zusatzgebühr in Aussicht gestellt. Die Ankündigung verdeutlicht den Richtungswechsel in der umkämpften Branche – und zeigt einmal mehr, dass der „Streamingboom“ zumindest vorerst seinen Peak erreicht hat.

Verluste und nicht zuletzt der immer stärker umkämpfte und übersättigte Markt sorgen derzeit für ein Umdenken in der Streamingbranche, in der zunehmend auf die Doppelstrategie eines Werbeabos sowie einer stetigen Erhöhung der Kosten für das werbefreie Angebot gesetzt wird.

In den USA, England und Deutschland bietet Amazon bereits seit 2019 die Streamingversion Freevee ohne zusätzliche Kosten, aber mit Werbeunterbrechungen an. Und auch Netflix führte 2022 ein günstigeres, werbefinanziertes Abo ein – obwohl Netflix-Chef Reed Hastings Werbung zuvor vehement abgelehnt hatte.

Rettungsanker für strauchelnde Anbieter

Die Taktik scheint, in Kombination mit strengeren Maßnahmen beim „Password-Sharing“, zumindest bei Netflix bereits aufzugehen: Im dritten Quartal konnte der Branchenriese neun Millionen neue Abonnentinnen und Abonnenten für sich gewinnen – wobei fast ein Drittel der Neuanmeldungen auf den Werbebereich entfielen. Gesamt kam Netflix zuletzt auf 15 Millionen Werbeabos weltweit.

Reed Hastings, CEO von Netflix
AP/Manu Fernandez
Netflix-Chef Reed Hastings hatte Werbung zuvor abgelehnt, jetzt ist sie ein Rettungsanker für das Geschäft

Netflix sei in der Lage gewesen, Werbung zu einem etwas höheren Preis als seine Konkurrenten zu verkaufen, indem es die jahrelang aufgestaute Nachfrage von Werbekunden genutzt habe, sagte Ross Benes vom US-Marktforschungsinstitut Insider Intelligence. „Da die Zuschauer tendenziell mehr Zeit pro Tag mit Netflix verbringen als mit anderen Streamingdiensten, werden die Werbeeinnahmen von Netflix deutlich steigen.“

Auch beim Unterhaltungsriesen Disney entschieden sich im vergangenen Quartal mehr als die Hälfte der Neukundinnen und Neukunden für ein günstigeres Abomodell mit Werbung. Weltweit stieg die Zahl der Nutzer von Disney+ mit Werbeabo zuletzt um rund zwei Millionen auf 5,2 Millionen.

Bündelangebote auf dem Vormarsch

Das meiste Geld für das Entertainment-Imperium kommt aber weiterhin durch das klassische Geschäft mit der TV-Kabelsparte sowie durch Filmstudios, Themenparks, Ferienanlagen und Kreuzfahrtschiffe zustande. Der Ausbau des Streaminggeschäfts bescherte Disney zuletzt sogar Verluste von mehr als zehn Milliarden Dollar – und dennoch stellt Disney aktuell die größte Konkurrenz für Netflix dar.

Nicht zuletzt deshalb, weil es auch über den Sportdienst ESPN+ und den Streamingdienst Hulu verfügt, die künftig mit Disney+ gebündelt werden sollen. Disney zufolge würden Kunden den Streamingdienst seltener kündigen, wenn sie für das Paket aus Disney+, ESPN+ und Hulu bezahlen.

War die erste Phase der Streamingrevolution noch durch die „Streaming Wars“ geprägt, so könnte die nächste Phase als „Rumble of the Bundles“ bezeichnet werden, bestätigte Michael Nathanson, Medienanalyst bei MoffettNathanson, gegenüber CNN Business. Und auch innerhalb der Branche bahnen sich Fusionen an: Warner Bros. Discovery und Paramount Global sondieren Insidern zufolge einen Zusammenschluss.

Merchandise aus Star Wars: The Mandalorian
Reuters/Simon Dawson
Disney finanziert sich vor allem über sein klassisches Geschäft, zu dem auch Merchandise gehört

Ende des Streamingbooms?

Trotz Zuwächsen bei günstigeren Abos sehen die Zeiten für die Streaminganbieter aber alles andere als rosig aus. In den USA fällt es den Streamingriesen immer schwerer, Kundinnen und Kunden zu halten, berichtet die „Washington Post“. Rund ein Viertel der US-Abonnenten der großen Streamingriesen hätten in den letzten zwei Jahren mindestens drei Anbieter wie Netflix, Amazon Prime und Disney+ gekündigt.

Der große „Streamingboom“ dürfte seinen Peak erreicht haben, so der einschlägige Tenor in US-Medien. Das „goldene Zeitalter der Unterhaltung“ sei vorbei, schreibt etwa „The Verge“. Hatte der Oscar für die Netflix-Produktion „Roma“ 2019 noch Befürchtungen in Hollywood-Veteranen wie Steven Spielberg geweckt, dass Streaming die traditionelle Filmindustrie bald verdrängen würde, so sind diese Sorgen mittlerweile vom Tisch. Die Flut an Inhalten, die bisher für den Preis eines monatlichen Abonnements zu sehen waren, würden Netflix und Co. künftig nicht mehr aufrechterhalten können, schreibt „The Verge“.

Streiks sorgten für „Dürreperiode“

Der „Verdrängungswettkampf“ der Anbieter habe sich als zu kostspielig erwiesen, bilanziert auch die Wirtschaftszeitung „Capital“. Eine „Ära der Sparsamkeit“ ortete zuletzt auch das Branchenmagazin „Hollywood Reporter“. Durch den jüngsten Streik der US-Filmindustrie seien zudem zahlreiche Produktionen zum Erliegen gekommen, weshalb man sich serientechnisch wohl auf eine „Dürreperiode“ einstellen müsse, heißt es auf der Plattform Heise.de.

Besonders Amazon Prime Video und Apple TV+ seien davon betroffen, da sie im Gegensatz zu Netflix weniger auf internationale Produktionen setzen. Gleichzeitig investierte Apple zuletzt in große Produktionen wie „Killers of the Flower Moon“ von Martin Scorsese und Ridley Scotts opulenten „Napoleon“-Historienstreifen – in der Hoffnung, damit auch Aufmerksamkeit für einen späteren Start auf Apple TV+ sowie einige Preise für sich zu verbuchen.

Joaquin Phoenix im Film Napoleon
IMAGO/ZUMA Wire/TNS
Auf Apple TV+ soll künftig Ridley Scotts „Napoleon“ als über vierstündiger Director’s Cut zu sehen sein

Streaming als „neues Kabelfernsehen“

Die Vorhersage, dass Streaming das neue Kabelfernsehen werde, scheine sich jedenfalls zu bewahrheiten, schreibt die Computerzeitschrift „Wired“ mit Blick auf die zunehmenden Werbeeinschaltungen. Da es mittlerweile mehr Streamingdienste gebe als früher Fernsehsender, würden Nutzerinnen und Nutzer versuchen, bei allen Abonnements Geld zu sparen – wodurch die „Streaming Wars“ wohl niemand gewinnen könne.

Die Idee für Netflix war ursprünglich daraus entstanden, das Erlebnis des Zuschauers verbessern zu wollen, erinnert die Unterhaltungswebsite Screenrant. In der Ära der Blockbuster-Filmverleihe und des Kabelfernsehens ist Netflix 1997 auf der Bildfläche erschienen und hat Mitte der 2000er Jahre als Pionier der On-Demand-Videos erstmals Fernsehsendungen und Filme auf Abruf und nach Bedarf angeboten.