Ärztin mit Patienten
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Neue Kassenarztstellen

Nicht alle ob Andrangs euphorisch

100 zusätzliche Kassenarztstellen hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) auf Betreiben der Politik Mitte Dezember ausgeschrieben – und ist damit augenscheinlich auf großes Interesse gestoßen. Bereits 300 Personen hätten sich für die neuen Stellen beworben, hieß es am Freitag vom Ministerium. Die Bundesregierung zeigte sich ob des Andrangs ebenso zufrieden wie die ÖGK. Weniger euphorisch äußerte sich tags darauf freilich die Ärztekammer.

Der Andrang auf die Kassenstellen sei zwar positiv, dieser allein reiche aber noch nicht für eine „umfassende Jubelmeldung“, hieß es von der Standesvertretung der Medizinerinnen und Mediziner am Samstag in einer Aussendung. „Wir haben derzeit massive Versorgungsprobleme, unabhängig von den 100 zusätzlichen Kassenstellen sind nach wie vor fast 300 Stellen unbesetzt“, so Bundeskurienobmann Edgar Wutscher.

Diese unbesetzten Stellen dürften auch durch die aktuellen Bewerbungen nicht ignoriert werden. Die Problematik sei eine tiefgreifende, die nur mit einem ganzen Maßnahmenpaket lösbar sei. Außerdem lasse sich aus der Bewerberzahl allein noch nicht beurteilen, wie zielgenau die Bewerbungen seien, so Dietmar Bayer, stellvertretender Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Denn diese zeige nicht, wie viele davon Allgemeinmediziner und in den Regionen, in denen gesucht wird, verfügbar sind, oder wie viele überhaupt die geforderten Kriterien für eine Kassenarztstelle erfüllen.

Regierung sieht „wichtigen Schritt“

Laut dem Generaldirektor der ÖGK, Bernhard Wurzer, wurden rund 100 Allgemeinmediziner und 200 Fachärzte vorgemerkt. Mit dem Andrang zeigte sich die Gesundheitskasse jedenfalls zufrieden. „Das ist deutlich mehr, als wir erwartet haben“, sagte Wurzer am Freitag. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sah ebenso wie Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) in dem großen Interesse ein Zeichen dafür, „dass unsere Maßnahme richtig ist und Wirkung zeigt“. Die neuen Kassenstellen seien „ein wichtiger Schritt, um die Gesundheitsversorgung im niedergelassenen Bereich spürbar zu verbessern“, so Rauch.

100 neue Stellen für Kassenärzte

Die Regierung hat 100 neue Kassenstellen ausgeschrieben, um den Engpässen im Gesundheitssystem entgegenzuwirken. Diese werden je nach Bevölkerungsgröße auf die Bundesländer verteilt. Bisher sind 300 Bewerbungen eingelangt.

Mindestens 50 neue Kassenstellen sind laut ÖGK für die Fächer Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendheilkunde sowie bei besonderem regionalem Bedarf Innere Medizin vorgesehen. Daneben werden laut dem Gesundheitsministerium auch Kassenstellen für Gynäkologie, Psychiatrie bzw. Kinderpsychiatrie, Augenheilkunde sowie Haut- und Geschlechtskrankheiten neu eingerichtet. Die Hälfte der 100 neuen Posten werde in Primärversorgungseinheiten eingerichtet werden, so die ÖGK. Die genaue Aufteilung, so hieß es, erfolge in den jeweiligen Bundesländern basierend auf den regionalen Gegebenheiten durch die Sozialversicherung.

Verordnung legt Aufteilung fest

Wie viele neue Stellen dabei jedes Bundesland bekommt sowie die fachliche Aufteilung wird per Verordnung geregelt. Diese trat am 1. Jänner in Kraft. Damit seien nun die Voraussetzungen zur Vergabe dieser Kassenverträge geschaffen, so das Gesundheitsministerium. Laut der Verordnung erhält das Burgenland drei Stellen, Vorarlberg vier, Kärnten und Salzburg sechs, Tirol neun, die Steiermark 14, Oberösterreich 17, Niederösterreich 19 und Wien 22.

Beschlossen wurde die Maßnahme noch im Dezember im Nationalrat. Zugleich wurde per Nationalratsbeschluss für jede dieser Kassenstellen ein Startbonus von bis zu 100.000 Euro geschaffen, um die Erstausstattung der neuen Ordinationen zu unterstützen. Diesen Bonus beurteilte auch die Ärztekammer am Samstag als positiv. Grundsätzlich müsse man sich jedoch überlegen, einen solchen Bonus auch auf die fast 300 derzeit offenen Kassenarztstellen auszubauen: „Diese finanzielle Hilfestellung unterstützt vielleicht dabei, bestehende offene Stellen schneller zu besetzen“, sagte Wutscher.

Ärztekammer fehlen „langfristige Änderungen“

Um jedoch langfristig die öffentliche Versorgung zu sichern, müssten die Rahmenbedingungen endlich verbessert werden. „Der Startbonus ist ein gutes Zuckerl, aber das allein wird nicht reichen, um langfristige Änderungen zu bewirken“, sagte Wutscher. Es fehle immer noch der einheitliche Leistungskatalog, zudem müssten die Honorare leistungsgerechter werden. Zugleich forderte die Kammer einmal mehr gelockerte Regeln für ärztliche Hausapotheken.

Kritisch hatte sich bereits am Freitag auch FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak geäußert. Es sei kein Wunder, dass es bei den hohen Prämien viele Interessenten gebe, so Kaniak. Er verwies aber wie auch die Ärztekammer auf die derzeit unbesetzten Kassenstellen. Zugleich habe der Fokus auf Primärversorgungszentren zur Folge, dass sich in „dünn besiedelten Bereichen“ der Ärztemangel „weiter zuspitzen“ werde, vermutete der FPÖ-Politiker.