Angriffe an libanesisch-israelischer Grenze
APA/AFP/Karim Daher
Israel – Libanon

Lage nach Hisbollah-Angriff angespannt

Nach dem Raketengefecht zwischen schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon und Israels Armee ist die Lage in der Grenzregion angespannt. Die vom Iran unterstützte Miliz feuerte als Reaktion auf den Tod eines Hamas-Führers Raketen auf den Norden Israels ab. Das Militär startete umgehend Gegenangriffe. Die Sorge, dass sich der Konflikt ausweitet, wächst.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell befand sich am Samstag zu Treffen mit Vertretern der libanesischen Regierung in der Hauptstadt Beirut. Nach Angaben der Staatsagentur NNA warnte Borrell, dass der Libanon nicht in einen regionalen Konflikt mit Israel hineingezogen werden dürfe. Der zunehmende Beschuss über die Grenze zwischen Israel und dem Libanon sei besorgniserregend.

Mit dem geschäftsführenden libanesischen Premierminister Najib Mikati habe er vereinbart, diplomatisch auf eine Deeskalation und langfristige Stabilität hinzuarbeiten, teilte Borrell samt der Forderung nach einer politischen Lösung nach dem Treffen mit. Mikati sagte bei dem Treffen, ein großer Angriff im Süden des Libanon würde die Region zur „totalen Explosion“ bringen.

Blinken startet neue Vermittlungstour

Unterdessen will auch US-Außenminister Antony Blinken in den nächsten Tagen in Israel, im Westjordanland und in anderen Ländern der Region darüber beraten, wie eine Ausweitung des Gaza-Krieges verhindert werden kann. Neben Griechenland und der Türkei finden sich auch Jordanien und Katar sowie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate auf Blinkens Reiseroute.

Der US-Außenminister will die von ihm besuchten Länder auch aufrufen, ihre diplomatischen Kanäle zu nutzen, um dem Iran zu übermitteln, dass die USA keine Eskalation wollten, aber ihre Interessen verteidigen würden, falls sie angegriffen würden. Neben der Hisbollah im Libanon und in Syrien sind auch im Irak und im Jemen proiranische Milizen aktiv. Blinken hat seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel und dem unmittelbar darauf ausgebrochenen Gaza-Krieg bereits mehrmals die Region bereist.

Paris warnt Teheran vor „destabilisierenden Handlungen“

Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna forderte Teheran am Samstag auf, „nicht zu einer weiteren Eskalation des Nahost-Konflikts“ beizutragen. „Das Risiko eines regionalen Flächenbrands war noch nie so groß, der Iran und seine Verbündeten müssen ihre destabilisierenden Handlungen sofort einstellen“, so Colonna nach einem Telefonat mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian.

„Niemand würde durch eine Eskalation gewinnen“, und diese „sehr klare Botschaft“ habe sie dem iranischen Außenminister übermittelt, wie Colonna weiter mitteilte.

Laut Hisbollah „erste Reaktion“

Die Hisbollah-Miliz bezeichnete den großangelegten Raketenangriff vom Samstag unterdessen als „erste Reaktion“ auf die Tötung von Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri. Die mit der Hamas verbündete Hisbollah teilte mit, den israelischen Luftstützpunkt Meron mit 62 Raketen beschossen zu haben. Die israelische Armee hingegen vermeldete Samstagfrüh etwa 40 Raketenabschüsse aus dem Libanon.

Hisbollah schießt Raketen auf Israel

Nach der Tötung von Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri im Libanon hat die proiranische Hisbollah nach eigenen Angaben am Samstag über 60 Raketen auf einen israelischen Militärstützpunkt abgefeuert. Israel bestätigte den Beschuss.

Später verkündete die Hisbollah weitere Angriffe auf israelische Soldaten und Stellungen – die israelische Armee erklärte ihrerseits, dafür Vergeltung geübt zu haben. Sie teilte mit, „eine Reihe von Terrorzielen der Hisbollah“ getroffen zu haben. Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas Anfang Oktober greift auch die Hisbollah nahezu täglich vom Südlibanon aus Israel an. Die israelische Armee reagiert darauf mit verstärkten Luftangriffen im Libanon.

UNO-Beobachtermission mit zweithöchster Alarmstufe

Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, das christliche Dorf Rmesch im Südlibanon sei von Israel aus heftig beschossen worden. Kampfflugzeuge würden zudem die Orte Hula und Jarun beschießen. Berichte über mögliche Opfer oder Schäden gab es nicht. Die Lage im Grenzgebiet sei sehr angespannt, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen weiter.

Die UNO-Beobachtermission UNIFIL habe die zweithöchste Alarmstufe ausgerufen. Soldaten der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon, die seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon überwacht, müssten Schutzwesten und Helme tragen sowie sich in der Nähe von Bunkern aufhalten.

Israel dementiert und bestätigte Beteiligung nicht

Aruri, Vizeleiter des Politbüros der Hamas, war bei einer Explosion in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut ums Leben gekommen. Für die Explosion macht die Hisbollah-Miliz die israelische Armee verantwortlich. Auch ein US-Beamter in Washington gab an, dass der Tod Aruris auf einen israelischen Angriff zurückzuführen sei. Israel hat eine Beteiligung am gewaltsamen Tod Aruris weder bestätigt noch dementiert.

Sarg von Saleh al-Arouri in Beirut
IMAGO/ZUMA Wire/Daniel Carde
In Beirut wurde der Vizechef der Hamas getötet

Aruri, den Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland sah, galt schon länger als mögliches Anschlagsziel. Er soll für die Aktivitäten der Hamas im Westjordanland zuständig gewesen sein. „Wer auch immer das getan hat, es muss klar sein, dass dies keine Attacke auf den libanesischen Staat war. Es war nicht einmal eine Attacke auf die Hisbollah“, sagte der Sicherheitsberater der israelischen Regierung, Mark Regev. Der mutmaßliche Angriff habe allein der Hamas gegolten.

Hisbollah-Chef warnt Libanon

Die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon, die wiederum vom Iran unterstützt wird, drohte umgehend mit Vergeltung für die Tötung Aruris. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warnte am Freitag vor Folgen für den Libanon, sollte seine Miliz nicht auf die Tötung Aruris reagieren. Angesichts eines derartigen Vorfalls könne die Hisbollah nicht schweigen. „Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen“, hieß es von der Hisbollah.

Die Regierung im Libanon hatte mit der Miliz zunächst Kontakt aufgenommen, um sie von einer Angriffswelle abzuhalten. Die Regierung ist nur eingeschränkt handlungsfähig. Zurzeit wird das Land von Ministerpräsident Mikati geschäftsführend geleitet. Seit über einem Jahr scheitert die Wahl eines Präsidenten immer wieder an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite.

Israel fordert für die Sicherheit seiner Bürger und Bürgerinnen im Norden des Landes, dass sich die Hisbollah-Miliz von der Grenze zurückzieht, und hat gedroht, dass es dafür notfalls auch militärische Mittel einsetzen könnte, falls diplomatische Bemühungen nicht zum Erfolg führen sollten. Seit dem Beginn der Kämpfe mussten schon mehr als 76.000 Menschen ihre Häuser im Südlibanon nahe der Grenze verlassen, auf israelischer Seite wurden mehr als 80.000 Israelis aus ihren Heimatorten im Grenzgebiet gebracht.