Landwirte blockieren eine Straße in Osthessen, Deutschland
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Aktionswoche gestartet

Deutsche Bauern proben den Aufstand

In Deutschland ist Montagfrüh eine großangelegte Aktionswoche des Bauernverbands gegen geplante Subventionskürzungen angelaufen. Alle Aufrufe zur Mäßigung verpufften – im ganzen Land müssen sich die Menschen nun auf gröbere Verkehrsbehinderungen einstellen. Am Mittwoch kommt noch ein Bahnstreik dazu.

Schon zeitig in der Früh sorgten die Bauernproteste für zahlreiche Behinderungen im Verkehr. Im ganze Land fuhren Hundertschaften an Traktoren und Lkws auf, teilweise unterstützt von anderen Branchen. Allein in München begleitete die Polizei nach eigenen Angaben rund 5.500 Traktoren aus der umliegenden Region in Richtung Innenstadt. Am Brandenburger Tor in Berlin sammelten sich rund 200 Traktoren und Lastwagen. In sozialen Netzwerken waren auch Traktoren mit stilisierten Galgen zu sehen.

In Niedersachsen wurde ein Protestteilnehmer von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Der Autofahrer wollte eine Blockade über einen Geh- und Radweg umfahren, wobei er mit einem Protestteilnehmer kollidierte. Der Fahrer flüchtete nach Angaben der Polizei zunächst, wurde später aber gestellt.

Landwirte protestieren in Koblenz, Deutschland
Reuters/Jana Rodenbusch
Schon früh am Morgen begannen die Proteste und Blockaden, hier in Koblenz

Im Zuge der Proteste kam die Produktion am VW-Werk in Ostfriesland zum Erliegen, die Wege zum Werk waren versperrt. Auch einige Grenzübergänge wurden blockiert, zu Verzögerungen kam es auch im Grenzgebiet zu Österreich – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Proteste trotz Zugeständnissen

Anlass für die Proteste waren die Pläne, Subventionen für die Branche zu streichen. Die deutsche „Ampelregierung“ wollte unter anderem damit große Löcher im Budget stopfen. Dabei ging es vor allem um Vergünstigungen beim Agrardiesel und der Kraftfahrzeugsteuer für die Branche.

Der Widerstand dagegen war aber schon im Dezember so groß, dass die Regierung die Maßnahmen teilweise einstampfte. So soll nun die Kfz-Steuerbefreiung bleiben. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung bei Agrardiesel werde gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen.

Großdemo geplant

Das reichte den Bäuerinnen und Bauern aber nicht, weshalb sie an der Aktionswoche unter der Leitung des Bauernverbands festhielten. „Dies kann nur ein erster Schritt sein“, so Verbandschef Joachim Rukwied, der von einem „Sterben auf Raten“ sprach. Er bat um Verzeihung für mögliche Beeinträchtigungen wegen der Proteste.

Pfeifer (ORF) zu den Bauernprotesten

In Deutschland ist Montagfrüh eine großangelegte Aktionswoche des Bauernverbands gegen geplante Subventionskürzungen angelaufen. ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer berichtet.

Neben Kundgebungen und Demonstrationen soll es die ganze Woche Blockaden von Straßen und Autobahnauffahrten, langsam fahrende Kolonnen mit Traktoren und Autokorsos geben. Mehrere andere Branchen wollen die Gelegenheit nutzen, gleichzeitig für eigene Anliegen auf die Straße zu gehen. Am 15. Jänner soll die Bauernaktionswoche mit einer Großdemonstration in Berlin enden. Dazu sind laut Polizei 10.000 Teilnehmende mit vielen Traktoren angemeldet.

Zusätzlich Bahnstreik möglich

Am Dienstag sollte es ruhiger werden, bevor am Mittwoch laut einem Sprecher des Deutschen Bauernverbandes wieder mehr Aktionen geplant sind. Dann könnte es für Pendlerinnen und Pendler noch einmal schlimmer kommen: Die Lokführergewerkschaft GDL plant ab Wochenmitte einen Streik bei der Deutschen Bahn (DB). Diese will den mehrtägigen Streik noch per Eilantrag beim Arbeitsgericht Frankfurt verhindern.

In Anbetracht des wahrscheinlichen Bahnstreiks baten die ÖBB, sich im Vorfeld über Reisen von und nach Deutschland zu informieren bzw. diese zu vermeiden.

Schiffe blockieren den Mittellandkanal in Minden
APA/dpa/Boris Roessler
Auch andere Branchen schlossen sich der Aktionswoche an. In Minden etwa blockierten Binnenschiffer den Mittellandkanal.

Sorge vor rechter Vereinnahmung

In sozialen Netzwerken wurde die Aktionswoche der Bauern auch wegen des erwarteten Streiks auf der Schiene fälschlich als Generalstreik beworben. Auch sprangen rechte und rechtsextreme Gruppierungen auf den Protestzug auf und wollten ihn teilweise vereinnahmen. Die teilweise als rechtsextrem eingestufte AfD sowie rechtsextreme Gruppen wie die Freien Sachsen riefen bereits dazu auf, sich den Protesten anzuschließen.

Vorige Woche wurde etwa auch der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von einem Mob bedrängt und daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. Davon und von rechten Gruppen distanzierte sich die Interessenvertretung: „Der Bauernverband distanziert sich aufs Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen, die unsere Aktionswoche kapern und unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen“, hieß es dazu auf Instagram.

Ampel an einem Galgen bei Bauernprotesten in Erfurt
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Galgensymbole auf verschiedenen Demos sorgten für Unmut. Habeck sah eine „Grenze überschritten“.

Das deutsche Innenministerium warnte vor Versuchen von extremen Kräften, die Bauernproteste zu missbrauchen. Auch der Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer warnte vor einer rechtsextremen Instrumentalisierung. In den vergangenen Jahren hätten Rechtsextremisten „stetig und konsequent versucht, jede Form von legitimem Bürgerprotest zu unterwandern“, sagte er der „taz“ (Dienstag-Ausgabe). Der Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent forderte von den Bauern eine klare Abgrenzung von rechten Mitläufern. Diesen gehe es nicht um Agrardiesel, sie „wollen Deutschland lahmlegen“, sagte er im Deutschlandfunk.

Abgeordnete rufen zu Mäßigung auf

Politiker riefen die Bauern zur Mäßigung auf. „Protest ist erlaubt, aber der Versuch der Unterwanderung durch radikale und völlig irre Kräfte ist leider Realität“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Lars Castellucci (SPD), der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag-Ausgabe). Dagegen helfe nur eine „rote Linie zwischen Protest und Radikalisierung“.

Habeck sagte in einem am Montag verbreiteten Video des Ministeriums: „Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch-nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt“, so Habeck. „Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten.“ Habeck forderte auch zu einer Debatte über den Wandel der Landwirtschaft auf.

Auch wurden Risse in der „Ampel“ sichtbar. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte die SPD-geführte Regierung in Berlin am Montag auf, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen. Die Bundesregierung solle reinen Tisch machen und den Konflikt beenden, so Weil im ZDF-„Morgenmagazin“.