Die Münchener Rück (Munich Re) gilt als die größte Rückversicherungsgesellschaft der Welt, als solche („Reassekuranz“) übernimmt sie die Risiken von Versicherungen und veröffentlicht jährlich eine Bilanz der globalen Schäden durch Naturkatastrophen. Laut aktuellen, am Dienstag veröffentlichten Zahlen, verursachten diese im letzten Jahr einen Gesamtschaden von 250 Milliarden Dollar (rund 228 Mrd. Euro).
Die größte und tragischste Katastrophe war das Erdbeben im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei am 6. Februar mit rund 58.000 Toten und Schäden in einer Höhe von rund 50 Milliarden Dollar (nur ein kleiner Teil davon versichert), laut Münchener Rück rund ein Zehntel des Gesamtschadens. Abgesehen davon waren es zahlreiche „kleine“ Katastrophen, die in ihrer Summe enormen Schaden verursachten. Insgesamt verloren 2023 rund 74.000 Menschen bei Naturkatastrophen ihr Leben, so viele wie seit 2010 mit dem Erdbeben in Haiti nicht mehr.
Auch ohne viele „Großereignisse“
„Das Jahr 2023 war erneut von sehr hohen versicherten Schäden aus Naturkatastrophen geprägt, und das, obwohl es keine extremen Einzelschäden gegeben hat“, schrieb am Dienstag Thomas Blunck, Mitglied im Vorstand der bereits 1880 gegründeten Versicherungsgesellschaft.
„Die Schadenbilanz war im vergangenen Jahr vergleichbar mit den Vorjahren. Bemerkenswert ist aber, dass das ohne ein einzelnes Ereignis mit einem versicherten Schaden von mehr als zehn Milliarden Dollar zustande kam“, sagte der leitende Klimawissenschaftler des weltgrößten Rückversicherers, Ernst Rauch.
Unwetter heute nicht mehr „sekundär“
2022 hatte allein der Hurrikan „Ian“ in der Karibik und den USA Schäden von 100 Milliarden Dollar (über 91 Mrd. Euro) angerichtet, 60 Prozent davon trugen die Versicherer. Im vergangenen Jahr bestimmten Unwetter und schwere Gewitter mit Hagel die Naturkatastrophenbilanz, vor allem in Nordamerika und Europa. Allerdings hinterließ auch Hurrikan „Idalia“ im August 2023 eine Spur der Verwüstung im Süden der USA.
„Normale“ Unwetter allein richteten laut Münchener Rück im Vorjahr 76 Milliarden Dollar Schaden an, 58 Milliarden davon waren versichert. „Wir müssen uns auf solche Schadenhöhen einstellen“, warnte Rauch. „Schadenereignisse, die man früher als sekundär angesehen hat, sind in der Summe zu einem wichtigen Schadentreiber geworden.“ Das müssten auch die Rückversicherer, die die Erstversicherer gegen solche Katastrophen absichern, in ihren Preisen einkalkulieren, so die betriebswirtschaftliche Seite.
„Erderwärmung verstärkt Wetterextreme“
Ursache extremer Wetterereignisse ist laut Rauch auch der Klimawandel. Bis Ende November lagen die Temperaturen 2023 global 1,3 Grad über dem Wert aus der Zeit zwischen 1850 und 1900. "Die seit Jahren beschleunigte Erderwärmung verstärkt in vielen Regionen die Wetterextreme und damit das Schadenspotenzial.
Bei höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser, und mit der zusätzlichen Feuchtigkeit steigt in der Atmosphäre die potenzielle Energie für starke Unwetter", so der deutsche Klimaexperte. Wirtschaftliche Folge ist, dass auch Versicherungsprämien für Gebäude in Hurrikanregionen wie etwa Florida mittlerweile mehrere tausend Dollar pro Jahr ausmachen können.
Globale Durchschnittstemperatur deutlich gestiegen
Das vergangene Jahr blieb laut dem EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus nur knapp unterhalb der 1,5-Grad-Schwelle der Erderwärmung. Die Temperatur lag laut am Dienstag veröffentlichten Daten global um 1,48 Grad Celsius höher als im Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900.
Es sei wahrscheinlich, dass die Temperaturen 2023 höher waren „als in den vergangenen 100.000 Jahren“, sagte Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus Climate Change Service (C3S), anlässlich der Veröffentlichung des Berichts „Global Climate Highlights 2023“. Die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2023 betrug Copernicus zufolge 14,98 Grad Celsius und war damit 0,17 Grad höher als im bisher wärmsten Jahr 2016.
Was Nichtstun kostet
Für Österreich ging zuletzt das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) unter dem Titel „Budgetäre Kosten und Risiken durch klimapolitisches Nichthandeln und Klimarisiken“ der Frage nach, wie sich ein solches Nichthandeln längerfristig auf den Staatshaushalt niederschlagen würde.
Es fehle „bisher eine gesamthafte Übersicht über mögliche Kosten bzw. Risiken durch klimapolitisches Nichthandeln bzw. Klimarisiken für die öffentliche Hand“, heißt es einleitend in dem am Dienstag veröffentlichten „Policy Brief“. Jedenfalls müsste der Faktor Klimawandel in der Budgetplanung – höhere Ausgaben oder geringere Einnahmen – berücksichtigt werden.
Bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr?
Das Umweltministerium als Auftraggeber der WIFO-Studie verwies in einer Aussendung auf „massive Kosten durch Nichthandeln beim Klimaschutz“, in Zahlen eine „Belastung des Staatsbudgets bereits jetzt“ von 5,4 bis sieben Milliarden Euro pro Jahr. Das Ministerium von Ressortchefin Leonore Gewessler (Grüne) verwies gleichzeitig auf Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden.
Diese zeigten schon Wirkung, etwa der steigende Anteil von erneuerbarer Energie am Strommix, wurde Gewessler in der Aussendung zitiert. „Gerade jetzt entfalten Investitionen und Maßnahmen für mehr Klimaschutz eine doppelte Wirkung – für die Konjunktur und für den Klimaschutz. Deswegen investieren wir auch 2024 weiter in eine gute Zukunft.“