Gabriel Attal
Reuters/Claudia Greco
Frankreich

Attal wird neuer Premierminister

Einen Tag nach dem Rücktritt von Elisabeth Borne als Frankreichs Premierministerin hat Präsident Emmanuel Macron am Dienstag einen Nachfolger ernannt, wie der Elysee-Palast mitteilte: Neuer Premierminister wird Gabriel Attal, der erst 34-Jährige war zuletzt Bildungsminister. Zugleich wurde er mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Der personelle Umbau Macrons gilt als Versuch eines Befreiungsschlags – er hofft auf frischen Wind.

Attal – der mit der Amtsübergabe jüngster Regierungschef Frankreichs wird – gilt als politisch aufstrebend, breitere Bekanntheit erlangte er vor allem in seiner Rolle als Regierungssprecher. Der enge Vertraute Macrons hatte vor dem Bildungsministerium schon mehrere Regierungsposten inne. Er gilt als recht beliebt und hat den Ruf, auch mit Vertretern anderer politischer Lager sachlich diskutieren zu können.

Erst Montagabend hatte Borne nach tagelangen Spekulationen ihren Rücktritt eingereicht. Macron nahm ihr Gesuch an und dankte ihr via X (Twitter) öffentlich „von ganzem Herzen“ für ihre „vorbildliche“ Arbeit im Dienste des Landes. Borne war nach Edith Cresson, die 1991 ein knappes Jahr im Amt war, erst die zweite Frau an der Spitze einer französischen Regierung. Unmittelbar nach der Amtsübergabe will Attal in die Hochwassergebiete in Nordfrankreich fahren.

Früher Weggefährte Macrons

Berufserfahrung außerhalb der Politik hat Attal kaum. Nach einer kurzen Zeit bei den Sozialisten zählte er zu den frühen Weggefährten Macrons, wurde zum Abgeordneten gewählt und mit 29 Jahren zum jüngsten Regierungsmitglied der Republik in ihrer aktuellen Verfassung ernannt. Als Staatssekretär für die Jugend engagierte Attal sich für einen nationalen Pflichtdienst – ein Anliegen, das er später als Bildungsminister weiterverfolgte.

Elisabeth Borne und Gabriel Attal
APA/AFP/Julien de Rosa
Borne reichte ihren Rücktritt als Premierministerin ein, ihr folgt der bisherige Bildungsminister Attal nach

Bemerkenswerter Schritt

Nach dem Abschied von der diskreten, aber effizienten Regierungschefin holt Macron mit Attal einen aufstrebenden und beliebten jungen Politiker an seine Seite. Damit geht Macron auch ein Risiko ein: Von seinem ersten Premierminister Edouard Philippe hatte sich Macron getrennt, als dieser in den Umfragen besser dastand als der Präsident selbst.

Attal, Sohn eines Filmproduzenten, ist rascher in der Hierarchie aufgestiegen, als viele es für möglich gehalten hätten. Macron habe sich ungeachtet der schwierigen Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung nicht für einen zähen Verhandler, sondern für einen kampflustigen Politiker mit Blick auf die Europawahl im Juni entschieden, so Politikwissenschaftler Benjamin Morel. „Sein Profil gleicht dem Macrons vor sieben Jahren“, so Morel.

Als eines der wenigen Regierungsmitglieder schaffte Attal es immer wieder, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, etwa mit dem Verbot langer, bei manchen muslimischen Mädchen beliebter Gewänder an Schulen, für das er sich als Bildungsminister einsetzte. Die Ankündigung, testweise Schuluniformen einzuführen, löste bei seinen ehemaligen linken Parteifreunden Entsetzen aus.

Opposition mit Kritik und Hohn

Die Opposition reagierte kritisch bis höhnisch auf die Ernennung. „Attal wird erneut Regierungssprecher. Das Amt des Premierministers entfällt damit“, sagte der linkspopulistische Parteichef Jean-Luc Melenchon. Der rechtspopulistische Abgeordnete Sebastien Chenu sah in der Ernennung des jungen Regierungschefs eine Antwort auf den 28 Jahre alten Chef der Partei Rassemblement National, Jordan Bardella. „Die Regierung nähert sich uns in Inhalt und in Form an“, sagte er.

Migrationsreform spaltete Regierungslager

Der Umbau der Regierung dürfte nicht zuletzt eine Konsequenz aus den jüngsten Schwierigkeiten der Regierung mit dem neuen Migrationsgesetz sein. Dieses galt als eines der Schlüsselvorhaben Macrons – es passierte am Ende aber nur knapp das Parlament. Davor musste die Regierung der konservativen Partei Les Republicains für deren Zustimmung weitgehende Zugeständnisse machen.

Der verschärfte Gesetzestext sorgte jedoch für heftige Spannungen innerhalb des Regierungslagers. 20 Abgeordnete aus Macrons Reihen stimmten gegen den Text, 17 enthielten sich. Gesundheitsminister Aurelien Rousseau trat im Anschluss zurück. Gerüchten zufolge hatten vor dem Votum auch weitere Kabinettsmitglieder des linken Flügels erwogen, die Regierung wegen des Textes zu verlassen.

ORF-Korrespondentin Heitz zu Frankreichs neuem Premier

ORF-Korrespondentin Leonie Heitz erklärt, warum der französische Präsident Emmanuel Macron den 34-jährigen Gabriel Attal zum neuen Premierminister ernannt hat.

Gegenwind für Regierung

Es waren nicht die einzigen innenpolitischen Turbulenzen, mit denen Macron im vergangenen Jahr zu kämpfen hatte. Im Sommer erschütterten Unruhen das Land, nachdem die Polizei im Pariser Vorort Nanterre einen Jugendlichen erschossen hatte. Zugleich setzte Macron eine äußerst unpopuläre Pensionsreform durch – ohne Endabstimmung in der Nationalversammlung.

Die Regierung hatte bereits vor eineinhalb Jahren die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verloren. Sie ist für ihre Vorhaben daher auf Stimmen der Opposition angewiesen. Die nunmehr ehemalige Premierministerin Borne versuchte unermüdlich, Kompromisse zu finden. Bei der Pensionsreform gelang ihr das allerdings nicht.

Ersehnte Einigkeit vor EU-Wahl und Olympia

Erwartet wird, dass Macron vor allem nach den internen Querelen mit einem erneuerten Kabinett gestärkt voranschreiten und sein Lager zusammenhalten will, der Umbau soll ein Befreiungsschlag für ihn sein. Und der Druck ist groß: Immerhin steht bereits im Frühjahr die Europawahl an, bei der Marine Le Pens rechtsnationale Partei Macrons Partei deutlich zu überholen droht.

Mit den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris im Sommer kommt auf Frankreich zudem eine organisatorische Herausforderung zu – und ein Moment, an dem sich das Land nach außen hin geeint und handlungsfähig zeigen will.