Iris Ortner am Wiener Straflandesgericht
ORF/Lukas Krummholz
Zeugin in Kurz-Prozess

„Mit Schmid nie über ÖBAG-Job gesprochen“

Im Wiener Straflandesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den mitangeklagten Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli fortgesetzt worden. Als Zeugin befragt wurde Iris Ortner, sie ist Aufsichtsrätin der Staatsholding ÖBAG. Sie zeichnete ihren Weg in das Gremium nach – denn von wem ihre Bestellung ausging, ist eine zentrale Frage im Prozess. Zudem musste sie zur Spendenfreudigkeit ihres Vaters Auskunft geben. Mit dem späteren ÖBAG-Chef Thomas Schmid habe sie vorab nie über ihren späteren Job im Aufsichtsrat gesprochen.

Ortner führt die Geschäfte von IGO Industries, die Unternehmensgruppe hat über 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Familienholding hat vier Unterholdings in Familienbesitz. Dazu kommen mehrere Beteiligungen, auch an Start-ups. Gewichtig ist jene in der Höhe von 40 Prozent am Bauriesen Porr. Ihr Vater, der Industrielle Klaus Ortner, ist Hauptaktionär von IGO Industries. Ortner sitzt neben der ÖBAG auch in einigen anderen Aufsichtsräten.

Von Interesse ist im Prozess aber das Mandat bei der ÖBAG. Sie sei vom damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) gefragt worden, ob sie in den Aufsichtsrat der ÖBAG wolle, so Ortner auf erste Fragen von Richter Michael Radasztics. Sie sei „überrascht“ gewesen. Löger habe sie vorher schon gekannt, von einer Managementtagung des Unternehmens Mitte 2018, zu dieser habe man Löger eingeladen. Der Anruf Lögers sei dann die „Initialzündung“ für den ÖBAG-Posten gewesen.

„Niemand hat mir gesagt, Schmid muss Vorstand werden“

Danach habe sie Schmid im Finanzministerium getroffen, der habe ihr alles erklärt. Wann genau sie zugesagt habe, wisse sie nicht mehr. Eine Bewerbung Schmids als Vorstand sei in dem Gespräch nicht erörtert worden. Die anderen Aufsichtsräte habe sie erst bei der ersten Sitzung kennengelernt. Dann sei es um den Vorstand der ÖBAG gegangen. Es sei allen klar gewesen, dass es einen Personalberater brauche und das Nominierungskomitee die Suche begleiten werde.

Es habe etwa zehn Personen gegeben, der Personalberater habe dann Schmid vorgeschlagen. Dieser habe sein Konzept präsentiert, das sei auch überzeugend gewesen. Danach sei es zu einem übereinstimmenden Beschluss für Schmid gekommen. Der Name Schmid sei schon in Medien kolportiert worden, direkt erfolgt seien die Bewerbung und letztlich die Kür aber erst in der entsprechenden Sitzung des Aufsichtsrats. „Niemand hat mir gesagt, der Herr Schmid muss Vorstand werden“, so Ortner.

Iris Ortner am Wiener Straflandesgericht
ORF/Lukas Krummholz
Einen Zusammenhang zwischen Geldzuwendungen des Vaters und ihrem ÖBAG-Job schloss Ortner aus

Abendessen bei Vater: „Kein Zusammenhang“ mit Bestellung

Kurz kenne sie von diversen Abendevents, Bonelli kenne sie nicht. Auch das Abendessen im Haus ihres Vaters in Wien im Vorfeld der Bestellung zur ÖBAG-Aufsichtsrätin war ein Thema. Solche Essen in privatem Rahmen fänden bei ihrem Vater regelmäßig statt, sagte Ortner im Prozess – bei diesem Termin seien aber auch Kurz und Schmid dabei gewesen. Schmid habe sie nicht in Erinnerung, auch keine Gespräche mit ihm. Dass sie eine Kandidatin für den ÖBAG-Aufsichtsrat wurde, sei kein Thema gewesen. Sie habe in dem Anlass „keinen Zusammenhang“ mit der Bestellung gesehen.

Von der Staatsanwaltschaft wurde Ortner nach Axel Melchior gefragt, der spätere ÖVP-Generalsekretär war damals ein enger Mitarbeiter Kurz’ und auch eng mit Klaus Ortner verbunden. Sie habe Melchior auch bei diesem Abendessen kennengelernt. Heute ist Melchior in Ortners Familienbetrieb tätig. Gefragt zu den Spenden des Vaters – insgesamt ließ er der ÖVP unter Kurz ab 2017 über IGO-Teilgesellschaften mehr als eine Million Euro zukommen – gab sie an, dass sie von ihrem Vater informiert worden sei, aber er habe die Entscheidung getroffen.

„Unsere Forderungen sind vorerst voll erfüllt“

Gefragt zu einer Mail ihres Vater an die türkise Netzwerkerin Gabriela Spiegelfeld, in der ihr Vater schrieb, er wolle sich mit Kurz zum Ideenaustausch treffen, sagte Ortner, sie könne darüber nichts sagen. Auch zu einer vorgelegten E-Mail von ihrem Vater an Melchior („Unsere Forderungen sind vorerst voll erfüllt“) könne sie „gar nichts“ sagen, so Ortner. Generell sei ihr Vater über den „Stillstand im Land“ verärgert gewesen.

Sebastian Kurz
ORF/Patrick Bauer
Kurz ortete „Kriminalisierung von Spenden und Aufsichtsratsbestellungen“

Furcht vor „Wiedereröffnung“?

Weiteren Fragen zu Motivlagen des Vaters blockte Ortner ab – das müsse man ihn selbst fragen. Im Raum war damals ja gestanden, dass die Spenden und das spätere Aufsichtsratsmandat in Verbindung gestanden seien, Ermittlungen dazu stellte die WKStA aber ein. Dazu fragten die Staatsanwälte nun nach, auch auf Basis von Aussagen von Kurz, der davon sprach, dass das Strafverfahren jederzeit auch „wieder eröffnet“ werden könne.

Damit konfrontiert sagte Ortner, sie habe sich darüber keine Gedanken gemacht, und hielt fest: „Meines Wissens gab es keinen Zusammenhang zwischen Spende und Aufsichtsratsmandat.“ Bereits zur Zeit der Untersuchung der Causa hielt die WKStA fest, dass es aufgrund einer „Gesetzeslücke“ ohnehin nicht strafbar gewesen wäre, wenn das Mandat als „Dank“ für die Spende vergeben worden wäre. Überdies hielt die WKStA damals fest, „keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung“ Ortners gefunden zu haben.

Kurz: „Höre Dinge, die ich selbst nicht gewusst habe“

Nach der Befragung Ortners ergriff Bonelli nach Ansuchen seines Verteidigers Werner Suppan das Wort. „Es ist schwierig zu differenzieren, was ich damals wusste und was heute“, so Bonelli. Sein Wissensstand sei über die Zeit ein anderer geworden als zu Beginn der Causa. Daher sei es schwierig, „welcher Wissensstand durch meine Erinnerung rekonstruiert wurde“, so Bonelli.

Ähnlich Kurz, der ebenfalls noch zum Gericht sprach. Es gebe einfach unterschiedliche Wahrnehmungen zu Sachverhalten, das sei ihm in den letzten Jahren klar geworden. „Wenn ich jetzt den Zeugen zuhöre, dann höre ich neue Dinge, die ich selbst nicht gewusst habe“, so Kurz. „Ich höre vieles, was sich mit meiner eigenen Wahrnehmung deckt. Ich höre aber auch Dinge, die im Gegensatz mit dem sind, an was ich mich erinnere.“ Er habe außerdem ein eigenartiges Gefühl ob der Befragung Ortners durch die WKStA, das er schon seit Beginn der Untersuchungen durch die WKStA habe, „und zwar in Richtung der Kriminalisierung von Spenden und Aufsichtsratsbestellungen“, so Kurz.

„Ich hatte Angst vor Verfolgung“

Kurz führte sein „Gefühl“ näher aus: „Ich hatte Angst vor Verfolgung und dass irgendwelche Strafverfahren gegen mich eröffnet werden.“ Seine Berater hätten ihn schon länger gewarnt: „Am Ende wollen sie dich“, so der Ex-Kanzler. Gemeint war wohl die WKStA. Das sei am Ende auch so gekommen „mit dem Vorwurf der Falschaussage“, sagte Kurz.

Kurz und Bonelli wird von der WKStA vorgeworfen, ihre Rollen in der Errichtung der Staatsholding und der Bestellung der Aufsichtsräte bei der Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss 2020 falsch dargestellt zu haben. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Russische Zeugen kommen nicht nach Wien

Am Ende wurde auch über die kommenden Termine gesprochen. Richter Radasztics sagte, die beiden von der Verteidigung geladenen russischen Zeugen würden nicht nach Wien kommen können. Die Geschäftsmänner soll Schmid im vergangenen Sommer zu einem „Bewerbungsgespräch“ in Amsterdam getroffen haben, ihnen gegenüber soll Schmid sinngemäß gesagt haben, dass er von der WKStA unter Druck gesetzt worden sei und ausgesagt habe, was sie gewollt habe.

Radasztics merkte an, dass ein österreichisches Gericht keine ausländischen Zeugen zu erscheinen zwingen kann. Eine Alternative sei daher eine Einvernahme per Videozuschaltung aus einem österreichischen Konsulat. Die Verteidigung stimmte zu, die Staatsanwaltschaft will noch überlegen. Fortgesetzt wird der Prozess am 25. Jänner mit der Einvernahme von Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als Zeuge.