Demo in Berlin, auf einem Plakat steht „Remigration jetzt“
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Deutschland

Rechtes Treffen plante Massenausweisungen

Im vergangenen November hat nahe dem deutschen Potsdam ein Gipfel hochkarätiger Vertreter der rechten und rechtsextremen Szene stattgefunden. Mit dabei waren Mitglieder von AfD und CDU sowie der Österreicher Martin Sellner, Chef der rechtsextremen Identitären. Im Zentrum des Treffens stand ein „Masterplan“, die „Remigration“ von Millionen von Ausländern aus Deutschland und Menschen mit deutschem Pass, wie die Rechercheplattform Correctiv berichtet.

Ort des Geschehens war laut Correctiv ein idyllisches Landhotel am Lehnitzsee, auf der Gästeliste standen demnach gut zwei Dutzend Menschen: Politikerinnen und Politiker ebenso wie Burschenschaftler, Rechtsextreme und Menschen aus dem Mittelstand. Bei dem Treffen war ein Rechercheteam von Correctiv, auch undercover. Die Teilnehmer wurden befragt, zudem stellte Greenpeace weitere Dokumente aus eigener Recherche zur Verfügung. So sei eine genaue Rekonstruktion entstanden.

Stark vertreten im Landhotel war die AfD, die der deutsche Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als rechtsextrem einstuft. So nahm etwa Roland Hartwig, der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, teil. Das zeige, so Correctiv, „dass rechtsextremes Gedankengut bis in die Spitze des Bundesverbandes der Partei hineinragt“. Dabei waren aber auch zwei Mitglieder der CDU-Werteunion, dem rechtskonservativen Flügel der Christdemokraten, der derzeit eine Parteiabspaltung plant.

Geldsammeln und Vernetzen

Eingeladen hatten Gernot Mörig, ehemals Zahnarzt aus Düsseldorf und seit Jahrzehnten in der rechtsextremen Szene unterwegs, sowie Hans Christian Limmer, früher Mitbesitzer der Bäckereikette Backwerk, zuletzt einer der Eigner der Burgerrestaurantkette Hans im Glück. Diese trennte sich am Mittwoch mit sofortiger Wirkung von Limmer.

Limmer war selbst beim Treffen nicht anwesend, auf Nachfrage der Rechercheplattform distanzierte er sich auch von den Inhalten des Treffens. Denn die hatten es laut Correctiv in sich: Den Teilnehmenden wurde ein „Masterplan“ Sellners für die „Remigration“ von Millionen von Ausländern aus Deutschland, aber auch Menschen mit deutschem Pass vorgestellt und darüber beraten, wie der Plan in die Realität umzusetzen sei.

AFD-Demo
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Auch die AfD warb schon mit dem Schlagwort „Remigration“

Da das Treffen geheim bleiben sollte, seien nur Briefe verschickt worden. Für die Teilnahme an dem Treffen sei eine „Mindestspende von 5.000 Euro“ erhoben worden – diese könne man auch an Ort und Stelle „dezent“ an Mörigs Frau übergeben. Das gesammelte Geld werde genutzt, um kleinere Organisationen zu unterstützen, wie etwa jene Sellners.

Sellners Zielgruppen

Laut Correctiv erläuterte Sellner das Konzept wie folgt: Es gebe drei migrantische Zielgruppen, die Deutschland verlassen sollten: Asylwerbende, Ausländerinnen und Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Das beträfe Millionen von Menschen und „wäre ein Angriff auf das Grundgesetz – auf das Staatsbürgerrecht und auf den Gleichheitsgrundsatz“, so die Plattform.

Sellner sagte demnach, man wolle „maßgeschneiderte Gesetze“ erlassen, um einen „hohen Anpassungsdruck“ auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erzeugen. Umgesetzt werden solle der Plan auch mit Hilfe eines „Musterstaates“ in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin, sagte Sellner demnach.

Vom Landhotel in die Politik

Auch die nächsten Schritte dürften schon Thema im November gewesen sein. Ein Expertengremium solle Details ausarbeiten, ein Mitglied könne etwa Hans-Georg Maaßen sein, der frühere Chef des deutschen Verfassungsschutzes und heute Chef der CDU-Wertunion. Die Pläne sollten fertig sein, wenn „eine patriotische Kraft in diesem Land die Verantwortung übernommen hat“, so Mörig.

Die Idee der „Remigration“ solle eine politische Strategie werden, laut Sellner müsse dazu eine „metapolitische, vorpolitische Macht“ aufgebaut werden, um „das Meinungsklima zu ändern“. Ein aktives Vorfeld müsse die kommende rechte Regierung in Deutschland auch nach der Wahl unterstützen.

„Remigrationstreffen“ bringt AfD unter Druck

ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer kommentiert den Auftritt des Identitären-Chefs Martin Sellner beim „Remigrationstreffen“ im deutschen Brandenburg, der dort für seinen „Masterplan zur Remigration“ einige Zustimmungen erhalten hat. Auch AfD-Mitglieder waren anwesend.

Correctiv erinnerte das Treffen an eine Idee der Nazis aus dem Jahr 1940, als die Deportation von vier Millionen Jüdinnen und Juden nach Madagaskar überlegt wurde. „Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten“, so die Plattform.

AfD: „Kein Parteitreffen“

Die AfD bewegt sich in einem Umfragehoch. In Sachsen oder Thüringen, wo heuer Wahlen stattfinden, wäre sie mit mehr als 30 Prozent stärkste Kraft. Die Partei weist Vorwürfe von sich, mit rechtsextremem Gedankengut gegen verfassungsmäßige Grundsätze zu verstoßen. Auf dem Treffen aber, so Correctiv, hätten sich die AfD-Vertreter unbeobachtet von außen „frei zu völkischen Idealen“ bekannt. Zudem werde „deutlich, wie die Strategien rechtsextremer Akteure und Gruppen ineinandergreifen: Sellner liefert die Ideen, die AfDler greifen sie auf und tragen sie in die Partei“.

Am Mittwoch erklärte die AfD, es habe sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt. An den bekannten Positionen der Partei zur Einwanderungspolitik ändere sich nichts. Weidels Referent Hartwig habe dort lediglich ein „ein Social-Media-Projekt“ vorgestellt.

„Weder hat er dort politische Strategien erarbeitet noch hat er Ideen eines Herrn Sellner zur Migrationspolitik, von dessen Erscheinen er im Vorfeld keine Kenntnis hatte, ‚in die Partei getragen‘“, hieß es weiter.

Debatte über Verbot

Dass das Geheimtreffen nun ans Licht kam, könnte die Debatte über ein Verbot der AfD erneut entfachen. Derzeit sammelt der CDU-Politiker Marco Wanderwitz wiederum Unterstützer dafür im Bundestag. Zudem unterschrieben über 400.000 Menschen eine entsprechende Petition.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, kritisierte die AfD scharf. Die Parteispitze belüge die Menschen und gebe sich gemäßigt, sagte Mast zu Reuters. Die Chefin der deutschen Linken, Janine Wissler, forderte von der CDU am Mittwoch einen Unvereinbarkeitsbeschluss auch zur rechtskonservativen Werteunion.

Von Kickl Distanzierung gefordert

Der Bericht über das Treffen schlug am Mittwoch auch in Österreich Wellen. Die Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, Sandra Breiteneder, forderte von FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl eine klare Distanzierung von der AfD und den Identitären. Die Grünen meinten, in Österreich sei es neben den Identitären vor allem die FPÖ, die das Konzept der „Remigration“ popularisiere.

Sellner sei „zudem geradezu ein Vorbild für Kickl und seine FPÖ“, so Georg Bürstmayr, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen. Man müsse sich fragen, „ob Sellners ‚Identitäre‘ womöglich mit Duldung und Wohlwollen der FPÖ nicht auch für Österreich ähnliche verfassungsfeindliche Pläne“ schmiedeten.

In der ZIB2 wurde Kickl Mittwochabend zu dem Treffen und den dort präsentierten Plänen befragt. Er betonte, dass weder er noch ein Vertreter der FPÖ daran teilgenommen hätten, er sei auch kein Vertreter der AfD oder ein Verteidiger von Sellner. Vielmehr habe die FPÖ eigene Vorstellungen zu Asyl und Migration. Man könne jedenfalls auch so eine Rechtslage herstellen, dass man Leuten, die „unsere Werte bekämpfen“, die Staatsbürgerschaft auch wieder entziehen könne.