Kongresszentrum Davos
Reuters/Denis Balibouse
Kriege, Krisen und KI

WEF im Zeichen „geopolitischer Depression“

Ab Montag will sich das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft stellen. Diese seien in Zeiten „geopolitischer Depression“ aktuell höher denn je, so die Veranstalter. Kriege, Krisen und der Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) seien Teil der neuen Realität, für deren systemische Probleme Lösungen dringend gefragt seien. Schon am Sonntag findet in Davos ein Ukraine-Treffen statt, zu dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj anreisen wird.

An der „Friedensformel“-Konferenz nehmen Sicherheitsberater und ranghohe Beamte aus rund 70 Ländern teil. Selenskyj hatte mit seiner Friedensformel Ende 2022 zehn Grundsätze für einen dauerhaften Frieden formuliert, darunter unter anderem den Abzug Russlands aus sämtlichen Gebieten und eine Bestrafung Moskaus. Die Konferenzen dienen vor allem dazu, die Verbündeten der Ukraine bei der Stange zu halten. Das jüngste dieser Treffen fand im Oktober auf Malta statt.

Unter den politischen Hauptrednern beim Forum ab Montag sind neben Selenskyj der chinesische Ministerpräsident Li Qian, der französische Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Erwartet werden auch der neue argentinische Präsident Javier Milei und US-Außenminister Antony Blinken.

Liveschaltung zu  Wolodymyr Selenskyj während des WEF 2023
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Schon 2022 hielt Selenskyj in Davos eine Rede – damals via Liveschaltung

Das Jahrestreffen findet zum 54. Mal statt. In diesem Jahr dauert es vom 15. bis 19. Jänner. Vertreten sind 2.800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 120 Ländern. Das 1971 von dem Deutschen Klaus Schwab gegründete WEF versteht sich als Plattform für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und öffentlichen Organisationen zum Wohle der Menschheit.

Von Klimakrise bis Cyberattacken

Die geopolitischen Spannungen seien in diesem Jahr größer als seit Jahrzehnten, sagte WEF-Präsident Borge Brende. „Der einzige Weg nach vorn ist: zusammenkommen und Lösungen finden“, meinte er. Unternehmen spielten dabei eine wichtige Rolle. Er nannte eine Vereinbarung namhafter Firmen, die versprochen haben, mit ihrer Kaufkraft für die nötige Nachfrage für grüne Produkte und Lösungen zu sorgen. Neben den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen nannte Brende als weitere Herausforderungen mögliche neue Pandemien, den Klimawandel und Cyberattacken.

Einer der WEF-Geschäftsführer, Mirek Dusek, sprach von „geopolitischer Depression“: „Wir glauben, um effektiv mit dieser neuen Realität umgehen zu können, müssen wir wieder Vertrauen herstellen.“ Das WEF tue alles, um Dialoge in Gang zu setzen und Lösungen für systemische Probleme aufzuzeigen. Wichtiges Thema sei auch der Umgang mit künstlicher Intelligenz. Regierungen müssten sich damit dringend auseinandersetzen, um technologischen Entwicklungen nicht hinterherzulaufen.

Ortsansicht von Davos
Reuters/Denis Balibouse
Schon um 54. Mal wird in hochkarätiger Besetzung in Davos über internationale Probleme debattiert

Desinformation eines der größten Risiken weltweit

Die Beeinflussung von Wahlen durch KI-gesteuerte Desinformation ist laut einem am Mittwoch vorgestellten WEF-Bericht eine der weltweit größten Risiken in den kommenden zwei Jahren. „Fehlinformationen und Desinformationen sind die größten kurzfristigen Risiken, während extreme Wetterbedingungen und kritische Veränderungen der Erdsysteme langfristig die größte Herausforderung darstellen“, heißt es darin.

Der weit verbreitete Einsatz von Desinformationen sowie die Instrumente zu ihrer Verbreitung könnten „die Legitimität neu gewählter Regierungen untergraben“, heißt es in der Studie im Vorfeld des jährlichen Weltwirtschaftsforums, für das hochrangige Vertreter aus der internationalen Politik und Wirtschaft im Schweizer Alpenort Davos zusammenkommen.

Verbreitet Sorge über Lebenshaltungskosten

In den kommenden zwei Jahren stehen in mehreren großen Volkswirtschaften Wahlen an, darunter in den USA, Russland, Indien, Indonesien, Mexiko und Großbritannien. Der Umfrage zufolge sind weltweit knapp drei Milliarden Menschen dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Laut der Umfrage dominieren zudem die „Besorgnis über eine anhaltende Krise der Lebenshaltungskosten“, mehrere bewaffnete Konflikte sowie die gesellschaftliche Polarisierung die Risikoaussichten für 2024.

WEF-Geschäftsführerin Saadia Zahidi erklärte, die Staats- und Regierungschefs der Welt müssten zusammenkommen, „um kurzfristige Krisen zu bewältigen und den Grundstein für eine widerstandsfähigere, nachhaltigere und integrativere Zukunft zu legen“. Die gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Marsh McLennan und der Zurich Insurance Group erstellte Umfrage berücksichtigt die Einschätzungen von gut 1.400 internationalen Risikoexperten, politischen Entscheidungsträgern und Branchenführern.