Sonnenstrahlen dringen ins Meerwasser ein
Getty Images/iStockphoto/Philip Thurston
Temperaturen „erstaunlich“

Warme Meere verstärkten Extremwetter

Die Meeresoberflächentemperatur und der Wärmegehalt der oberen 2.000 Meter des Ozeans haben im vergangenen Jahr „Rekordhöhen“ erreicht, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie zeigt. Neben den hohen Emissionen ist auch das Wetterphänomen „El Nino“ dafür verantwortlich. Es dürfte seinen Peak erreicht haben, seine Folgen werden aber auch 2024 spürbar sein, sagt ein Experte gegenüber ORF.at.

Der tropische Atlantik, das Mittelmeer und die südlichen Ozeane hätten 2023 den höchsten Wärmegehalt seit den 1950er Jahren verzeichnet, heißt es in der Studie. „Der Ozean ist der Schlüssel, um uns zu sagen, was mit der Welt geschieht, und die Daten zeichnen ein überzeugendes Bild der Erwärmung, Jahr für Jahr“, sagte John Abraham von der University of St. Thomas in Minnesota, der zu dem Team gehört, das die neuen Daten erstellt hat, gegenüber dem „Guardian“.

Klimaforscher blicken vor allem deshalb mit Sorge auf die aktuellen Temperaturentwicklungen der Meere, weil diese als Energiespeicher gelten: Ungefähr 90 Prozent der zusätzlichen Energie, die durch den Treibhauseffekt auf die Erde gelangt, werden dort gespeichert. „Die Ozeane sind Langzeitspeicher. Wenn das Klima aus der Balance gerät, geht die Überschussenergie in den Ozean“, erklärt Leopold Haimberger von der Uni Wien gegenüber ORF.at. „Es ist wie Schuldenmachen, und der ozeanische Wärmegehalt ist der Schuldenschein.“

„El Nino“ trug zu Rekordwerten bei

Ein Grund für die Erwärmung der Meere ist auch „El Nino“ – ein Wetterphänomen, das sich durch veränderte Strömungen in Meer und Atmosphäre und höhere Temperaturen an der Ozeanoberfläche im Pazifik auszeichnet. In Verbindung mit der Klimaanomalie erreichte die globale Meerestemperatur der Studie zufolge 2023 ein Rekordhoch.

Über das gesamte Jahr hinweg lag die Durchschnittstemperatur 0,1 Grad Celsius über der von 2022. In der zweiten Hälfte des Jahres 2023 lag die Temperatur laut den Forscherinnen und Forschern zudem um „erstaunliche“ 0,3 Grad Celsius höher.

Eine weitere Folge der Wärme sei zudem eine rekordverdächtige Schichtung in den Ozeanen. Dabei sammelt sich warmes Wasser an der Oberfläche an, und es gibt einen schlechteren Austausch mit den tieferen Schichten, „dadurch gelangt auch weniger Sauerstoff in die tieferen Schichten“, so Haimberger. Das wiederum stellt Meereslebewesen vor eine Herausforderung. Erhöhte Temperaturen sorgen bei den Arten für „Anpassungsstress“, im Mittelmeer gebe es bereits eine Zunahme tropischer Spezies. Und auch Korallenbleiche ist die Folge.

Grafik zur globalen Erwärmung der Ozeane
Grafik zur globalen Erwärmung der Ozeane
NOAA NOAA
Seit 1955 hat sich der Wärmegehalt der Ozeane stark erhöht, die Meerestemperaturen steigen. Zum Vergleichen blauen Button nach links oder rechts verschieben.

Jahr voller Temperaturrekorde

An den „Super-El-Nino“ von Ende 2015/16 – den stärksten seit über 20 Jahren – kam der heurige „El Nino“ zwar nicht ganz heran, so Haimberger. 2023 entwickelte sich die Klimaanomalie allerdings parallel zu einem beispiellosen Anstieg der globalen Temperaturen, es sei „schon ein ordentliches ‚El-Nino-Jahr‘“ gewesen. Problematisch seien vor allem die „ungewöhnlichen Zirkulationsmuster“ in jenen Ländern gewesen, die an den Pazifik grenzen. Die beispiellose Trockenheit und Dürre im Amazonas bezeichnet der Experte als „typische Folge“.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Aller Voraussicht nach habe das Wetterphänomen seinen Peak bereits erreicht und sollte nach einem halben Jahr von neutralen Bedingungen abgelöst werden. Dann komme es darauf an, ob die neutralen Bedingungen anhalten oder „La Nina“, also die kalte Phase des Zyklus, ab dem Herbst eintritt. Australien und Indonesien würden aber wohl noch einige Monate lang mit Trockenheit und einem Risiko für verstärkte Waldbrände kämpfen müssen.

Nach „El Nino“ werde zudem meistens der Nordatlantik besonders warm, da die Energie vom Pazifik zum Teil in den Atlantik gelange. „Insofern könnte es für den Nordatlantik und Europa auch 2024 ausgesprochen heiß werden.“

Die Wirbelsturmsaison im Atlantik ist nach „El Nino“ zudem auch häufig stärker ausgeprägt, „es würde mich also nicht wundern, wenn nächstes Jahr dort besonders starke Wirbelstürme auftreten“. Die Folgewirkungen seien aber komplex, und man könne sie noch nicht zuverlässig vorhersagen.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Infografik zur Entwicklung von Dürreereignissen nach Grad der Erderwärmung
IPCC
Infografik zur Entwicklung von Dürreereignissen nach Grad der Erderwärmung
IPCC
Infografik zur Entwicklung von Dürreereignissen nach Grad der Erderwärmung
IPCC

2024 weitere Temperaturrekorde?

Laut einem Bericht der „Washington Post“ ist es möglich, dass die Entwicklungen rund um „El Nino“ und die Meerestemperaturen dazu beitragen, dass die durchschnittlichen Temperaturen auf der Erde 2024 zum ersten Mal in einem Jahr um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen.

Bereits vergangenes Jahr war die kritische Schwelle laut aktuellen Daten von Copernicus, dem Erdbeobachtungsprogramm der EU, bereits fast erreicht. Da man sich auf unbekanntem Terrain befinde, sei es jedoch schwer vorherzusagen, was als Nächstes passiert, so Copernicus-Direktor Carlo Buontempo gegenüber der „Washington Post“.

Der Trend der Klimaerwärmung verstärke sich jedenfalls, so die Einschätzung von Haimberger. Er beobachte eine Imbalanz, also Ungleichheit: Die Erde empfange mehr Energie, als sie in den Weltraum abgibt, „das ist eine beunruhigende Entwicklung. Wir brauchen unbedingt eine Trendumkehr, und je früher man sie durch konsequente Dekarbonisierung unserer Aktivitäten erreicht, desto besser ist es für die künftigen Generationen.“