Barsolgo-Camp in Burkina Faso
CARE/Rakietou Hassane Mossi
„Breaking the Silence“

Bericht erinnert an „vergessene Krisen“

Über Entwicklungen vieler Kriege und Konflikte wird die Öffentlichkeit medial breit informiert, das zeigt sich gerade aktuell. Doch es gibt viele weiße Flecken: Auf diese weist die Hilfsorganisation CARE in einem am Donnerstag vorgestellten Bericht hin. Unter dem Titel „Breaking the Silence“ werden jene zehn Krisenherde aufgelistet, über die im Vorjahr am wenigsten berichtet wurde – diese „vergessenen Krisen“ finden einmal mehr alle auf dem afrikanischen Kontinent statt.

Gemeinsam mit dem Medienbeobachtungsdienst Meltwater durchsuchte CARE fünf Millionen Onlineberichte von 1. Jänner bis 30. September 2023 in den Sprachen Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch nach Meldungen über humanitäre Krisen. Dabei wurden 48 derartige Krisen identifiziert, von denen mindestens eine Million Menschen betroffen ist.

Darunter finden sich auch Krisen, die schon seit längerer Zeit aufgeführt werden – zumal es bereits das achte Ranking dieser Art ist. Auf dem ersten Platz landete wie schon im Vorjahr Angola, wozu lediglich 1.049 Onlineberichte gefunden wurden. Und das, obwohl Dürren, Überschwemmungen sowie Hunger in Angola dazu führen, dass mehr als sieben Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen.

Von Sambia bis Simbabwe

Auf den Plätzen zwei und drei folgen mit Sambia und Burundi zwei weitere Staaten, deren Krisen schon mehrfach in den früheren CARE-Berichten zu finden waren. Die Zentralafrikanische Republik, heuer auf Platz sechs, fand sich bisher in jedem der Berichte wieder. Neu sind hingegen Senegal (Platz vier), Mauretanien (Platz fünf) und Uganda auf Platz neun.

Grafik zu medial vergessenen Krisen 2023
Grafik: APA/ORF; Quelle: CARE

Beben in Türkei und Syrien besonders beachtet

Die größte Aufmerksamkeit in Onlineberichten über Krisen und Katastrophen erregte das Erdbeben in der Türkei und Syrien mit mehr als 700.000 Artikeln, gefolgt vom Ukraine-Krieg. Der Nahe Osten landete auf Platz vier vor dem Sudan, aber „das wird sich heuer sicher ändern“, sagte CARE-Österreich-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager.

Nicht auf den ersten zehn Plätzen landeten heuer Malawi (im Vorjahr Platz zwei), der Tschad (2023 Platz fünf), Mali (2023 Platz acht) und Niger (2023 Platz zehn). Das liege nicht daran, dass sich in diesen Ländern die Situation gebessert habe – sie habe sich vielmehr verschlechtert –, sondern dass eben andere Krisen in Onlineberichten noch weniger Beachtung fanden.

Sieht man sich die Ränge elf bis 20 der am wenigsten beachteten Krisen an, so finden sich Mali (Platz elf), Malawi (15) und Niger (18) darunter. Unter den ersten 20 sind mit Nordkorea (13), El Salvador (17), Peru (19) und Sri Lanka (20) nur vier der am wenigsten beachteten Krisen nicht auf dem afrikanischen Kontinent.

„Chronisch und langandauernd“

Eines hätten diese Krisen stets gemein, so CARE-Österreich-Geschäftsführerin Barschdorf-Hager bei der Präsentation am Donnerstag: „Sie sind chronisch und langandauernd.“ Ziel des Berichts sei, der Öffentlichkeit mit dem Report die Krisen „zumindest einmal im Jahr in Erinnerung (zu) rufen“, so Barschdorf-Hager, die zugleich auch auf Sparmaßnahmen von Medien als Mitgrund für die dünne Berichterstattung verweis.

„Es ist klar, dass neuere Ereignisse wie die Erdbeben in Syrien und der Türkei, der Ukraine-Krieg sowie der eskalierende Konflikt im Nahen Osten die Schlagzeilen dominieren. Viele Krisen in Afrika existieren seit langer Zeit, dementsprechend schwierig ist die Berichterstattung“, so Barschdorf-Hager. Generell sei die humanitäre Not global noch nie so groß gewesen wie 2023, das sehe man auch in der Berichterstattung.

Sicherer Zugang zu Krisenherden nötig

Nötig seien Maßnahmen: So müssten Regierungen sichere Zugänge für Berichte aus den Krisenregionen gewähren. Dort müsse auch die Möglichkeit der unabhängigen und objektiven Berichterstattung garantiert werden. Und es benötige Ressourcen, die letztlich Hilfs-NGOSs, aber auch Stakeholder zur Verfügung stellen müssten. Die EU habe etwa einen eigenen Topf für vergessene Krisen, so Barschdorf-Hager.

Dass Afrika auf dieser Liste besonders präsent ist, ist laut Deepmala Mahla, CARE-Direktorin für humanitäre Hilfe, wenig verwunderlich: „Laut den Vereinten Nationen werden 2024 weltweit fast 300 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen – die Hälfte davon in Afrika.“ Überraschend sei allerdings, wie wenig über die humanitären Krisen bekannt sei – gerade in Angola.

„Klimawandel spielt nicht fair“

Auch müsse man sich vor Augen halten, dass Hunger fast immer menschengemacht sei, so CARE-Direktorin Mahla. „Um Leben zu retten, braucht es neben mehr Aufmerksamkeit eine ausreichende Finanzierung für humanitäre Hilfe. Im vergangenen Jahr wurden nur 35 Prozent der benötigten finanziellen Mittel für humanitäre Hilfe bereitgestellt, das ist definitiv zu wenig“, sagte Mahla.

Die CARE-Direktorin wies außerdem darauf hin, dass der Klimawandel praktisch bei allen Krisen eine große Rolle einnimmt. „Und der Klimawandel spielt nicht fair: Er treibt Hungersnöte voran, er macht Probleme mit dem Wasser noch schlimmer, er zerstört die Lebensräume der Menschen, er hindert Kinder daran, in die Schule zu gehen“, nannte Mahla einige Beispiele für die Folgen.