Michel-Abgang: Deutscher Botschafter warnt vor „Vakuum“

Die EU muss möglichst schnell eine Nachfolge für den scheidenden EU-Ratspräsidenten Charles Michel finden. Diese Ansicht vertrat der deutsche Botschafter in Österreich, Vito Cecere, gestern bei einem Diskussionsabend der Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten (AEJ) in Wien. Das sei wichtig, damit kein „Vakuum“ entstehe.

Michel steigt in EU-Wahlkampf ein

Michel hatte am Wochenende mit der Ankündigung überrascht, seine bis November dauernde zweite und letzte Amtszeit zugunsten einer Kandidatur als Spitzenkandidat der belgischen Liberalen bei der Europawahl Anfang Juni vorzeitig zu beenden.

Namen für eine mögliche Nachfolge würden schon gehandelt, berichtete der Diplomat bei dem Treffen im Pressezentrum der APA in Wien und nannte etwa den früheren niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte aus dem konservativ-liberalen Lager und die Sozialdemokratin Sanna Marin, die bis Ende Juni das Amt der finnischen Regierungschefin innegehabt hatte.

Ungarn übernimmt im Juli Ratspräsidentschaft

Ungarn hat im zweiten Halbjahr 2024 die EU-Ratspräsidentschaft inne, allerdings bezieht sich diese nur auf die Fachministertagungen. Ungarns Regierungschef Viktor Orban vertritt innenpolitisch eine betont EU-kritische Haltung und fährt auch bezüglich des russischen Krieges gegen die Ukraine einen anderen Kurs als die übrigen 26 EU-Mitgliedsstaaten.

Die ungarische Führung zeigt zudem seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 eine demonstrative Nähe zu Moskau.

Die EU-Sanktionen gegen Russland trug Budapest allerdings großteils mit. Zuletzt blockierte Orban jedoch eine Aufstockung des mehrjährigen EU-Budgets zur Finanzierung zusätzlicher Hilfen für die Ukraine.

„Politisches Dilemma“

Dass mit Ungarn und bis zum jüngsten Regierungswechsel in Warschau auch mit Polen Länder EU-Mitglieder seien, die explizit andere Positionen vertreten würden als die Mehrheit, sei für die EU gewissermaßen ein Novum, analysierte Cecere. „Dieser Wandel ist jetzt aber die Realität und hat etwas von einem politischen Dilemma.“

In Deutschland werde genau beobachtet, dass es etwa auch in Österreich mit FPÖ-Chef Herbert Kickl Politiker gebe, die eine „Äquidistanz“ zu den Kriegsparteien in der Ukraine fordern würden. Sollten die Freiheitlichen bei der Nationalratswahl erfolgreich sein, gebe es schon die Befürchtung, dass „da etwas ins Rutschen kommt in Richtung Autorität“, so der Botschafter. Er verwies auch auf das Erstarken der rechten AfD in Teilen seines Heimatlandes.