Taiwanesen mit bunten Schals bei einer Wahlkampfveranstaltung
Reuters/Imago/Wiktor Dabkowski
Taiwan-Wahlergebnis

China besteht auf „Wiedervereinigung“

China hat nach dem Erfolg eines Unabhängigkeitsbefürworters bei der Präsidentschaftswahl in Taiwan die „unausweichliche“ Wiedervereinigung mit der in Pekings Augen abtrünnigen Provinz bekräftigt. Die Wahl werde das nicht verhindern, erklärte der Sprecher des Büros für taiwanische Angelegenheiten in Peking, Chen Binhua, in einer von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichen Mitteilung am Samstag.

Der bisherige Vizepräsident Lai Ching-te hatte die Wahl in Taiwan am Samstag gewonnen. Der 64-Jährige kam nach Auszählung von 99,9 Prozent der Wahllokale auf 40,1 Prozent. Sein größter Widersacher Hou Yu-ih von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT), der mit 33,5 Prozent auf dem zweiten Platz landete, räumte seine Niederlage ein. Im Wahlkampf hatte Lai angekündigt, im Falle seines Siegs den pekingkritischen Kurs der scheidenden Amtsinhaberin Tsai Ing-wen fortzusetzen.

Binhua sagte, China werde keine „separatistischen Aktivitäten“ auf der selbst verwalteten Insel dulden. „Wir werden uns an den Konsens von 1992 halten, der das Ein-China-Prinzip verkörpert“, hieß es weiter. Auch „ausländische Einmischung“ lehne Peking in diesem Zusammenhang ab.

Chinesisches Kampfflugzeug nahe der Taiwanesischen Grenze
APA/AFP/Greg Baker
China führt regelmäßig Militärmanöver an der Grenze zu Taiwan durch

Großer Wert auf Transparenz gelegt

Zur Wahl aufgerufen waren rund 19,5 Millionen Taiwaner und Taiwanerinnen, die Wahllokale schlossen um 16.00 Uhr Ortszeit (9.00 Uhr MEZ). Danach begann unter den Augen der Öffentlichkeit – Wahlzettel wurden Bürgerinnen und Bürgern gezeigt, um Transparenz zu gewährleisten – die Auszählung der Stimmen.

Lai habe als erster Präsidentschaftskandidat in Taiwan überhaupt mehr als fünf Millionen Stimmen für sich gewinnen können, berichtete die BBC unter Berufung auf lokale Medien. Die Zahl der Wahllokale in Taiwan mit mehr als 23 Millionen Einwohnern war diesmal mit 17.794 so hoch wie nie, wie die Zentrale Wahlkommission mitteilte. Lai hatte schon in Umfragen als Favorit gegolten.

Lai sieht Verantwortung für Frieden bei Peking

Der neu gewählte designierte Präsident Taiwans rief China dazu auf, den Frieden in der Meerenge zwischen beiden Staaten zu wahren. „Ein globaler Frieden hängt vom Frieden in der Taiwan-Straße ab“, sagte er Samstagabend (Ortszeit) nach der Wahl in Taipeh.

Taiwans bisheriger Vizepräsident William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP)
APA/AFP/Yasuyoshi Chiba
Lai Ching-te bleibt auf Distanz zu China – das könnte Spannungen verstärken

Er hoffe, dass China diese Situation verstehe, da auch die Volksrepublik Verantwortung trage. „Gleichzeitig sind wir entschlossen, Taiwan vor anhaltenden Bedrohungen und Einschüchterungen durch China zu schützen“, sagte der 64-Jährige.

USA und EU gratulierten

Die USA gratulierten Lai: Das taiwanische Volk habe mit der Wahl erneut die Stärke seines robusten demokratischen Systems und seines Wahlprozesses unter Beweis gestellt, teilte das US-Außenministerium am Samstag in Washington mit. Man freue sich darauf, mit Lai und den Spitzen aller Parteien zusammenzuarbeiten, um „gemeinsame Interessen und Werte“ voranzubringen und die langjährigen inoffiziellen Beziehungen im Einklang mit der Ein-China-Politik zu fördern.

Auch die EU begrüßte den Verlauf der Wahlen. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Samstag in Brüssel mit. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.

Dollinger (ORF) zu Taiwan-Wahlen

Josef Dollinger (ORF) berichtet live aus Taipeh. Er spricht unter anderem über die Bedeutung des Wahlergebnisses im Hinblick auf die Spannungen mit China.

Der Sprecher betonte zudem, dass die EU Frieden und Stabilität in der Meerenge von Taiwan als zentral für regionale und globale Sicherheit und Wohlstand ansehe. „Die EU ist nach wie vor besorgt über die wachsenden Spannungen in der Straße von Taiwan und lehnt jeden einseitigen Versuch ab, den Status quo zu ändern“, erklärte er in Anspielung auf Machtansprüche Chinas.

Mietpreise, Löhne, Gesundheit

Die DPP regiert seit 2016 mit Präsidentin Tsai, die Partei steht für die Unabhängigkeit Taiwans. Deshalb brach die chinesische Regierung den Kontakt mit Taipeh ab. Innenpolitisch drehte sich der Wahlkampf unter anderem um hohe Mietpreise, Löhne und Taiwans Gesundheitssystem für Senioren.

Der Konflikt um Taiwan geht auf den Bürgerkrieg in China zurück: Nach der Niederlage gegen die Kommunisten flüchtete die nationalchinesische Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan. Die Insel wurde seither eigenständig regiert, während in Peking 1949 die kommunistische Volksrepublik ausgerufen wurde. Obwohl die Kommunistische Partei Chinas Taiwan nie regiert hat, beansprucht sie das Gebiet und strebt eine – notfalls gewaltsame – „Wiedervereinigung“ an.