Israels Premierminister Benjamin Netanjahu
Reuters/Menahem Kahana
100 Tage nach Hamas-Angriff

Netanjahu verteidigt „gerechten Krieg“

Von Protesten in Israel und mehreren Städten außerhalb überschattet hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sein Land am Wochenende erneut auf einen längeren Krieg im Gazastreifen eingeschworen. Israel befinde sich in einem „gerechten Krieg“, sagte Netanjahu, der innenpolitisch unter Druck steht. Am Sonntag vor 100 Tagen hatte die radikalislamische Hamas Israel angegriffen, inzwischen hat der Konflikt mehrere Fronten, das Risiko einer Eskalation ist gestiegen.

Erst am Sonntag kam es erneut zu Feuergefechten im Gazastreifen, außerdem an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Die USA und Großbritannien griffen in den letzten Tagen die Huthi-Milizen, die sich mit der Hamas solidarisiert haben, an, der Iran verstärkt Truppen an seiner Landesgrenze.

Vor dieser instabilen Gesamtkonstellation verteidigte Netanjahu Israels militärisches Vorgehen als einen „moralischen und gerechten Krieg, der seinesgleichen sucht, gegen die Hamas-Monster, die neuen Nazis“, sagte er.

„Niemand wird uns stoppen“

„Wir werden den Krieg bis zum Ende fortsetzen – bis zum vollständigen Sieg, bis wir alle unsere Ziele erreicht haben: Die Beseitigung der Hamas, die Rückgabe aller unserer Geiseln und die Gewährleistung, dass der Gazastreifen nie wieder eine Bedrohung für Israel darstellen wird“, so Netanjahu Samstagabend. „Niemand wird uns stoppen.“

Israelische Panzer in der Grenzregion zu Gaza
APA/AFP/Menahem Kahana
Israel will seine Offensive im Gazastreifen bis zu einem Sieg über die Hamas fortführen

In Städten wie London, Rom und Washington kam es am Samstag erneut zu – meist propalästinensischen – Protesten gegen den Krieg, in Israel zu Massenkundgebungen für eine Freilassung der immer noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln.

Zahlreiche Geiseln immer noch verschleppt

Auslöser des Krieges im Gazastreifen war der Angriff der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei getötet und etwa 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit heftigen Luftangriffen und einer anschließenden Bodenoffensive. Während einer Feuerpause wurden im November 105 Geiseln im Gegenzug für 240 palästinensische Häftlinge freigelassen. Von mehr als der Hälfte der Geiseln in der Hand der Extremisten fehlt nach wie vor jede Spur. In Israel wächst mit jedem Tag der Unmut darüber.

Demonstranten in Tel Aviv fordern die Freilassung israelischer Geiseln in Gaza
Reuters/Alexandre Meneghini
An die 120.000 Menschen erinnerten an das Schicksal der immer noch zahlreichen Geiseln in den Händen der Extremisten

Am Samstag erinnerten am Wochenende bei einer Massenkundgebung in Tel Aviv nach Angaben der Organisatoren an die 120.000 Menschen an das Schicksal der Geiseln. Familienangehörige brachten dabei ihre Frustration über die Regierung Netanjahus zum Ausdruck, wie die Onlinezeitung Times of Israel berichtete. Sie warfen seiner Regierung vor, nicht genug zu tun, um die Geiseln nach Hause zu holen. Die Zeit für ihre Rettung laufe ab. Die Kundgebung war für 24 Stunden angesetzt.

Appelle für Feuerpause aktuell ungehört

Immer wieder gibt es wegen der zahlreichen zivilen Opfer bei den Kämpfen im Gazastreifen auch Kritik an Israel. Laut – nicht objektiv überprüfbaren – Zahlen der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sollen bisher an die 23.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Es gab bisher nur sehr kurze Feuerpausen.

Das UNO-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) erneuerte seinen Appell für eine humanitäre Feuerpause. „Massenhafter Tod, Zerstörung, Vertreibung, Hunger, Verlust und Trauer“ in den letzten 100 Tagen widersprächen dem gemeinsamen Verständnis von Menschlichkeit, schrieb sinngemäß der Generalkommissar der UNRWA, Philippe Lazzarini, in einer Erklärung. Die UNO geht von 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen im Gazastreifen aus.

Luftaufnahme zeigt zerstörte Gebäude in Gaza Stadt
APA/AFP
Die schweren Angriffe forderten zahlreiche zivile Opfer

Zweifel an raschem militärischem Erfolg

Die israelische Armee will jedenfalls eigenen Angaben nach den militärischen Druck auf die Hamas weiter erhöhen. „Druck, der zur Zerschlagung der Hamas und zur Rückkehr der Geiseln führt“, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi am Samstag. „Um die Hamas zu zerschlagen, ist Geduld notwendig und unerlässlich“, sagte Halevi.

Israel ist nach Einschätzung der Tageszeitung „Haaretz“ (Samstag-Ausgabe) allerdings noch weit vom Erreichen seiner Kriegsziele entfernt. Grund dafür seien die ausgefeilten Tunnelsysteme der Hamas, in denen sich ihre Anführer versteckt hielten.