Wiedervereinigungsdenkmal in Nordkorea
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Nordkorea

Denkmalsturz als symbolische Kriegserklärung

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wirft nicht nur sämtliche Pläne seiner Familiendynastie für eine Wiedervereinigung mit Südkorea über Bord. Er will den Süden als „Hauptfeind“ in der Verfassung seines Landes verankert sehen, wie staatliche Medien am Dienstag berichteten. Als symbolischer Akt soll das Denkmal für die Wiedervereinigung in Pjöngjang fallen, ein „Schandfleck“, wie Kim es nannte. Von einer „friedlichen Wiedervereinigung“ will er nichts mehr wissen und droht stattdessen mit Krieg.

Die Situation auf der koreanischen Halbinsel ist nach regelmäßigen Raketentests Nordkoreas, zuletzt einem Artilleriemanöver im Grenzgebiet zum Süden und der Entsendung eines Langstreckenbombers nach Südkorea durch die USA, angespannt wie seit Jahren nicht mehr. Pjöngjang verstärkt seine militärischen Drohgebärden laufend, nun wagt sich Machthaber Kim sogar an das – wie es bisher schien – unantastbare Erbe seiner Dynastie.

In einer Sitzung der Obersten Volksversammlung habe Kim „geschworen“, das Denkmal für Wiedervereinigung abreißen zu lassen, berichtete der US-Sender CNN am Dienstag. Erbaut worden war es unter seinem Vater Kim Jong Il, der das kommunistische Land von 1994 bis 2011 regiert hatte, im Jahr 2001. Es steht in der Hauptstadt Pjöngjang. Gewidmet ist es dem „ewigen Präsidenten“ und Vater Kim Jong Ils, Kim Il Sung. Der hatte 1960 ein Konzept für eine Wiedervereinigung mit dem Süden entworfen. Er hatte Nordkorea von 1948 bis 1994 regiert.

Kein „ohne Waffengewalt“ mehr

Das Konzept Kim Il Sungs basierte auf drei Prinzipien, die sein Enkel Kim Jong Un jetzt aus der Verfassung streichen wolle, wie staatliche nordkoreanische Medien gleichfalls am Dienstag berichteten: „Unabhängigkeit, friedliche Wiedervereinigung und große nationale Einheit“.

Raketentest in Nordkorea
Reuters/Kcna
Test einer mutmaßlichen ballistischen Mittelstreckenrakete am Wochenende

Das 30 Meter hohe und 61,5 Meter breite Monument steht auf Skulpturen. Diese symbolisieren die drei Prinzipien Kim Il Sungs zur Wiedervereinigung. 1972 hatte eine südkoreanische Delegation Pjöngjang besucht, die Prinzipien für eine „friedliche Wiedervereinigung ohne Waffengewalt“ wurden öffentlich formuliert.

Bruch mit „Erbe“ seiner Dynastie

Von diesen Leitsätzen ist Nordkorea unter Kim Jong Un aktuell weiter weg denn je. Seine Ankündigungen bedeuteten einen Bruch mit einem jahrzehntealten politischen Kurs, analysierte CNN. Kim hatte Südkorea schon zuletzt bei einer Inspektion von Munitionsfabriken als „Hauptfeind“ bezeichnet und eine komplette Neuausrichtung des militärischen Kurses seines Landes angekündigt.

Dieser deutet in Richtung Konfrontation. Für den Fall eines Krieges auf der koreanischen Halbinsel drohte er mit dem Einsatz von Atomwaffen. Nord- und Südkorea befinden sich auch nach dem Ende des Korea-Krieges (1950–1953) formal weiterhin im Kriegszustand, beide Seiten hatten allerdings lange eine friedliche Wiedervereinigung angestrebt.

„Erster Gegner“ und „Hauptfeind“ Südkorea

Bei seiner Rede vor der Vollversammlung Anfang der Woche warf Kim Südkorea erneut vor, einen Sturz seiner Regierung und eine Wiedervereinigung mit Gewalt anzustreben. In der Verfassung müsse klargemacht werden, dass der Nachbar „erster Gegner und unverrückbarer Hauptfeind ist“. Der zweite „Hauptfeind“ für Pjöngjang sind die USA, der wichtigste Verbündete Südkoreas.

Südkoreanischer Panzer
Reuters/The Defense Ministry
Südkoreanische Panzer bei einem Manöver gemeinsam mit den USA nahe der demilitarisierten Zone im Kriegsgebiet

In der Verfassung sollte auch konkret die Frage nach einer „Besetzung“, „Rückeroberung“ und „Eingliederung“ des Südens im Fall eines Krieges beantwortet werden, forderte Kim. „Wir wollen keinen Krieg, doch haben wir auch nicht die Absicht, ihn zu vermeiden.“ Kim deutete an, die Verfassung könnte bei der nächsten Parlamentssitzung geändert werden.

Symbolischer Schritt

Im Einklang mit Kims neuem Kurs beschloss die Volksversammlung in ihrer jüngsten Sitzung, drei Behörden für den innerkoreanischen Dialog und die Zusammenarbeit einschließlich des Komitees für die friedliche Wiedervereinigung des Landes aufzulösen. Der Schritt war zuvor angekündigt worden. Die Zerstörung des Denkmals zeige symbolisch, wohin Kims Weg führe, zitierte CNN Jeong Eun Mee, Forscher am von der südkoreanischen Regierung finanzierten Korea Institute for National Unification (KINU).

Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol kritisierte die scharfe Rhetorik des nordkoreanischen Machthabers. „Die Menschen in Nordkorea bilden mit uns ein Volk und sie haben die gleichen Rechte, um Frieden, Menschenrechte und Wohlstand zu genießen“, sagte er der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap zufolge bei einem Kabinettstreffen in der Hauptstadt Seoul. Wenn Nordkorea provoziere, „werden wir sie dreimal so hart bestrafen“, zitierte ihn am Dienstag CNN.

Russland und China als einzige wichtige Verbündete

Die Oberste Volksversammlung Nordkoreas gilt im westlichen Ausland als Scheinparlament. Sie tritt in der Regel nur wenige Male im Jahr zusammen, um Beschlüsse der Staatsführung und der Partei der Arbeit Koreas (PdAK), deren Vorsitzender Kim ist, zu billigen.

Die Kim-Dynastie beherrscht das Land seit seiner Gründung 1948 autoritär. International ist Nordkorea weitgehend isoliert, mächtige Verbündete sind allerdings Russland und China. Die Beziehungen zu Russland scheinen sich mit dem Krieg gegen die Ukraine intensiviert zu haben. Nordkorea soll Russland Waffen liefern.

Drohungen militärisch untermauert

Nordkorea untermauert seinen Konfrontationskurs in regelmäßigen Abständen militärisch. Erst am Sonntag meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA den Test einer Hyperschallrakete, mutmaßlich einer Mittelstreckenrakete, die nahe Japans Ausschließlicher Wirtschaftszone im Meer niederging.

Wenige Tage zuvor gab Südkorea Warnungen an die Bewohner mehrerer Inseln aus und ordnete Evakuierungen an, nachdem der Norden Artilleriemanöver entlang der umstrittenen Seegrenze zwischen beiden Ländern begonnen hatte. Mitte Dezember soll Nordkorea eine atomwaffenfähige Interkontinentalrakete getestet haben. Die USA entsandten einen Langstreckenbomber zu gemeinsamen Luftmanövern mit Südkorea und Japan in die Region. Zum Jahreswechsel befahl Kim der nordkoreanischen Armee, Kriegsvorbereitungen zu treffen.