Menschen auf der Straße in Harbin
Reuters/Thomas Peter
Trotz Kampagnen

Chinas Bevölkerung schrumpft drastisch

Die chinesische Bevölkerung schrumpft allen Maßnahmen der Regierung zum Trotz – und das schneller als erwartet. Ende Dezember lebten 2,08 Millionen Menschen weniger in China als noch im Jahr zuvor, teilte das Statistikamt in Peking am Mittwoch mit. Damit ging die chinesische Bevölkerung bereits das zweite Mal in Folge zurück.

2022 gab es erstmals seit sechs Jahrzehnten einen Rückgang, dieser fiel aber mit 850.000 Menschen geringer aus als im abgelaufenen Jahr. Auch die Zahl der Geburten war 2022 mit 9,56 Millionen noch etwas höher als im Jahr darauf mit 9,02 Millionen. Zugleich stieg die Zahl der Todesfälle auf über elf Millionen. Den Titel des bevölkerungsreichsten Landes der Welt gab China bereits an Indien ab. Derzeit leben etwa 1,4 Milliarden Menschen in der Volksrepublik.

Die Geburtenrate in China sank bereits das siebente Jahr in Folge. Noch in den 80er Jahren war aufgrund der Sorge vor einer Überbevölkerung die Einkindpolitik eingeführt worden. Die Lockerung dieser umstrittenen Maßnahme 2016 brachte aber keine nachhaltige Steigerung der Geburtenrate.

Krankenhausschwester in Geburtenstation
AP/Chinatopix
Die Geburtenrate in China sinkt seit sieben Jahren

Kampagnen für mehr Kinder

Die chinesische Regierung versucht schon länger, diesem Trend und einer Alterung der Gesellschaft gegenzusteuern. Die demografische Krise droht sich auf die Wirtschaft, die Arbeitskräfte braucht, auszuwirken. Gesundheits- und Pensionssystem sind bereits belastet.

Seit 2021 dürfen Paare sogar drei Kinder bekommen. Mit staatlichen Unterstützungsleistungen und öffentlichen Kampagnen soll die Geburtenrate nach oben getrieben werden. In staatlichen Medien sind Aufrufe an Chinas Junge zu sehen, zur „Verjüngung der Nation“ beizutragen.

Unsichere Situation für Frauen

Fachleute sehen als Ursachen für die demografische Entwicklung vor allem die hohen Kosten für Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die sinkende Heiratsbereitschaft. Viele Chinesinnen können mit dem Wunsch von Staatspräsident Xi Jinping, dass Frauen zu einer traditionelleren Rolle im Haushalt finden, wenig anfangen. Laut einem Bericht der „New York Times“ („NYT“) forderte Xi kürzlich Regierungsbeamte sogar auf, eine „Kultur der Ehe und des Kinderkriegens“ zu fördern.

Zwar versuchen die Behörden die feministische Bewegung klein zu halten. Chinesinnen treten dennoch zunehmend für ihre Rechte und gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ein. „In den letzten zehn Jahren hat sich über das Internet eine große Gemeinschaft von Feministinnen gebildet“, sagte die Frauenrechtsaktivistin Zheng Churan gegenüber der „NYT“. Aber es sei immer noch schwierig für Frauen, selbst vor Gericht Gerechtigkeit zu erlangen, ergänzte die Aktivistin Guo Jing.

Menschen in Einkaufszentrum in Peking
AP/Ng Han Guan
Chinas Junge sollen nach Vorstellung der Regierung zur „Verjüngung der Nation“ beitragen

Die Gesetze, die Frauen und ihr Eigentum schützen und sicherstellen sollen, dass sie gleich behandelt werden wie Männer, hätten versagt, so Fachleute: Es fehle die Sicherheit, Kinder zu bekommen, brachte es eine 33-jährige kinderlose Chinesin auf den Punkt. „Es scheint, dass die Geburtenpolitik der Regierung nur darauf abzielt, Babys zu machen, aber nicht die Person schützt, die gebiert. Sie schützt nicht die Rechte und Interessen der Frauen.“

Fragile Erholung der Wirtschaft

Der Bevölkerungsrückgang ist nicht das einzige Problem, das Chinas Wirtschaft zu schaffen machen. Zwar beschleunigte sich das Wachstum im vierten Quartal 2023 auf ein Jahresplus von 5,2 Prozent; es blieb damit leicht hinter den Erwartungen von Analysten. Doch die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie steht auf wackligen Beinen.

Große Immobilienentwickler haben exorbitante Schulden, die Risiken für das Bankensystem bergen. Der Konsum erholt sich langsamer als erhofft, die globale Nachfrage ist schwach. Zudem sanken zuletzt mehrmals hintereinander die Verbraucherpreise, was Ökonomen als Warnzeichen für eine längerfristige Deflation sehen.