Mann schwenkt eine Deutschlandfahne während einer Kundgebung in Berlin
IMAGO/Stefan Zeitz
Kampf gegen Linke

Neue Vorwürfe nach rechtem Geheimtreffen

Nach den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv zu einem Geheimtreffen von Rechten und Rechtsextremen zum Thema „Remigration“ sind am Mittwoch bei einer Lesung neue Details ans Licht gekommen. So soll sich ein Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten bei dem Treffen damit gebrüstet haben, für einen gewalttätigen Übergriff mitverantwortlich zu sein. Dieser aber hatte dementiert.

Auf die Beine gestellt hatte die szenische Lesung das Wiener Volkstheater in Kooperation mit Correctiv. Die Rechercheplattform war vor einer Woche mit den Ergebnissen, die in Zusammenarbeit mit Greenpeace entstanden, an die Öffentlichkeit gegangen. Demnach fand im November nahe Potsdam ein hochkarätiges Treffen von Rechten und Rechtsextremen statt. Dabei sollen Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland besprochen worden sein. Gemeint seien Asylwerbende, Ausländerinnen und Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“ gewesen.

Bei dem Treffen in einem Hotel habe der Österreicher Martin Sellner, Chef der rechtsextremen Identitären, einen entsprechenden Plan unter dem Schlagwort „Remigration“ vorgestellt. Hochrangige AfD-Mitglieder nahmen den Recherchen zufolge ebenfalls teil wie Vertreterinnen und Vertreter eines konservativen CDU-Flügels.

Screenshot des Livestreams „Geheimplan gegen Deutschland“ im Berliner Ensemble
Screenshot youtube.com/@VolkstheaterWien
Das Berliner Ensemble und das Volkstheater Wien veranstalteten anlässlich der Correctiv-Recherche eine szenische Lesung

Theaterdirektor Kay Voges ließ nun aus dem Stoff eine szenische Lesung vom Berliner Ensemble veranstalten. Fünf Schauspielerinnen und Schauspieler – Andreas Beck, Constanze Becker, Max Gindorff, Oliver Kraushaar und Veit Schubert – spielten Teilnehmer des Treffens sowie Angestellte des Hotels, in dem das Treffen stattgefunden hat.

Neue Details und Vorwürfe

Dabei kamen auch neue Details und Vorwürfe, die parallel auf der Website von Correctiv veröffentlicht wurden, ans Licht. So habe sich etwa ein wegen Körperverletzung vorbestrafter wissenschaftlicher Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt bei dem Treffen damit gebrüstet, für einen gewalttätigen Übergriff mitverantwortlich zu sein und eine politische Fahndungsplattform zu betreiben.

Er habe darüber gesprochen, wie sich die linke Szene bekämpfen lasse. Durch seinen Zugang zu Interna im Parlament komme er zu „Akten von Linksextremen“, gab die Bühnenfigur die Worte des Mannes wieder. Gemeint seien damit nicht nur Aktivistinnen und Aktivisten der Antifa, sondern unter anderen auch Politiker, linke Zivilgesellschaft und Journalisten.

Seinen Zugang zu Interna habe er bereits einmal ausgenützt, um einen linken Aktivisten in Polen zu verfolgen und ihm einen Schlägertrupp an den Hals zu hetzen. „Was wäre, wenn man Exekutive und Judikative zusammenlegt?“, sinnierte die Bühnenfigur und verwies auf eine von ihm gegründete Plattform, auf der „Linksextreme“ mit Namen, Geburtsdatum und teils Adresse verzeichnet sind.

Angriff in Vortrag enthalten

Auf Correctiv-Anfrage dementierte der Abgeordnetenmitarbeiter eine Beteiligung an dem Übergriff: „Ich habe niemals einen ‚Schlägertrupp‘ auf irgendjemanden angesetzt“, teilte er mit. Er habe sich nur „mit polnischen Journalisten“ über den Aufenthaltsort des Mannes ausgetauscht und dann „aus dem Internet“ von dem Angriff erfahren. Gewalt lehne er aus Überzeugung ab.

Dagegen stehen seine Aussagen in dem Vortrag, so die Rechercheplattform: So behauptete er demnach vor seinen Zuhörern, er habe den Aufenthaltsort des Antifa-Aktivisten im November 2021 herausgefunden und diesen an „polnische erlebnisorientierte Fußballkreise“ weitergegeben. Diese wiederum hätten den Mann auf der Straße „sehr handfest und sportlich konfrontiert“, woraufhin das Opfer einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Dabei handelt es sich um den heutigen Kronzeugen beim Prozess gegen die in erster Instanz wegen linksextremer Gewalttaten verurteilte Lina E.

Debatte im Bundestag

Die Correctiv-Recherchen hatten in Deutschland schon zuvor ein mittleres politisches Erdbeben ausgelöst. In etlichen Städten gab es bereits Demonstrationen gegen rechts, weitere sind geplant. Am Donnerstag befasst sich der Deutsche Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit dem Potsdamer Treffen. Auch die Industrie wurde tätig. Etliche deutsche Unternehmenschefs vom Chiphersteller Infineon bis zum Chemiekonzern Evonik warnten vor der Bedrohung der größten europäischen Volkswirtschaft durch Rechtsextremismus.

Demonstranten während der Aktion „Auf die Strasse Gegen Nazistische Deportationspläne der AfD“ vor dem Roten Rathaus in Berlin
IMAGO/photothek/Kira Hofmann
Am Mittwoch demonstrierten etwa in Berlin zahlreiche Menschen gegen rechts

Auch die AfD und die CDU reagierten. AfD-Kobundessprecherin Alice Weidel ortete zwar eine Diffamierungskampagne, bestätigte aber, einen Mitarbeiter gefeuert zu haben, der an der Konferenz teilgenommen hatte. Die CDU will ein Parteimitglied, das ebenfalls auf der Konferenz war, ausschließen. Zugleich mehrten sich Appelle, alle Parteien der Mitte müssten sich gegen die AfD zusammentun. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), sprach etwa von einer „Allianz der Mitte“.

Mehrere Treffen

Inmitten der Debatten wurden noch weitere Treffen bekannt, bei denen sich Rechtsextreme und deutsche Politiker vernetzten. Der Vizepräsident des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, sagte in einer nicht öffentlichen Sitzung nach Angaben von Teilnehmern, es habe bereits vier Treffen dieser Art gegeben.

Die Berliner AfD-Vorsitzende Kristin Brinker bestätigte am Mittwoch ihre Teilnahme an einem Treffen mit radikalen Rechten in der Wohnung des früheren CDU-Finanzsenators Peter Kurth im Sommer 2023. Zu Gast sei auch hier Sellner gewesen, zudem auch der spätere AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, und der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek. Dabei soll Krah sein Buch „Politik von rechts“ vorgestellt haben, das in Kubitscheks Verlag erschienen ist.