Italien Wappen auf Uniform eines Soldaten
APA/AFP/Christof Stache
Frontwechsel 1943

Wirbel um italienischen Heereskalender

Der neue Kalender der italienischen Streitkräfte löst Empörung aus. Er präsentiert Soldaten, die sowohl unter dem Faschismus als auch danach militärisch ausgezeichnet wurden. Die politische Opposition und die Partisanenorganisation ANPI orten eine „Rehabilitierung des Faschismus“ und fordern Konsequenzen, berichteten italienische Medien am Donnerstag.

„Für Italien immer … vor und nach dem 8. September 1943“, lautet der Titel des Heereskalenders 2024. An diesem Tag war der Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten verkündet worden, was zu einem abrupten Frontwechsel gegenüber dem zuvor verbündeten Nazi-Deutschland führte. Die Wehrmacht besetzte daraufhin Nord- und Mittelitalien und nahm etwa 800.000 italienische Soldaten gefangen.

Teile der verbliebenen italienischen Armee leisteten bewaffneten Widerstand. Vor allem auf dem Balkan erlitten die nun isolierten Verbände schwere Verluste – Tausende italienische Soldaten wurden getötet. Andernorts wie auf Sardinien konnten sie sich hingegen behaupten. Die Verbände, die am Befreiungskrieg der Alliierten teilgenommen hatten, bildeten nach dem Krieg den Grundstock des neuen italienischen Heeres.

„Vorher und Nachher erzählen“

Für den Titel des Kalenders habe die Unterstaatssekretärin für Verteidigung, Isabella Rauti von den postfaschistischen Fratelli d’Italia, den Anstoß gegeben, schrieb die Tageszeitung „La Repubblica“ am Donnerstag und erinnerte zugleich daran, dass diese auch die Tochter des ehemaligen rechtsradikalen Spitzenpolitikers Pino Rauti ist. Mit dem Kalender, der auch an zahlreichen Schulen beworben wird, werde ein weiterer Schritt zur Verharmlosung des dunkelsten Kapitels der jüngeren Geschichte Italiens gesetzt, so die Zeitung.

neuer Kalender des italienischen Heeres
Screenshot esercito.difesa.it
Das italienische Heer bewirbt seinen neuen Kalender auf seiner Website

„In Gedenken an diese tragischen Ereignisse (des Zweiten Weltkrieges, Anm.) wollten wir den Männern Tribut zollen, die daran teilnahmen im festen Glauben, ihrem Land zu dienen und den von ihnen geleisteten Eid zu würdigen. Sie haben ihr Leben für Italien geopfert“, schrieb Generalstabschef Pietro Serino im Geleitwort zum Kalender.

Für den Kalender seien zwölf Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten – für jeden Monat einer – ausgewählt worden, die sich sowohl vor dem 8. September 1943 als auch danach bis zum 25. April 1945 besonders hervorgetan und die goldene Tapferkeitsmedaille, die höchste militärische Auszeichnung Italiens, bekommen hätten. „Wir wollten ein Vorher und Nachher erzählen“, so Serino. „Dieselben Männer, dieselben Helden. Für Italien immer!“

Opposition: „Revisionistischer Wind“

„Es ist, als würde die deutsche Bundeswehr 80 Jahre später an die Taten der Wehrmacht erinnern, weil es ohnehin darum ging, für das Vaterland zu kämpfen“, kommentierte „La Repubblica“. Die Gleichsetzung des Vorher und Nachher bedeute eine „Rehabilitierung“ des Regimes von Benito Mussolini und eine „Amnesie gegenüber der historischen Verantwortung Italiens“, empörte sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken-Grünen-Allianz, Marco Grimaldi.

Heereskalender gebe es seit 1998. Sie waren oft Jahrestagen gewidmet wie 2015 dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg 1915 oder 2023 schon einmal dem Waffenstillstand von 1943. Für den Kalender 2024 gebe es jedoch keinen Jahrestag. Die Wahl für die vor- und nachfaschistische Zeit sei „willkürlich“ und deren Zweck „offensichtlich“, so Grimaldi.

„Es ist nicht zu übersehen, dass ein revisionistischer Wind um die höchsten Ämter des Staates weht und alle Ebenen durchdringt“, kritisierte Grimaldi und kündigte eine parlamentarische Anfrage zum Inhalt des aktuellen Heereskalenders an. Denn „es ist nicht akzeptabel, dass die Geschichte für diese Zwecke missbraucht wird“, sagte der Oppositionspolitiker.

Partisanenvereinigung fordert Rücknahme

Besorgt über derartigen Geschichtsrevisionismus zeigte sich auch der Präsident der Partisanenvereinigung Associazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI), Gianfranco Pagliarulo. „Wir stellen fest, dass es eine profaschistische Minderheit gibt, die die Geschichte Italiens umschreiben will“, warnte er und forderte die Rücknahme des Kalenders, „obwohl er leider bereits im Umlauf ist“.