„Candide“ als Auftakt zu Bernstein-Schwerpunkt

Mit Leonard Bernsteins nicht eindeutig zuordenbarem Bühnenwerk „Candide“ ist gestern am Theater an der Wien ein Bernstein-Schwerpunkt gestartet worden. Am 27. Jänner wird die Wiener Volksoper mit der „West Side Story“ in der Regie von Lotte de Beer den Komponisten würdigen.

„Candide“ war das Vorläuferwerk der „West Side Story“, musste aber, gerade wegen des Librettos, das bei der Uraufführung nicht sehr viel mit dem ursprünglichen Roman von Voltaire zu tun hatte, umgeschrieben werden. Und alle Umschreibeversuche zeigten, dass dieses Werk weder Operette noch Musical ist.

„Candide“ im Musiktheater an der Wien

In seinem Stück „Candide“ hat Leonard Bernstein Themen wie Kriege und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten in eine schwungvolle Satire verpackt. Im Musiktheater an der Wien wurde Premiere gefeiert.

Alsop lobt Bernsteins Musik

„Ich liebe die vielen musikalischen Formen, die in diesem Werk stecken“, sagte RSO-Chefdirigentin Marin Alsop, die eine Schülerin Bernsteins war und noch heute, wie sie erzählt, „die Präsenz“ ihres außergewöhnlichen Lehrers in dieser vielfältigen Musik spüre (das gesamte Porträt von „‚Candide‘: Hinter den Kulissen“ am 28.1., 10.00 Uhr, in ORF2 – mehr dazu in tv.ORF.at).

Szenenbild aus Candide
Werner Kmetitsch
Lydia Steier setzt auf bunte, aber auch drastische Bilder in ihrem Wiener „Candide“

In Wien ist die überarbeitete Form von „Candide“ zu erleben, für die Hugh Wheeler die Vorlage Voltaires aus dem 18. Jahrhundert überarbeitet hat. War damals das Erdbeben von Lissabon das Ereignis, das die Welt erschütterte, so war es für Bernstein der Kalte Krieg, der seine Welt aus den Fugen brachte.

In Wien zeigt Regisseurin Lydia Steier „Candide“ als sehr grelles Guckbühnen-Spektakel. Sie scheut nicht davor zurück zu zeigen, wohin Candides und Voltaires Wunsch, die beste aller Welten zu feiern, führen kann: in den Terror der Französischen Revolution – einen ähnlichen Zugang hatte sie hinter ihrer Salzburger „Zauberflöte“ gewählt.

Besonderes Event für RSO Wien

Für das RSO-Wien als Orchester dieser Inszenierung ist „Candide“ ein besonderes Event. Nicht nur, weil die musikalische Leiterin hier in Wien erstmals im Musiktheater auf der Bühne steht und Bernstein ihr Lehrer war.

Im April 1963 fand im großen Sendesaal des Funkhauses Wien die erste Aufführung von „Candide“ in deutscher Sprache statt. Die Rundfunkbearbeitung und Regie stammte damals von Marcel Prawy. Samuel Krachmalnick leitete Orchester und Chor des ORF.

Heute erlebt die Welt eine Krise nach der anderen und die satirische Operette „Candide“ beschreibt die Verrücktheit dieser Welt besser denn je. Bernsteins Partitur, die er selbst mehrfach umgearbeitet hat, ist eine Hommage an die europäische Musikgeschichte, voll parodistischem Witz und brillant instrumentiert.