Polizeieinsatz in Moskau
Reuters/Shamil Zhumatov
„Falsche“ Infos über Armee

Russland plant Beschlagnahme von Eigentum

Das russische Parlament plant ein Gesetz zur Beschlagnahme von Geld und Eigentum bei der Verbreitung angeblicher Falschinformationen über das Militär. Die Maßnahmen sollten auch bei Personen greifen, die sich anderer Formen des Verrats schuldig gemacht hätten, sagte der einflussreiche Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin am Sonntag.

Weiters umfasst wäre eine Diskreditierung der Streitkräfte, der Aufruf zu Sanktionen gegen Russland und die Anstiftung zu extremistischen Aktivitäten. Der Gesetzesentwurf, der nach Angaben von Staatsmedien von allen großen Fraktionen des Parlaments unterstützt wird, werde laut Wolodin am Montag in die Duma eingebracht. Die Duma ist das Unterhaus des russischen Parlaments.

„Schurken, die Schmutz werfen, bestrafen“

„Jeder, der versucht, Russland zu zerstören, der es verrät, muss die verdiente Strafe erhalten und für den Schaden, den er dem Land zugefügt hat, aufkommen“, so Wolodin via Telegram. Es sei nötig, „Schurken“ zu bestrafen, „die mit Schmutz werfen auf unser Land, Soldaten und Offiziere, die an der militärischen Spezialoperation teilnehmen“. „Militärische Spezialoperation“ ist die offizielle russische Bezeichnung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Das Gesetz ermögliche es, „Geld, Wertgegenstände und anderes Eigentum zu beschlagnahmen, die verwendet wurden oder bestimmt sind für die Finanzierung von krimineller Tätigkeit gegen die Sicherheit der Russischen Föderation“. Wolodin listete acht Vergehen auf, die zu einer Enteignung der Betroffenen führen können, darunter etwa auch die Forderung und Unterstützung von Sanktionen gegen Russland.

Wolodins Stimme hat großes Gewicht

Das Gesetz muss drei Lesungen in der Duma und dann den Föderationsrat (Oberhaus) passieren, bis es Kreml-Chef Wladimir Putin per Unterschrift in Kraft setzt. Initiativen Wolodins werden in der Regel durch alle Instanzen durchgewunken.

Der Vorsitzende der russischen Duma, Wjatscheslaw Wolodin
Reuters/WANA
Wolodins Gesetzesvorstoß hat sehr gute Chancen auf Annahme

Schon jetzt kann der Vorwurf der Verbreitung von „Falschinformationen“ über die Armee Haftstrafen von bis zu 15 Jahren nach sich ziehen. Er wird von den Behörden dazu benutzt, jede Form abweichender Meinungen zu unterdrücken. Nach dem Gesetz können Informationen über die Offensive in der Ukraine, die nicht aus offiziellen Regierungsquellen stammen, als „falsch“ eingestuft werden, ihre Verbreitung kann strafrechtlich verfolgt werden.

Tausende Kriegsgegner inhaftiert

Russland hatte Kritik am Militär kurz nach dem Beginn seines Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 für illegal erklärt. Seitdem wurden Tausende Gegner und Gegnerinnen des Konflikts inhaftiert. Erst am Donnerstag war ein Menschenrechtsaktivist zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Gregory Winter habe mit seinen Interneteinträgen „eine unbegrenzte Anzahl von Leuten in die Irre geführt und die Streitkräfte der Russischen Föderation diskreditiert“, befand ein Gericht in Winters Heimatort Tscherepowets, etwa 500 Kilometer nördlich von Moskau.

Festnahmen in Baschkortostan

Größere Proteste zur Unterstützung eines Oppositionellen gab es zuletzt in der russischen Republik Baschkortostan. Mehrere Teilnehmende wurden zu mehrtägigen Haftstrafen verurteilt. Die Angeklagten hätten „an einer nicht genehmigten öffentlichen Veranstaltung“ in der Kleinstadt Baimak teilgenommen, erklärte das örtliche Gericht am Freitag. Die Richter verhängten den Angaben zufolge Gefängnisstrafen zwischen acht und 15 Tagen.

Demonstranten und Polizei in Baymak
APA/AFP/Anya Marchenkova
In Baimak kam es am Mittwoch zu einem gewalttätigen Einsatz der Polizei gegen Demonstrierende

Die nun Verurteilten waren am Mittwoch bei einer Demonstration vor einem Gerichtsgebäude in Baimak festgenommen worden. Mit ihrem Protest wollten sie den lokalen Umweltaktivisten Fail Alsynow unterstützen, der den Angriff Russlands auf die Ukraine scharf kritisiert hatte und wegen „Anstachelung zum Hass“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Alsynow lehnt den Goldabbau in der Uralregion ab und setzt sich für den Schutz der Sprache der ethnischen Baschkiren ein.

Tausende Menschen auf der Straße

Laut der russischen Menschenrechtsgruppe OWD-Info gingen daraufhin 6.000 Menschen auf die Straße, rund zwanzig Teilnehmende der Demonstration seien festgenommen worden. Nach Angaben der russischen Justiz vom Vortag waren bereits sechs weitere Teilnehmer einer Demonstration zur Unterstützung von Alsynow ebenfalls zu mehrtägigen Haftstrafen verurteilt worden.

Am Freitag versammelten sich in Ufa trotz eines starken Polizeiaufgebots Medienberichten zufolge erneut rund 2.000 Menschen. Die Polizei in der Gebietshauptstadt ging dabei hart vor und nahm mehrere Menschen fest, wie OWD-Info berichtete. In sozialen Netzwerken kursierten Videos von friedlichen Männern und Frauen, die sich an den Händen hielten und Sprechchöre anstimmten. Wenig später tauchten Bilder von Menschen in Gefangenentransportern auf.

Kreml: „Keine Massenproteste“

Baschkortostan liegt etwa 1.300 Kilometer östlich von Moskau, die namengebende Volksgruppe sind die muslimischen Baschkiren. „Es gibt dort keine Massenunruhen und Massenproteste“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zwar. Doch tatsächlich handelt es sich rund zwei Monate vor der geplanten russischen Präsidentenwahl um eine der größten Protestbewegungen in Russland seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Generell haben inzwischen Hunderttausende Russen und Russinnen ihre Heimat verlassen. Viele Prominente kritisieren aus dem Ausland Putin und den verlustreichen Krieg gegen die Ukraine. Weil sie nicht mit Lagerhaft bestraft werden können, wird in Russland seit Langem darüber diskutiert, wie die Justiz diese Bürger trotzdem belangen kann.