Demonstration in Bremen
IMAGO/Axel Kaste
„Demokratie schützen“

Wieder deutsche Großdemos gegen rechts

Deutschlandweit finden am Sonntag erneut zahlreiche Großdemos für Demokratie und gegen Rechtsextremismus statt. In Köln und Bremen kamen Zehntausende, in München laut Veranstalter sogar 200.000. Dort musste die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief indes zu einem Bündnis aller Demokratinnen und Demokraten auf.

Etwa 200.000 Menschen haben nach Angaben der Veranstalter am Sonntag an der Großdemonstration gegen Rechtsextremismus in München teilgenommen. „Wir gehen auf die 200.000 zu“, wurde dort über Lautsprecher mitgeteilt. Die Kundgebung wurde im Anschluss aus Sicherheitsgründen abgebrochen, da der Veranstaltungsbereich in der Innenstadt völlig überfüllt war.

Zehntausende Menschen demonstrierten am Sonntag auch in Köln gegen die AfD und für die Demokratie. Nach Angaben eines Polizeisprechers kamen für einen Demozug von der Deutzer Werft durch die Innenstadt und eine wenig später anlaufende Demo des aus mehr als 50 Parteien, Organisationen und Initiativen bestehenden Bündnisses „Köln stellt sich quer“ insgesamt „sicherlich mehrere Zehntausend Menschen“ zusammen.

Demonstration in Bremen
IMAGO/Axel Kaste
Zehntausende kamen zur Demo in Bremen

Veranstalter sprachen sogar von mehr als 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – und weiteren, die auf dem Weg seien. Die Kundgebung mit dem Titel „Demokratie schützen, AfD bekämpfen“ wird auch von den Bands Kasalla, Höhner, Cat Ballou, Bläck Föös, Paveier und Brings unterstützt.

„Kein Kölsch für Nazis“

Demonstrantin Lisa (18) sagte am Sonntag in Köln: „Nichts sagen wird schon als Zustimmung gewertet, deshalb sind wir hier und sagen ‚Nein‘ zu Rassismus.“ Unzählige Plakate trugen bunte Aufschriften wie „Hass macht krank“ oder „Kein Kölsch für Nazis“. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) appellierte an die Demoteilnehmer, in den Dialog zu treten gegen Hass und Menschenfeindlichkeit. „Wir sind die, die Demokratie verteidigen. Sprechen Sie mit denen, die die Demokratie angreifen.“

Zwischen 35.000 und 40.000 Menschen versammelten sich in Bremen nach Schätzung der Polizei zur Kundgebung „Laut gegen rechts“. Teilnehmende hielten Schilder mit Sprüchen wie „Apfelmus statt Faschismus“ oder „Rechtsaußen finde ich nur bei Werder gut“.

300.000 am Samstag bei Protesten

Bereits am Samstag hatten Zählungen der Polizei und der Veranstalter zufolge deutschlandweit insgesamt mindestens 300.000 Menschen demonstriert. Allein in Frankfurt am Main und in Hannover waren es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern jeweils 35.000 Menschen.

Bundespräsident fordert Bündnis aller Demokraten

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wertete die Kundgebungen in ganz Deutschland als Zeichen der Stärke. Die Demonstranten seien ganz unterschiedliche Menschen, hätten aber eines gemeinsam, erklärte Steinmeier in einer am Sonntag verbreiteten Videobotschaft. „Sie stehen jetzt auf gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“, sagte Steinmeier.

Steinmeier rief zu einem Bündnis aller Demokratinnen und Demokraten auf. Die Zukunft der Demokratie hänge nicht von der Lautstärke ihrer Gegner ab, sondern von der Stärke derer, die die Demokratie verteidigten. „Zeigen wir, dass wir gemeinsam stärker sind“, erklärte das Staatsoberhaupt.

Demonstration in Cottbus
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Demo gegen Rechtsextreme in Cottbus

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wertete die Demonstrationen als ermutigendes Zeichen für die Demokratie. „Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen“, sagte der Grünen-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag-Ausgabe). Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, bezeichnete die Demonstrationen als „gut und wichtig“, forderte zugleich aber weiteren Einsatz.

„Das Gespräch suchen“

„Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis“, forderte ähnlich wie Steinmeier auch die SPD-Politikerin gegenüber der „Zeit“ (Onlineausgabe). „Und das bedeutet mehr; als ein paarmal auf die Straße zu gehen.“ Alle müssten für die vielfältige Gesellschaft einstehen. „Das heißt, das Gespräch suchen: im Verein, am Arbeitsplatz, in der Familie und unter Freunden. All den rassistischen Sprüchen widersprechen, von denen immer behauptet wird, die wären gar nicht so gemeint.“

Extremismusforscherin über Proteste gegen rechts

Die Extremismus- und Radikalisierungsforscherin Julia Ebner spricht unter anderem über die Proteste gegen rechts in Deutschland und über ein mögliches Verbot der AfD. Darüber hinaus spricht sie über die Gefahren, die von rechtsradikalen Parteien ausgehen.

Auschwitz-Komitee: Lange darauf gehofft

Das Internationale Auschwitz Komitee dankte den Menschen, die im ganzen Land protestierten. „Überlebende des Holocaust sind all denjenigen, die in diesen Tagen gegen den Hass und die Lügenwelt der Rechtsextremen auf die Straße gehen, mehr als dankbar. Sie empfinden diese Demonstrationen als ein machtvolles Zeichen der Bürgerinnen und Bürger und eine Belebung der Demokratie, auf die sie lange gehofft und gewartet haben“, teilte Exekutivvizepräsident Christoph Heubner am Samstagabend mit.

Auslöser für die Proteste sind die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.