Boeing 737 an einem Gate
IMAGO
Kritik an Kontrollen

Boeings 737 bleibt auf dem Prüfstand

Maschinen des Typs Boeing 737 bleiben auf dem Radar der US-Flugaufsicht. Nach einem äußerst kritischen Zwischenfall mit einer 737 Max 9 Anfang Jänner ist eine erste Untersuchung abgeschlossen. Allerdings rückt nun ein älteres Modell in den Fokus der Federal Aviation Agency (FAA). Sie empfiehlt auch eine Inspektion der 737-900ER. Inzwischen wurde auch Kritik an einer Art Sonderstatus von Boeing wegen des wirtschaftlichen Gewichts des Flugzeug- und Rüstungskonzerns laut.

Begonnen hatten die akuten Probleme am 5. Jänner. Eine beinahe neue Boeing 737 Max 9 der US-Fluggesellschaft Alaska Airlines (Flug 1282) auf dem Weg von Portland (US-Bundesstaat Oregon) nach Kalifornien verlor im Steigflug auf 4.900 Meter Höhe einen Teil der Kabinenwand. Im Rumpf klaffte ein Loch, die Piloten konnten die Maschine notlanden, die 177 Menschen an Bord kamen weitgehend mit einem Schrecken davon.

Als Konsequenz ordnete die FAA ein Startverbot für Maschinen mit dem entsprechenden Bauteil, rund 170 weltweit, an. Die Alaska Airlines und United Airlines, die zweitgrößte Betreiberin der 737 Max 9, berichteten von lockeren Schraubverbindungen. Der herausgebrochene Kabinenteil wurde später in einem Garten in Portland gefunden. Die FAA sah sich Produktionslinien genauer an, erste Untersuchungen sind inzwischen abgeschlossen.

Neue Prüfung an älteren Modellen empfohlen

Am Sonntag (Ortszeit) empfahl die FAA nun allerdings Betreibern des älteren Typs 737-900 ER „als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme“, die Blenden vor nicht benötigten Notausgängen zu überprüfen, um sicherzugehen, dass diese festsitzen, wie es auf der Website der US-Flugaufsichtsbehörde hieß. Bei dem Modell habe Boeing dieselbe Konstruktion wie bei der neueren 737 Max 9 verwendet.

Unglücksmaschiene der Alaska Airlines 737 Max 9
APA/AFP/Getty Images/Mathieu Lewis-Rolland
Die Maschine der Alaska Air mit einem Loch im Rumpf

Bei der 737-900ER handelt es sich um eine Variante der Max-Vorgängerin 737 NG mit vergrößerter Reichweite (ER für Extended Range). Im Rumpf dieses Typs befindet sich wie bei der 737 Max 9 auf jeder Seite ein Rahmen für einen nicht benötigten Notausgang, der statt mit einer Tür mit einem festen Rumpfteil verschlossen ist. Einen solchen hatte die Maschine der Alaska Airlines verloren, im Rumpf klaffte ein entsprechend türgroßes Loch. Von der 737-900ER wurden laut Boeing 505 Stück ausgeliefert. Zu ihren größten Betreibern gehören neben den Alaska Airlines wiederum United Airlines.

Boeing räumte Fehler ein

Nach dem Zwischenfall mit der Maschine der Alaska Airlines hatte Boeing-Vorstandschef Dave Calhoun einen Fehler des Flugzeugbauers eingeräumt und Aufklärung versprochen. „Wir werden das zuallererst so angehen, dass wir unseren Fehler eingestehen“, sagte er fünf Tage danach vor Mitarbeitern.

Verlorenes Teil der Boeing 737 Max 9 der Alaska Airlines
AP/NTSB
Der 27 Kilogramm schwere Kabinenteil wurde in einem Garten in Oregon gefunden

Er sicherte „100-prozentige Transparenz“ zu, damit ein vergleichbarer Vorfall „nie wieder passieren kann“. Boeing werde mit den Ermittlern der US-Verkehrsbehörde National Transportation Safety Board (NTSB) kooperieren, die die Panne untersuchte.

Großauftrag trotz Problemen

Boeing teilte weiter mit, dass die entdeckten Mängel als „Qualitätskontrollproblem“ behandelt würden und sowohl bei Boeing als auch beim Zulieferer Spirit Aerosystems Überprüfungen im Gange seien. Das Unternehmen habe seine Werke und die seiner Zulieferer angewiesen, umfassende Kontrollen von Systemen und Prozessen durchzuführen, hieß es in einer Stellungnahme („Unser Bekenntnis zu Sicherheit und Transparenz“) auf der Website des US-Konzerns.

Wegen der Panne mussten United Airlines täglich bis zu 225 und Alaska Airlines 109 Flüge täglich streichen. Die Aktie von Boeing verlor zwischendurch bis zu 20 Prozent an Wert. Trotz der Probleme erhielt Boing vor wenigen Tagen einen Großauftrag aus Indien. Die erst vor zwei Jahren gegründete Airline Akasa Air bestellte 150 Jets aus den Baureihen 737 Max 8 und Max 10, wie das Unternehmen mitteilte. Die bestellten Maschinen sollen bis 2032 geliefert werden.

„Pfeiler“ der US-Wirtschaft

Boeing musste sich mehrfach den Vorwurf gefallen lassen, zugunsten des Umsatzes bei der Qualität zu sparen. Es stelle sich die Frage, ob auf Probleme ausreichend reagiert worden sei, hieß es kürzlich im National Public Radio (NPR). Boeing sei „kein gewöhnliches Unternehmen“, sondern ein „Pfeiler der US-Wirtschaft“ sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich und unterhalte als solcher auch ein Naheverhältnis zur Regierung in Washington.

Nicht nur, dass der Konzern über 140.000 Menschen in den USA beschäftigt und über 60 Milliarden Dollar (55 Milliarden Euro) pro Jahr umsetzt, sei er auch Auftraggeber für unzählige Zulieferer, so der US-Sender. Die US-Regierung habe ein Interesse daran, dass Boeing möglichst viele Flugzeuge verkaufe. Und Boeing seinerseits habe keinen geringen Einfluss auf die Politik.