Anhöhrung im Bundesverfassungsgericht
Reuters/Uwe Anspach
Deutschland

Urteil gegen NPD heizt Debatte über AfD an

Der rechtsextremen Nachfolgepartei der NPD wird die staatliche Finanzierung für sechs Jahre gestrichen. Das deutsche Verfassungsgericht begründete am Dienstag sein Urteil damit, die inzwischen in Die Heimat umbenannte Partei sei darauf ausgerichtet, die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Das heizt die Debatte über die ebenfalls in Teilen rechtsextreme AfD an.

Das Verfahren war das erste dieser Art am höchsten deutschen Gericht. Die Möglichkeit, verfassungsfeindliche Parteien von der öffentlichen Finanzierung auszuschließen, war 2017 eingeführt worden, nachdem ein Verbotsverfahren gegen die NPD zum zweiten Mal gescheitert war. 2019 stellten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung einen entsprechenden Antrag in Karlsruhe.

Im Grundgesetz heißt es dazu: Parteien, „die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“, seien von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen.

Pfeifer (ORF) zur Finanzierung der NPD

ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer spricht zur Streichung der staatlichen Finanzierung der rechtsextremen NPD.

Umbenennung brachte keine Umorientierung

Entscheiden muss darüber das deutsche Verfassungsgericht. Dieses definierte die Voraussetzungen nun näher. Die Formulierung „darauf ausgerichtet“ setze ein „qualifiziertes und planvolles Handeln“ voraus, erklärte es. Im Fall der Partei Die Heimat belegten ihre Organisationsstruktur, die regelmäßige Teilnahme an Wahlen und weitere Aktivitäten sowie die nationale und internationale Vernetzung, dass diese auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgerichtet sei.

Anders als bei einem Parteiverbot sei es nicht notwendig, dass die betroffene Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele potenziell auch erreichen kann. Die Voraussetzungen für den Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung liegen bei Die Heimat vor, wie Gerichtsvizepräsidentin Doris König erläuterte. Die Partei sei nach wie vor verfassungsfeindlich. Die Umbenennung habe nicht dazu geführt, dass sie sich inhaltlich neu aufgestellt habe.

NPD-Flagge
Reuters/Fabian Bimmer
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) hat sich inzwischen in Die Heimat umbenannt

Mögliche Folgen mit hohen Hürden

Diskutiert werden dürfte nun, inwieweit sich die Entscheidung des Höchstgerichts auf die AfD auswirken könnte. Deren Bedeutung ist weit größer, als es die der NPD einst war. Es ginge auch um deutlich mehr Geld. Während die NPD zum letzten Mal 2020 staatliche Zuschüsse bekam, und zwar etwa 370.600 Euro, waren es bei der AfD beispielsweise 2022 knapp zehneinhalb Millionen Euro. In den vergangenen Jahren hatte Die Heimat wegen mangelnder Wahlerfolge keine öffentlichen Gelder mehr bekommen.

Einige Politiker und Politikerinnen und Fachleute für Verfassungsrecht plädieren dafür, statt eines Verbots der AfD deren Ausschluss von staatlicher Finanzierung anzustreben. Das bedeutet aber nicht, dass dieser einfach so öffentliche Mittel gestrichen werden können. Tatsächlich wäre das wohl kaum einfacher, als die Partei ganz zu verbieten. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss von der Parteienfinanzierung seien „nicht weniger anspruchsvoll als die Voraussetzungen für ein Verbot“, sagte die frühere Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Damit das Verfassungsgericht das Streichen öffentlicher Gelder für die AfD überhaupt prüfen könnte, müssten Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung einen entsprechenden Antrag stellen. Das Verfahren würde voraussichtlich Jahre dauern.

Menschen protestieren gegen die AFD
Reuters/Annegret Hilse
An den Demos gegen Rechtsextremismus nahmen zuletzt in deutschen Städten über 900.000 Menschen teil

Scholz: Feinden der Freiheit nicht viel Raum bieten

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) schlug unmittelbar nach der Urteilsverkündung einen Bogen zur AfD, ohne diese namentlich zu nennen, indem sie auf die Massenkundgebungen vom Wochenende gegen die Partei verwies und erklärte: „Diese Entscheidung fällt in eine Zeit, die eines erneut zeigt: Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie.“

Dass rechtsextreme Netzwerke Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft massenhaft aus Deutschland vertreiben wollten, „das ist ein Angriff auf die Grundfesten unserer Gesellschaft“, sagte Faeser. Sie bezog sich damit auf Berichte über ein Treffen Rechtsextremer – darunter einiger AfD-Politiker – im November in Potsdam, bei dem über Pläne von Massenvertreibungen und Deportationen von Menschen ausländischer Herkunft gesprochen worden sein soll.

Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte das Karlsruher Urteil und kündigte an, mögliche Auswirkungen auf andere Fälle zu prüfen. Die Entscheidung des Gerichts bestätige, „dass man den Feinden der Freiheit nicht viel Raum bieten darf“, sagte Scholz. Man werde sich nun genau anschauen, „was uns das in anderen Zusammenhängen sagt, die uns interessieren können“.

Innenministerin Nancy Faeser zusammen mit Kanzler Olaf Scholz
Reuters/Liesa Johannssen
Scholz und Faeser erhoffen sich von dem Urteil Auswirkungen auf andere Fälle

„Blaupause“ oder „nicht übertragbares“ Urteil?

Andere Kräfte der „Ampelkoalition“ äußerten sich verhaltener. FDP-Chef Christian Lindner mahnte Zurückhaltung bei der Frage ein, ob auch der AfD die Parteienfinanzierung beschnitten werden solle. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien des demokratischen Zentrums sich einer unliebsamen Konkurrenz erwehren wollen, indem sie auf Mittel des Parteienrechts zurückgreifen“, sagte Lindner.

Auch die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sieht in dem Karlsruher Urteil zunächst keine Folgen für die AfD. Ihre Fraktion werde „sehr, sehr gründlich betrachten, welche Rückschlüsse daraus zu ziehen sind“, sagte Haßelmann. „Aber erstmal ist das Urteil nicht einfach übertragbar.“

Anders schätzt CSU-Chef Markus Söder die Entscheidung ein, auf X (Twitter) schrieb er von einer „Blaupause für die AfD“. Söder hatte in der aktuellen Debatte über ein mögliches AfD-Verbot schon zuvor die Option eines Finanzierungsausschlussverfahrens ins Gespräch gebracht. Aus Sicht der Ex-NPD wurde mit der Entscheidung „eine missliebige Konkurrenz von dieser Förderung verbannt“. Es sei ein Exempel gegen eine „volkstreue Partei“ statuiert worden, hieß es. „Hat es jetzt Die Heimat getroffen, steht jetzt erwartungsgemäß die AfD im Fokus.“