Blick auf Explosion nach Absturz
Reuters
Kriegsgefangene an Bord?

Russischer Militärjet abgestürzt

Ein russisches Militärtransportflugzeug mit mehr als 70 Menschen ist russischen Angaben zufolge am Mittwoch über dem Gebiet Belgorod an der Grenze zur Ukraine abgestürzt. An Bord der Maschine vom Typ Iljuschin Il-76 seien 65 ukrainische Kriegsgefangene gewesen, meldeten die russischen Nachrichtenagenturen TASS und RIA. Russischen Angaben zufolge seien alle Passagiere an Bord gestorben. Moskau erhob schwere Vorwürfe gegen Kiew. Aus der Ukraine hieß es lediglich, man prüfe die Angaben.

Die Lage ist unterdessen unübersichtlich: Ob sich an Bord der Maschine tatsächlich ukrainische Gefangene befunden hatten, lässt sich aktuell noch nicht unabhängig überprüfen, ebenso wenig wie die russischen Vorwürfe gegenüber Kiew. Laut TASS hätten sich zusätzlich zu den von Russland gemeldeten 65 Gefangenen neun russische Besatzungsmitglieder an Bord befunden. RIA berichtete von sechs Besatzungsmitgliedern und drei weiteren Personen.

Die Gefangenen seien zu einem geplanten Austausch geflogen worden, hieß es weiter. Eine spezielle Militärkommission sei auf dem Weg zur Absturzstelle, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Absturzursache ist noch nicht bekannt. Das russische Außenministerium warf der Ukraine einem staatlichen Medienbericht zufolge vor, das abgestürzte Militärflugzeug abgeschossen zu haben. Das Verteidigungsministerium erklärte, dass russische Radarsysteme den Start zweier ukrainischer Raketen registriert hätten.

ORF-Korrespondent zum Absturz des Militärjets

Ein russisches Militärtransportflugzeug mit mehr als 70 Menschen ist russischen Angaben zufolge am Mittwoch über dem Gebiet Belgorod an der Grenze zur Ukraine abgestürzt. ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz meldet sich mit den neuesten Erkenntnissen.

Russischer Abgeordneter mit schweren Vorwürfen

Ermittler und Rettungsdienste seien an Ort und Stelle, er selbst werde ebenfalls zur Absturzstelle reisen, meldete Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Die Absturzstelle lag nach russischen Angaben bei dem Ort Jablonowo. Dieser liegt 50 Kilometer nordöstlich von Belgorod wie auch etwa 50 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Die BBC war unterdessen in der Lage, ein online kursierendes Video, das ein abstürzendes Flugzeug in der Region Belgorod zeigt, zu verifizieren.

Der Chef des Verteidigungsausschusses in der russischen Staatsduma, Andrej Kartapolow, behauptete während einer Parlamentssitzung, das Flugzeug sei von drei Raketen über dem Süden Russlands abgeschossen worden. Außerdem warf er Kiew vor, von dem Transport der Kriegsgefangenen gewusst zu haben. Kartapolow zufolge befand sich auch eine weitere Maschine mit 80 weiteren Gefangenen an Bord auf dem Weg zu einem Gefangenenaustausch. Nach dem Vorfall hätte diese jedoch gewendet. Beweise für die Angaben legte er nicht vor. Die Region Belgorod geriet in den vergangenen Monaten immer wieder vom Nachbarland aus unter Beschuss. Bei einem Raketeneinschlag im Dezember wurden 25 Menschen getötet.

Ukrainische Medien: Flugabwehrraketen an Bord

Aus Kiew kamen widersprüchliche Angaben: Aus einem ersten Bericht von Ukrajinska Prawda wurden Angaben zu einem Abschuss wieder herausgenommen. Es hieß, das ukrainische Militär habe in dem Flugzeug Nachschub von russischen Flugabwehrraketen S-300 vermutet. Dann meldete die Agentur Interfax Ukrajina unter Berufung auf Militärquellen, es sei ein Flugzeug abgeschossen worden – allerdings nach dessen Start von Belgorod.

Ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes gab gegenüber Radio Liberty an, dass für Mittwoch ein Gefangenenaustausch geplant sei. Dieser habe noch nicht stattgefunden, betonte er. Er fügte hinzu, dass Kiew die russischen Angaben in Zusammenhang mit dem Absturz prüfe.

Der ukrainische Koordinierungsstab für die Angelegenheiten von Kriegsgefangenen äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Man sammle und analysiere alle Informationen, teilte der Stab auf Telegram mit. Die Bürger sollten offizielle Mitteilungen abwarten. Zugleich betonte der Stab, dass Russland spezielle Desinformationskampagnen gegen die Ukraine führe, „um die ukrainische Gesellschaft zu destabilisieren“. Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren einen russischen Angriffskrieg ab – an diesem Mittwoch ist der 700. Kriegstag.