Plakate der Präsidentschaftskandidaten vor Präsidentenpalast
APA/AFP/Lehtikuva/Emmi Korhonen
Amt mit mehr Gewicht

Finnland wählt neuen Präsidenten

In Finnland findet am Sonntag die Präsidentschaftswahl statt. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und dem zunehmenden Antagonismus mit Russland hat das Amt neues Gewicht gewonnen. Insgesamt bewerben sich sechs Kandidaten und zwei Kandidatinnen um das oberste Amt in dem Land, das nach Jahrzehnten der Neutralität zum NATO-Mitglied wurde.

Der finnische Staatspräsident wird für jeweils sechs Jahre direkt vom Volk gewählt. Der amtierende Staatspräsident Sauli Niinistö kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. In Bezug auf die Beziehungen zu Ländern außerhalb der EU hat der Präsident außenpolitische Befugnisse. Der bisherige Amtsinhaber Niinistö spielte bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine in der Tradition seiner Amtsvorgänger eine betont gemäßigte Rolle gegenüber Moskau und traf auch mehrmals mit Präsident Wladimir Putin zusammen.

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine stiegen die Sorgen vor möglichen russischen Expansionsgelüsten – Finnland war von 1809 bis Ende des Ersten Weltkriegs Teil des Zarenreichs. Und Finnland teilt eine 1.340 Kilometer Landgrenze mit Russland. Helsinki sicherte sich sicherheitspolitisch ab und stellte seine jahrzehntelange Politik über Nacht um: Das betont neutrale Land stellte 2022, wenige Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, einen Beitrittsantrag an die NATO und wurde 2023 offiziell Mitglied.

Zwei verlorene Kriege

Helsinki hatte nach zwei verlustreichen Kriegen 1939 und 1941 einen Vertrag mit Moskau unterschrieben, dessen Inhalt von Moskau diktiert worden war. Neben Gebietsverlusten verpflichtete sich Helsinki zudem, außenpolitische Weichenstellungen mit der Sowjetunion vorab abzuklären.

Entscheidend bei strategischer Neuausrichtung

Die Besorgnis angesichts zunehmend drohender Töne aus Moskau war bereits davor groß. In seiner Neujahrsansprache 2022 hatte Niinistö einen NATO-Beitritt erstmals – noch als reine Option – in den Raum gestellt und damit nicht nur Moskau, sondern auch die eigene Bevölkerung überrascht. Und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar ging es ganz schnell: Binnen Monaten war das neutrale Land NATO-Mitglied. Durch diese strategische Neuorientierung nahm die Bedeutung des Präsidentenamtes in Finnland weiter zu.

Klare Favoriten für Stichwahl

Laut den Umfragen der letzten Wochen zeichnet sich eine Stichwahl zwischen dem früheren Ministerpräsidenten Alexander Stubb (Konservative) und Ex-Außenminister Pekka Haavisto (Grüne) ab. Eine Stichwahl – zwei Wochen später – ist notwendig, wenn kein Kandidat die erforderliche absolute Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen erhält.

Stubb lag in Umfragen eine Woche vor dem Wahlsonntag bei rund 24 Prozent, Haavisto bei 21 Prozent. Alternative Studien sahen die beiden Kandidaten hingegen gleichauf. Außenseiterchancen, in die voraussichtlich am 11. Februar stattfindende Stichwahl zu kommen, werden außerdem noch dem Kandidaten der weit rechts stehenden Basisfinnen, Jussi Halla-Aho, eingeräumt.

Stubb als Vertreter der Bürgerlichen

Der 55-jährige Stubb stammt aus einer zweisprachigen Familie (Finnisch und Schwedisch) und kam als Europaexperte in die Politik, wurde 2011 Europaminister und war 2014 bis 2015 nach dem Rücktritt von Jyrki Katainen Ministerpräsident. Bis zur Bekanntgabe seiner Kandidatur für das Amt des Präsidenten hielt sich Stubb mehrere Jahre von der finnischen Politik fern. Er genießt vor allem in der bürgerlichen Wählerschicht und in der Wirtschaft große Unterstützung. Seine Gegner sehen ihn als arroganten Vertreter der wohlhabenden Elite.

Haavisto verhandelte NATO-Beitritt

Der um zehn Jahre ältere Haavisto diente in den 1990er Jahren als Umweltminister und führte als Außenminister der vergangenen Legislaturperiode Finnlands Verhandlungen mit der NATO. Haavisto bewirbt sich bereits zum dritten Mal um das Präsidentenamt, wobei er zweimal, 2012 und 2018, seinem konservativen Widerpart Niinistö in der Stichwahl unterlag. Haavisto ist mit einem Mann verpartnert. Er war Ende der 1990er Jahre das erste offen homosexuelle Regierungsmitglied in der EU.

Beobachter sehen aufgrund seiner in den vergangenen Wochen gestiegenen Umfragewerte Vorteile für Stubb, wobei die Entscheidung in der prognostizierten Stichwahl jedenfalls von den Wählerinnen und Wählern der anderen Kandidaten abhängt. An dritter Stelle mit rund 15 Prozent liegt Halla-Aho, gefolgt vom ehemaligen EU-Kommissar Olli Rehn.

Rehn als Kandidat der Zentrumspartei

Rehn geht als Vertreter der Zentrumspartei ins Rennen, die traditionell von der ländlichen Bevölkerung getragen wird und politisch in der konservativen Mitte angesiedelt ist. Für die Christlichen Demokraten ist die ehemalige Weltmeisterin im Gehen, Sari Essayah, im Rennen, die als ehemalige Europaparlamentarierin und Landwirtschaftsministerin auch eine solide politische Karriere hinter sich hat.

Im linken Wählerspektrum bewerben sich neben Haavisto die frühere Finanzministerin und aktuelle EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen (Sozialdemokraten), und die Chefin der Linkspartei, die 36-jährige Li Andersson. Zwei unabhängige Kandidaten – Unternehmer und Showmaster Hjallis Harkimo und Außenpolitikexperte Mika Aaltola runden den Pool der Präsidentschaftsbewerber ab. Der vermutlich kontroversiellste der Kandidaten, Halla-Aho, wurde vergangene Woche in einer Negativumfrage der Boulevardzeitung „Ilta-Sanomat“ am meisten als jener genannt, für den die Befragten auf keinen Fall stimmen würden.

Viele gaben vorab Stimmen ab

Bis zum vergangenen Wochenende hatten bereits rund eine Million Wahlberechtigte – etwa ein Viertel der Wählerschaft – ihre Stimme im Voraus abgegeben. Bei der vergangenen Wahl im Jahr 2018 lag die Wahlbeteiligung im ersten Durchgang am Ende insgesamt bei knapp 70 Prozent.