Pro-Abtreibungsdemo in Warschau
Reuters/Kacper Pempel
Polen

Tusk will Abtreibungsverbot kippen

Polens neuer Premier Donald Tusk rüttelt an einer weiteren Säule der konservativen Vorgängerregierung: Das sehr restriktive Abtreibungsrecht, de facto ein Verbot, soll liberalisiert werden. Tusk kündigte zudem am Mittwoch einen Gesetzesentwurf an, um den Zugang zur „Pille danach“ erheblich zu erleichtern.

Man sei bereit, „einen Entwurf zur legalen und sicheren Abtreibung bis zur zwölften Woche ins Parlament einzubringen“, sagte Tusk. Die Gesetzesnovelle sei der Vorschlag der Fraktion seiner Partei, der liberalkonservativen Bürgerkoalition. Tusks Mitte-links-Regierung gehören noch zwei weitere Parteien an, das Linksbündnis Lewica und der christlich-konservative Dritte Weg. „Wie Sie wissen, gibt es innerhalb der Koalition unterschiedliche Ansichten zu dieser Frage (der Abtreibung, Anm.)“, sagte Tusk.

Bisher hat das katholisch geprägte Polen eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Abtreibungen sind nur im Fall von Vergewaltigung oder Inzest erlaubt oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Abtreibungen wegen Fehlbildungen des Fötus wurden 2020 vom polnischen Verfassungsgericht untersagt. Das Urteil wird angesichts der damals heftigen Proteste von Kritikern auch als politisch motiviert angesehen.

Tusk kündigte auch einen Gesetzesentwurf an, um den Zugang zur „Pille danach“ zu erleichtern. Die von 2015 bis zu Tusks Amtsantritt im Dezember regierende rechtsnationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte im Zuge ihrer konservativen Familienpolitik auch eine Rezeptpflicht für die „Pille danach“ eingeführt und die staatliche finanzielle Unterstützung für künstliche Befruchtungen beendet.

Richtungskampf auch nach Wahl

Das liberal-konservative Wahlbündnis von Tusk hat sich zum Ziel gesetzt, mehrere von der PiS eingeführte Reformen wieder rückgängig zu machen. Das linksliberale und proeuropäische Lager hatte schon im Wahlkampf versprochen, das Abtreibungsrecht zu liberalisieren. Nach ihrem Wahlsieg im Oktober nahmen Tusk und seine Koalitionspartner die geplante Reform dann auch in ihren Koalitionsvertrag auf.

Der Gesetzesentwurf zur Legalisierung des Abtreibungsrechts sieht nun das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche vor, so Tusk. Der Entwurf für den erleichterten Zugang zur „Pille danach“ sieht seinen Angaben zufolge einen rezeptfreien Zugang zu dem Medikament zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft ab einem Alter von 15 Jahren vor.

Pro-Abtreibungsdemo in Warschau
Reuters/Kacper Pempel
Immer wieder demonstrierten Polinnen und Polen gegen das strenge Abtreibungsrecht und für Frauenrechte

Wann das Parlament über die Gesetzesentwürfe abstimmen wird, steht noch nicht fest. Tusk sagte, er könne dem Parlament binnen Stunden einen Entwurf vorlegen. Es werden hitzige Debatten erwartet. Wenn die Vorlagen verabschiedet werden, muss Polens konservativer Präsident Andrzej Duda die neuen Gesetze noch in Kraft setzen. Er steht der PiS-Partei nahe und ist als Abtreibungsgegner bekannt.

Weiter Konflikt um PiS-Politiker

Mit Duda steht Tusks Regierung in Streit – der Präsident stellte sich in Streitfragen wiederholt auf die Seite der PiS. Duda spielt auch eine maßgebliche Rolle im Konflikt zwischen Tusk und der PiS rund um zwei verurteilte PiS-Politiker. Am Mittwoch empfing Duda erneut Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und seinen früheren Staatssekretär Maciej Wasik im Präsidentenpalast – einen Tag nach deren Haftentlassung.

Die beiden Politiker waren am 9. Jänner verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast gesucht hatten.

Kaminski und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs in einer früheren Funktion zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda betonte am Dienstag erneut, aus seiner Sicht sei die Begnadigung aus dem Jahr 2015 weiter gültig. Trotzdem begnadigte er sie ein zweites Mal.

Ämterverbot ignoriert

Bei der für Donnerstag geplanten Parlamentssitzung könnte der Konflikt um Kaminski und Wasik erneut eskalieren. Beide dürfen laut Gerichtsurteil für fünf Jahre kein öffentliches Amt bekleiden und haben somit auch ihre Abgeordnetenmandate verloren. Sie erkennen das aber nicht an und wollen zu der Sitzung erscheinen.

Tusk kündigte eine weitere Strafverfolgung der wegen Amtsmissbrauchs verurteilten Politiker an. „Der Fall der Herren Kaminski und Wasik ist nicht abgeschlossen, er hat erst begonnen.“ Auch das, was die beiden in den vergangenen acht Jahren gemacht hätten, müsse noch gründlich von den Strafverfolgungsbehörden untersucht werden.