Produktion von Elektroautos in Jinhua
Reuters/China Daily
E-Mobilität und Energie

Chinas neuer grüner Wirtschaftsmotor

China ist mittlerweile auf dem Weg vom Klimasünder Nummer eins zum Musterschüler in Sachen erneuerbare Energien. Es ist mehr als ein Imagewandel: Grüne Technologie im Energiesektor war laut einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht bereits im letzten Jahr der wichtigste Wachstumsmotor der Volksrepublik.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA befindet sich inmitten eines strukturellen Wandels: Auf der einen Seite verbraucht China mit Abstand die meiste Kohle weltweit und produziert – vor den USA – die meisten klimaschädlichen Treibhausgase. Auf der anderen Seite entwickelt sich der Sektor erneuerbare Energien enorm schnell, etwa mit Technologien für die E-Mobilität.

Laut einem Bericht des finnischen Klimaforschungsinstituts Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) zeichneten grüne Investitionen zu 40 Prozent für die Zunahme der gesamten Wirtschaftsleistung der Volksrepublik verantwortlich. Dazu zählt das Institut neben Anlagen für Wind- und Sonnenenergie auch E-Autos, Schieneninfrastruktur, Energiespeicher und Effizienzmaßnahmen, Wasserkraft, aber auch Kernenergie. Das Label „erneuerbar“ für Atomkraft ist allerdings umstritten.

Enorme Investitionen

In den genannten Bereichen wurden laut Berechnung des auf Klimaschutzmaßnahmen spezialisierten Internetportals Carbon Brief in China im Vorjahr umgerechnet rund 816 Milliarden Euro investiert. Ohne diese Investitionen wäre Chinas Gesamtwirtschaftsleistung bzw. Bruttoinlandsprodukt um nur 3,0 statt 5,2 Prozent gewachsen. Der Sektor habe mehr als andere zum Wachstum beigetragen.

Windkraftwerk und Solarpanele in Yancheng
APA/AFP/Hector Retamal
„Integriertes“ Kraftwerk mit Windrädern und Photovoltaikanlagen in der Provinz Jiangsu im Osten Chinas

Die „neuen drei“: Sonnenenergie, E-Autos, Batterien

„Die Tatsache, dass sich China auf die Sektoren der sauberen Technologien stützt, um sein Wachstum anzukurbeln und seine wichtigsten wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, stärkt deren wirtschaftliche und politische Bedeutung“, hieß es zu den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen. Carbon Brief verwies in seiner Sektorenanalyse insbesondere auf die „neuen drei“, Sonnenenergie, E-Mobilität und Batterien bzw. Speicher.

Allerdings gebe es mittlerweile bereits Warnungen, dass die Entwicklung zu schnell gehen könnte bzw. Überkapazitäten drohten. Der Markt könne nur eine begrenzte Menge an Sonnenenergie, Batterien und anderen sauberen Technologien aufnehmen. Im Fokus liegt hier besonders die Autoindustrie: Chinas stellvertretender Industrieminister Xin Guobin etwa kritisierte vergangene Woche, dass einige Unternehmen „blindlings übereilt überflüssige Projekte“ im Bereich Elektro- und Hybridfahrzeuge gebaut hätten. China holt besonders auf dem Markt für E-Autos stark auf.

Globaler Ausbau im Rekordtempo

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) hat der Ausbau erneuerbarer Energien im vergangenen Jahr weltweit ein Rekordtempo erreicht. 2023 seien neue Ökostromanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 500 Gigawattstunden (GWh) errichtet worden, was einem Plus von 50 Prozent gegenüber 2022 und den aktuellen Ökoenergiekapazitäten Deutschlands, Frankreichs und Spaniens zusammengenommen entspreche.

E-Autos vor dem „BYD Explorer NO.1“
APA/AFP
E-Autos warten auf das Verladen auf die „BYD Explorer“, einen für den Export gebauten Frachter

In China gingen laut IEA 2023 im Jahresvergleich um 66 Prozent mehr Windkraftanlagen ans Netz. Der Ausbau geschehe angesichts des Klimawandels global gesehen immer noch zu langsam. Die IEA mahnte die Industrieländer und die großen Schwellenländer, in die Modernisierung der Netze zu investieren, um sie fit für den Strom aus Erneuerbaren zu machen.

Musterschüler und Klimasünder

Mehrere der großen Schwellenländer, die viel Energie für die Industrie benötigen, befinden sich in einem unterschiedlich schnellen Wandel. Neben dem globalen Rekord beim Ausbau erneuerbarer Energien wurde im Vorjahr laut Zahlen der IEA vom Dezember weltweit so viel Kohle verbrannt wie nie zuvor.

Kohlekraftwerk in Schanghai
Reuters/Aly Song
Kohlekraftwerk in Schanghai (2021)

Der Gesamtverbrauch sei um 1,4 Prozent auf 8,5 Milliarden Tonnen gestiegen. Damit könnte allerdings bereits der „Scheitelpunkt“, der Höchststand, erreicht worden sein und der Verbrauch langsam zu sinken beginnen. Die Nachfrage in Europa und den USA geht laut IEA zurück, während sie in Asien zuletzt stark stieg.

Kohleverbrauch in Asien stark gestiegen

Allein in China seien im Vorjahr um 220 Millionen Tonnen Kohle mehr verbraucht worden als 2022, ein Plus von 4,9 Prozent. Damit verbrauchte die Volksrepublik allein mehr als die Hälfte der weltweiten Kohleproduktion. Etwa 60 Prozent der Kohle wird in China zur Stromproduktion genutzt. In Indien, einem weiteren der großen Schwellenländer, das China in puncto Bevölkerungszahl inzwischen eingeholt hat, stieg der Kohleverbrauch laut IEA um acht Prozent, in Indonesien um elf Prozent, auf dem vierten Platz der Großverbraucher lag Russland. In den USA und Europa ging der Verbrauch zuletzt um mehr als 20 Prozent zurück.