Deutsche Krankmeldung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung)
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Deutschland

Krankenstände rissen Loch in Wirtschaft

Deutschland hat im Vorjahr eine Rekordzahl an Krankenständen verzeichnet – und das hat laut einer neuen Studie maßgeblich zur schwachen Entwicklung der deutschen Wirtschaft beigetragen. Das Mehr an krankheitsbedingten Ausfälle hätten einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von 26 Milliarden Euro verursacht, erklärte der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (VFA) am Freitag. Das habe die Wirtschaftsleistung um 0,8 Prozentpunkte gedrückt.

Das bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft andernfalls nicht in die Rezession gerutscht wäre. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verringerte sich das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 0,3 Prozent – ohne die überdurchschnittlichen Ausfälle „wäre das Bruttoinlandsprodukt leicht um 0,5 Prozent gewachsen“, erklärte der VFA.

Seit geraumer Zeit sei „der Krankenstand so hoch, dass krankheitsbedingte Ausfälle nicht mehr ohne Weiteres mit den üblichen Mitteln wie Überstunden und Umstrukturierungen aufgefangen werden können“, heißt es in der Studie. Die VFA-Forscher raten auch mit Blick auf den Fachkräftemangel dringend dazu, gegenzusteuern, etwa mit Investitionen in den Gesundheitssektor und Präventionsmaßnahmen.

Arbeitskräftemangel verstärkt

„Würde der in den vergangenen zwei Jahren beobachtete Krankenstand die neue Normalität darstellen, stünde der deutschen Volkswirtschaft Arbeitskraft im Umfang von umgerechnet gut 350.000 Beschäftigten weniger zur Verfügung“, erklärten die Forscher. „Dies sollte ein Land, das bereits jetzt mit den Problemen des demografischen Wandels zu kämpfen hat, nicht dauerhaft zulassen.“

Auch der Krankenversicherung seien durch den enormen Krankenstand in den vergangenen beiden Jahren fünf Milliarden Euro verloren gegangen. Der hohe Krankenstand hat laut Studie auch zu Steuermindereinnahmen von 15 Milliarden Euro geführt.

Hauptgrund Atemwegserkrankungen

Über die Ursachen des außergewöhnlich hohen Krankenstands gebe es derzeit noch keine „abschließenden Erkenntnisse“, heißt es in der Studie. Angeführt wird aber, dass im Zuge der Coronavirus-Pandemiebekämpfung auch andere Infektionsketten unterbrochen wurden. Ab Herbst 2022 seien danach aber die Krankschreibungen durch ausgeprägte Grippewellen und das gehäufte Auftreten anderer Atemwegserkrankungen auf Rekordhöhen geschnellt.

Auf Platz zwei der Krankschreibungsgründe rangieren – je nach Krankenkasse – zumeist entweder Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenschmerzen oder psychische Erkrankungen wie Depressionen. Letztere verzeichneten bei einigen Kassen einen deutlichen Zuwachs.

Kassen melden Höchststände

Anders als in Österreich gibt es durch unterschiedliche wählbare Krankenkassen keine Gesamtstatistik der Krankenstände. Allerdings haben alle großen Kassen neue Krankenstandrekorde verlautbart, zuletzt die mitgliederstärkste gesetzliche Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse (TK). Im Schnitt seien die Versicherten 19,4 Tage krankgeschrieben gewesen. Bisher waren 19,0 Fehltage im Jahr 2022 der bisherige Höchstwert seit Beginn Auswertungen im Jahr 2000. 2019 lag der Schnitt noch bei 15,4 Tagen.

Dominoeffekt vermutet

„Hauptgrund für die hohen Fehlzeiten sind wie im Vorjahr Krankschreibungen aufgrund von Erkältungskrankheiten wie grippale Infekte, Bronchitis oder Grippe“, erklärte TK-Chef Jens Baas. „Sie machen mehr als ein Viertel der Fehltage aus.“

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) vermutet außerdem einen Dominoeffekt: „Häufige und lange Arbeitsausfälle bedeuten für die verbliebenen gesunden Kollegen und Kolleginnen eine starke Zusatzbelastung, wenn sie die liegen gebliebene Arbeit auffangen müssen“, erklärte die KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick.

Anstieg auch in Österreich

Für Österreich liegen noch keine Gesamtzahlen für das Jahr 2023 vor, angesichts der großen Wellen an Erkältungen, viralen Infekten und Coronavirus-Infektion im Dezember war aber auch bereits über einen neuen Rekord spekuliert worden.

Und wie in Deutschland stieg die Zahl der Krankenstandstage 2002 deutlich – auf im Schnitt 14,9 Tage, den höchsten Wert seit gut 25 Jahren. Vor 1995 lagen die Krankenstände allerdings durchschnittlich teils deutlich darüber.