ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer
IMAGO/Harald Dostal
Rede in Wels

Nehammer ruft „Jahr der Entscheidung“ aus

Vor rund 2.000 Unterstützern und Unterstützerinnen hat ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer am Freitag in einer seit Tagen eingeläuteten Rede in Wels seinen „Österreich-Plan“ vorgestellt. Mit Leistung, Familie, Gesundheit und Sicherheit stellte Nehammer dabei mehrere „Wegweiser“ in den Fokus. Das anstehende Superwahljahr bezeichnete Nehammer als „Jahr der Bewährung“ und „Jahr der Entscheidung“ – samt Kampfansage an die in seiner Rede namentlich nicht genannte FPÖ.

Mit dem „Plan für Österreich“ wolle Nehammer zeigen, wo die ÖVP stehe. Zu den Vorhaben des 82-seitigen „Österreich-Plans“ zählt die Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 auf 15 Prozent, die Abschaffung aller Steuern auf Überstunden sowie ein 4,5-Milliarden-Programm zum flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung bis 2030. Erleichterungen verspricht Nehammer zudem in Sachen Eigenheim und damit bis 2030 eine halbe Million mehr Eigentümer und Eigentümerinnen in Österreich.

Darüber hinaus will Nehammer 800 neue Kassenstellen in diesem Zeitraum schaffen, die Lohnnebenkosten senken, mit dem „Regulierungswahnsinn“ aufhören und all jene mit 1.000 Euro belohnen, die Vollzeit arbeiten. Ökologie will Nehammer mit Ökonomie vereinen. Der Straßenbau soll dabei nicht zu kurz kommen. Denn irgendwo müssten die Autos neuer Technologie ja fahren, wie der ÖVP-Chef anmerkte.

Publikum bei der Rede von ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer
APA/Helmut Fohringer
Vor rund 2.000 Anhängern und Anhängerinnen präsentierte Nehammer in der Welser Messehalle seinen „Österreich-Plan“

„Jahr der Entscheidung“

Weiterer Schwerpunkt ist die Sicherheit – von erhöhtem Verteidigungsbudget bis Terrorbekämpfung. Einen wichtigen Platz in Nehammers Plan nimmt auch der Kampf gegen irreguläre Migration ein. Bis 2030 brauche es neue Gesamtlösungen im europäischen Asylsystem, heißt es darin. Neben Abschiebe- und Verfahrenszentren im Ausland solle etwa geprüft werden, ob auch Justizvollzugsanstalten im Ausland realisierbar seien.

Sozialleistungen für Zuwanderer soll es erst nach fünf Jahren geben, und was er von diesen erwartet, machte der Kanzler auch klar: „In meinem Verständnis ist Integration Anpassung.“

Die Wichtigkeit des heurigen Jahres betonte der ÖVP-Chef schon in seinen einleitenden Worten: „Dieses Jahr 2024 ist das Jahr der Entscheidung.“ Er stehe für Gestaltung und damit entgegen denjenigen, die für Zerstörung stünden. Damit angesprochen war wohl FPÖ-Obmann Herbert Kickl, dessen Partei schon im Vorprogramm Ziel von Attacken war. Es gehe um „gestalten oder spalten“, so Nehammer, der am Ende seiner Rede hier von der „entscheidendsten Frage unserer Zukunft“ und erneut von einem „Jahr der Entscheidung“ sprach, diesmal mit dem Anhang: „eine Entscheidung zwischen ihm und mir“.

Nehammer präsentiert „Österreich-Plan“

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Freitag in einer seit Tagen eingeläuteten Rede in Wels seinen „Österreich-Plan“ vorgestellt. Mit Leistung, Familie, Gesundheit und Sicherheit stellte Nehammer dabei mehrere „Wegweiser“ in den Fokus. Das anstehende Superwahljahr bezeichnete Nehammer als „Jahr der Bewährung“ und „Jahr der Entscheidung“.

Stocker nennt Kickl „Versager“

In die Welser Messe gekommen waren ein großer Teil der schwarzen Regierungsmannschaft und fast alle ÖVP-Landeshauptleute, aber auch Parteiprominenz von früher: von Ex-Parteichef Josef Pröll über die Ex-Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol und Benita Ferrero-Waldner bis hin zu den Altlandeshauptleuten Erwin Pröll, Josef Pühringer und Waltraud Klasnic.

Zum Auftakt begrüßte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer die Gäste, lobte Nehammer als Staatsmann und Umsetzer und formulierte eine Absage an „unrealistische Träumerleins mit Umsetzungsschwächen“ ebenso wie an „verbitterte Hetzer“. „Darum bist du der Bundeskanzler“, so Stelzer, „und es soll auch kein anderer werden.“

Mikl-Leitner: „Starke Stimme für breite Mitte“

Zu Wort kamen in einem moderierten Talk auch Generalsekretär Christian Stocker, Klubobmann August Wöginger und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, samt umfangreicher Kritik an Kickl, den Stocker etwa als „Versager“ bezeichnete – sowie einigen Seitenhieben gegen SPÖ-Parteiobmann Andreas Babler.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) signalisierte Nehammer nach dessen Rede volle Unterstützung: „Es geht darum, in Zeiten, in denen die radikalen Ränder immer lauter werden, der breiten Mehrheit der Mitte eine starke Stimme zu geben“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

Babler: „Heiratsantrag“ der ÖVP an FPÖ

Die Rede und der vorgelegte „Österreich-Plan“ stieß auf viel Kritik. SPÖ-Chef Babler sah darin etwa einen „Heiratsantrag“ der ÖVP an die FPÖ. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wertete die ÖVP als planlos, müde und korrupt, und die Freiheitlichen sahen die „Kopiermaschine“ von FPÖ-Ideen angeworfen. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ortete in der ZIB1 „viel altes Denken einer rechtskonservativen Partei.“

Viel Kritik von der Opposition

Die Oppositionsparteien haben die Rede von ÖVP-Chef Karl Nehammer zu seinem „Österreich-Plan“ mit Skepsis verfolgt – SPÖ, FPÖ und NEOS lassen kein gutes Haar daran.

Dass der Kanzler am Ende der Legislaturperiode erkläre, was er verbessern wolle, sei „eine Verarschung“, sagte Babler bei einer Pressekonferenz. Die ÖVP wolle damit wohl vom eigenen Versagen ablenken, verwies er auf Teuerung, Lehrer- und Fachkräftemangel. Der Volkspartei attestierte er, nach der nächsten Wahl auch hinzunehmen, Juniorpartner in einer Koalition mit der FPÖ zu sein. Er selbst wolle antreten, um eine solche Koalition zu verhindern, bedrohe doch die FPÖ die Grundpfeiler der Demokratie. Die Hand in Richtung ÖVP bleibe aber ausgestreckt. Jedoch seien demokratische Grundeinstellungen bei der Rede „massiv infrage gestellt worden“, meinte Babler, hier müsse sich innerhalb der ÖVP zunächst etwas ändern.

Herbe Kritik auch von NEOS

Ähnlich negativ die Einschätzung seitens NEOS. „Was soll man zu einer Zukunftsrede von jemandem sagen, der in der Gegenwart versagt?“, warf deren Generalsekretär Douglas Hoyos dem Kanzler mangelnde Glaubwürdigkeit vor. So sitze die ÖVP seit fast vier Jahrzehnten im Wirtschaftsministerium und wünsche sich jetzt einen „Regimewechsel“ in der Wirtschaftspolitik. Meinl-Reisinger hatte bereits vor der Rede ein „Ankuscheln an die FPÖ“ erwartet und einmal mehr rasche Neuwahlen gefordert.

Ein „Bürgertäuschungsmanöver“ sah FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in der Rede, Nehammer ist für ihn ein „notorischer Krisenleugner, der als Bundeskanzler keine Zukunft mehr hat.“ Der Spitzenkandidat der KPÖ bei der Nationalratswahl, Tobias Schweiger, sieht durch die Rede bestätigt, „dass die ÖVP keinerlei Interesse an leistbarem Wohnen hat“.

Spekulationen über vorgezogene Wahlen

Mit der Nehammer-Rede in Wels startete die ÖVP zumindest inoffiziell ihren Wahlkampf. Zuletzt machten in diesem Zusammenhang auch Gerüchte die Runde, die Nationalratswahl könnte vom Herbst auf den Frühsommer vorgezogen werden. Die Spekulationen umfassten auch eine Zusammenlegung mit der EU-Wahl am 9. Juni, wobei ÖVP und Grüne offiziell Pläne über eine etwaige Vorverlegung der Wahl bisher dementierten. Schließlich sparte am Freitagabend auch Nehammer bei seiner Rede in Wels dazu jegliche Äußerung aus.