Fiskalratspräsident Christoph Badelt
APA/Georg Hochmuth
ÖVP-Steuerpläne

Badelt vermisst Gegenfinanzierung

Die Rede zum „Österreich-Plan“ von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer sorgt weiterhin für Gesprächsstoff. Fiskalratspräsident Christoph Badelt vermisst im Ö1-Mittagsjournal Maßnahmen zur Gegenfinanzierung: „Als Fiskalratschef erfüllt mich das mit Sorge.“ Ebenfalls im Mittagsjournal kritisierte SPÖ-Chef Andreas Babler, die – wie er meint – „Anbiederung“ der ÖVP an die FPÖ.

Den von Nehammer bei seiner Rede am Freitag ins Spiel gebrachten Vorschlägen wie Senkung von Lohnnebenkosten bzw. Steuersätzen stünden keine Einsparungsmaßnahmen gegenüber, so Badelt. Gleiches gelte allerdings auch für die Pläne anderer Parteien wie SPÖ und FPÖ.

Auch diese würden erhebliche Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen für das Budget zur Folge haben. „Als jemand, der die Staatsfinanzen im Auge hat, frage ich mich: Wie soll das gehen?“, so Badelt. Er sage nicht, dass es unmöglich sei – aber man müsse es eben erklären.

„Österreich-Plan“: Badelt über Finanzierung

Die ÖVP hat große Vorhaben in ihrem „Österreich-Plan“ präsentiert. Sie reichen vom Genderverbot in der Verwaltung über Steuersenkungen. Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, sprach über Möglichkeiten der Finanzierung dieses umfassenden Plans.

„Mehr Mut“ im Pensionsbereich gewünscht

Einwände gegen eine Senkung der Lohnnebenkosten an und für sich hatte Badelt im Ö1-Mittagsjournal nicht. Der Faktor Arbeit sei zu hoch belastet – es gehe aber um die Abgabenstruktur und die Gegenfinanzierung. Politisch sei es „legitim, mittlere und höhere Einkommen“ zu entlasten, das sei eine gesellschaftliche Position, die die ÖVP habe. Aber: „Man müsse trotzdem sagen, wie man den Staatshaushalt finanzieren will“, so Badelt.

„Mehr Mut“ der ÖVP hätte er sich im Pensionsbereich gewünscht. Von einer nachhaltigen Pensionsreform stehe nichts im „Österreich-Plan“ – dabei wären die Pensionsausgaben, 50 Milliarden Euro im Jahr, um mehr als 50-mal so hoch wie jene für die Sozialhilfe, die rund 900 Millionen im Jahr ausmache – Tendenz sinkend.

Schon jetzt verzeichne Österreich ein Budgetdefizit von 2,7 Prozent des BIP. Pläne der Regierung bis weit in die nächste Legislaturperiode hinein würden ein ähnliches Minus vorsehen, so Badelt. Und schon diese Zahlen hätten ihm Sorge bereitet – wenn man dann noch zusätzlich Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen plane, werde das zum Problem.

Badelts Kritik an der fehlenden Gegenfinanzierung seiner Pläne wies Nehammer im „Kurier“-Interview zurück: Durch Steuersenkungen und Deregulierung würden auch Wirtschaft bzw. Produktivität stärker wachsen, sagte er.

Nehammer will weiter erst im Herbst wählen

Nehammer hält indes weiter am Plan fest, erst regulär im Herbst den Nationalrat zu wählen. Er habe sich nie an Spekulationen um einen anderen Termin beteiligt, so Nehammer in der „Kronen Zeitung“ (Onlineausgabe). Eine Hintertür ließ er sich aber offen: Auf die Frage, ob es in vier Wochen noch genau so aussehen werde, meinte er: „Politik ist immer ein Prozess.“ Auch im „Kurier“ (Onlineausgabe) stellte er indirekt einen geplanten früheren Wahltermin in Abrede: Seine Rede am Freitag sei kein Wahlkampfauftakt gewesen. Sie habe auch keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Urnengangs.

Filzmaier: „Ziel der ÖVP war Themensetzung“

Politisch eingeordnet hatte Nehammers Rede zuvor der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier am Freitag in der ZIB2. Er sieht mit dem „Österreich-Plan“ zwei strategische Ziele verbunden, wie er in der ZIB2 sagte: Ausrufung des „Kanzlerduells“ und – zentral – Themensetzung.

Es habe sich um eine „Wahlrede des ÖVP-Parteichefs Nehammer“ bzw. um „die Präsentation eines Wahlprogramms“ gehandelt, so Filzmaier. In diesem „Österreich-Plan“ sei auf über 80 Seiten eine breite Palette an Forderungen und Wünschen enthalten. „Daran ist nichts Verwerfliches, doch man kann vorhalten, wie die Opposition das macht, dass das die ÖVP während der Regierungszeit energischer hätte einbringen können oder gar hätte umsetzen müssen“, so Filzmaier.

Ob mit dem Plan auch FPÖ-Wählerschaft angesprochen werden könne, bezweifelt Filzmaier. „Die Kommunikationswissenschaft hat sich weiterentwickelt“, nicht einmal eine Mobilisierung von ÖVP-Kernschichten ergebe zum jetzigen Zeitpunkt der Rede Sinn, meint der Experte. Das Ziel der Themensetzung allerdings könnte für die ÖVP funktionieren, so der Politikwissenschaftler – für ihn das zentrale Motiv.

Versuch, in „Duellsituation zu kommen“

Eine Woche lang seien Teile des „Österreich-Plans“ Medien bereits zugespielt worden, mit dem Ergebnis, dass darüber diskutiert worden sei und diskutiert werde. Auch gerade durch die Kritik werde wieder über jene Themen diskutiert, „die die ÖVP will“. Das seien gleichzeitig jene, „die die FPÖ will“. Nehammer habe zugleich ein „Kanzlerduell“ ausgerufen – es gehe darum, mit FPÖ-Chef Herbert Kickl in eine „Duellsituation zu kommen“, um die ja derzeit Babler und Nehammer konkurrieren.

Politologe Filzmaier zu Nehammer-Rede

Politologe Peter Filzmaier analysiert die Schwerpunkte der Grundsatzrede.

Babler: „Anbiederung“ an FPÖ

Babler selbst kritisierte am Samstag erneut Nehammers „Österreich-Plan“. Wie tags zuvor in einer Pressekonferenz sah Babler in der Sendereihe „Im Journal zu Gast“ in „den Überschriften und in der Tonalität“ eine „Anbiederung“ an die FPÖ und einen „Heiratsantrag“ der ÖVP für eine blau-schwarze Koalition. Sich selbst und die SPÖ positionierte Babler als „einzige Kraft“, die eine solche Koalition verhindern könne.

„Graswurzelwahlkampf“ angekündigt

Der SPÖ-Chef kritisierte insbesondere, dass die ÖVP nach 37 Jahren Regierungsbeteiligung und 17 Jahren – unterbrochen nur von der kurzen Phase von Kickl – an der Spitze des Innenministeriums ihr „eigenes Versagen zum politischen Programm“ und zu politischen Forderungen mache. Das sei eine „Verhöhnung“.

Die SPÖ sieht Babler für einen Wahlkampf heuer gut vorbereitet: Mit „Tausenden Menschen“, die gerne arbeiten würden, werde man einen „Graswurzelwahlkampf“ starten und sich in einer sehr modernen Form präsentieren. Mit einer „Reformkanzlerschaft“ versprach Babler eine zukunftsgerichtete Politik.

Kritik auch von anderen Parteien

Die anderen Parteien hatten Nehammers Rede schon am Freitag kritisiert: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ortete am Rande der Demo gegen rechts am Freitagabend „wenige Überschneidungen“ und „doch viel altes Denken einer rechtskonservativen Partei“ in der Rede. Auswirkungen auf die Regierung sah er vorerst aber keine.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ortete ein „großes Bürgertäuschungsmanöver eines notorischen Krisenleugners, der als Bundeskanzler keine Zukunft mehr hat“. Das ÖVP-Establishment fürchte sich vor Kickl offenbar dermaßen, dass er der heimliche Stargast der Veranstaltung gewesen sei.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte bereits am Vormittag die ÖVP als müde und korrupt bezeichnet und sich für eine baldige Neuwahl ausgesprochen. „Was soll man zu einer Zukunftsrede von jemandem sagen, der in der Gegenwart versagt?“, warf deren Generalsekretär Douglas Hoyos dem Kanzler mangelnde Glaubwürdigkeit vor.