Teils abmontiertes Logo auf der Evergrande-Zentrale
IMAGO/VCG
Chinesischer Immobilienriese

Gericht ordnet für Evergrande Abwicklung an

Mehr als zweieinhalb Jahre hat der chinesische Immobilienriese Evergrande um sein finanzielles Überleben gekämpft. Nun soll er auf gerichtliche Anordnung abgewickelt werden. Den Ausschlag gab letztlich aus Sicht des Gerichts, dass Chinas zweitgrößter Immobilienkonzern an einer Sanierung scheiterte. Nun hieß es am Montag: „Genug ist genug.“ Ganz einfach dürfte der Prozess aber nicht werden.

Die Anordnung zur Abwicklung kam von einem Gericht in Hongkong. Die zuständige Richterin Linda Chan sagte am Montag, sie halte den Schritt in Anbetracht des „offensichtlichen Mangels an Fortschritten seitens des Unternehmens bei der Vorlage eines tragfähigen Umstrukturierungsplans“ für angemessen.

Das Gericht habe bei der letzten Anhörung im Dezember sehr deutlich gemacht, dass es einen „vollständig formulierten und realisierbaren Vorschlag“ erwarte, fügte Chan hinzu. Dann kam die Anordnung zur Abwicklung. Die BBC zitierte die Richterin mit den Worten: „Genug ist genug.“

Nicht ohne Folgen für Finanzwelt

Der Immobilienkonzern, mit vollem Namen China Evergrande Group, ist nach Umsatz der zweitgrößte in China. Kern seines Geschäfts sind Entwicklung und Verkauf von Immobilien, in erster Linie Wohnungen. Das Unternehmen befindet sich bereits seit Jahren in Schwierigkeiten.

Hochhausbaustellen in Taicang, Suzhou City
APA/AFP/Vivian Lin
Evergrande geriet wegen Krediten in Schwierigkeiten

Schon Ende Juni 2021 sollen die Verbindlichkeiten bei umgerechnet über 250 Milliarden Euro gelegen sein, der Unternehmenswert brach stark ein. Etwas mehr als zwei Jahre später, im August 2023, beantragte Evergrande Gläubigerschutz nach US-Recht (Artikel 15). Das löste, so die BBC am Montag, damals „Schockwellen“ in der Finanzwelt aus.

Wie weit reicht der Arm des Gerichts?

Laut Einschätzung der US-Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg dürfte die angeordnete Liquidierung von Evergrande ein „schwieriger Prozess“ und „Testfall“ werden, und zwar dafür, wie weit der Zugriff des Gerichts in Hongkong auf Werte auf dem chinesischen Festland tatsächlich geht.

Die meisten von dem Konzern gebauten Immobilien stehen dort. Eine weitere Frage sei, ob und wie weit Masseverwalter aus Hongkong von chinesischen Gerichten anerkannt würden. Es gibt zwar ein entsprechendes Abkommen. Ohne ausreichend Akzeptanz allerdings hätten diese nur sehr begrenzt Zugriff auf Vermögen auf dem Festland.

Evergrande bedauert Abwicklung

Gerichte in Hongkong hätten „zumindest“ dreimal seit Beginn der Probleme auf dem chinesischen Bau- und Immobiliensektor im Jahr 2021 Aufträge zur Abwicklung von Unternehmen erteilt, hieß es weiter bei Bloomberg. Allerdings sei keines davon Evergrande in Hinsicht auf Komplexität, Größe seines Portfolios und Anzahl seiner Stakeholder nahegekommen. Das Unternehmen habe alles in seiner Macht Stehende getan und bedaure die Anordnung auf Abwicklung, wurde der Vorstandsvorsitzende von Evergrande, Shawn Siu, in einer Aussendung am Montag zitiert. Er sicherte Kooperation zu.

Ende einer langen Talfahrt

Die aktuelle Nachricht dürfte auch an Chinas Aktienmarkt nicht spurlos vorübergehen. Am Montag (Ortszeit) brach der Kurs von Evergrande an der Börse in Schanghai (SSE) um knapp 21 Prozent ein, anschließend wurde der Handel mit Aktien des Unternehmens und denen einer Tochtergesellschaft für Elektrofahrzeuge ausgesetzt. Laut BBC hat Evergrande inzwischen laut Schätzungen Schulden von umgerechnet knapp 300 Milliarden Euro.

Mit der Abwicklung sollen die Bestände des Konzerns abverkauft und seine Schulden soweit möglich abbezahlt werden. Ein Gläubiger hatte 2022 in Hongkong den Antrag auf die Liquidierung von Evergrande gestellt, das Verfahren zog sich allerdings in die Länge. Anfang Dezember hatte Richterin Chan dem Unternehmen für die Vorlage eines Umstrukturierungsplans noch einen Aufschub gewährt, um die drohende Abwicklung abzuwehren. Diese Frist war am Montag verstrichen.

Im Epizentrum von Chinas Immobilienkrise

„Das Unternehmen hat sich die Auflösung selbst zuzuschreiben“, wurde ein Anwalt der Gläubigerseite, Fergus Saurin, nach Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichts in Hongkong zitiert. Evergrande habe es versäumt, mit seinen Gläubigern in einen Dialog zu treten.

Wohnbauprojekt in Peking
AP/Wayne Zhang
Chinas Bauboom steht wegen der enormen Verschuldung der Branche auf keinem festen Fundament mehr

Evergrande steht im Mittelpunkt der Krise des chinesischen Bausektors. Chinas Behörden hatten 2020 mit Beschränkungen bei Krediten auf die ausufernde Verschuldung der gesamten Branche reagiert. Besonders bei Evergrande führte das zu Zahlungsausfällen und Projektabbrüchen.

Im März dieses Jahres bot Evergrande seinen Gläubigern an, ihre Schulden gegen neue, vom Unternehmen ausgegebene Wertpapiere und Aktien zweier Tochtergesellschaften einzutauschen. Im September wurde Konzernchef Xu Jiayin in China festgenommen, die Aktienkurse stürzten wieder ab. Der Handel mit den Aktien des Baukonzerns wurde daraufhin eingestellt, Anfang Oktober jedoch wieder aufgenommen. Behördliche Untersuchungen gegen eine weitere Tochterfirma sorgten für weitere Unsicherheit.