Traktor mit aufgemalter französischer Flagge blockiert eine Autobahn
AP/Matthieu Mirville
Hunderte Traktoren

Bauern blockieren Zufahrten nach Paris

Seit über einer Woche protestieren französische Landwirte und Landwirtinnen mit Straßen- und Autobahnsperren gegen zu viel Bürokratie, sinkende Einnahmen und komplexe EU-Umweltauflagen. Es gab bereits erste Zugeständnisse der Regierung, die nun sogar auf die Lockerung von EU-Umweltauflagen drängen will. Dennoch riefen die Bauern für Montag zu einer „Belagerung“ der Hauptstadt auf.

„Wir haben nicht die Absicht, in Paris einzufahren“, teilte der Bauernverband Junge Landwirte (Jeunes Agriculteurs) mit. Man werde auch keine Ausschreitungen akzeptieren. Im Pariser Becken befanden sich nach Angaben der Behörden am Montagnachmittag „fast 800 Traktoren“, berichtete „Le Monde“. Die Landwirte wollen acht wichtige Zufahrtsstraßen „für unbegrenzte Zeit“ blockieren. Von den Bauernverbänden waren im Vorfeld Medienberichten zufolge bis zu 2.500 Traktoren erwartet worden.

Der Vorsitzende des größten Bauernverbands FNSEA, Arnaud Rousseau, kündigte Schichtzeiten an, damit sich die Demonstrierenden bei den Protesten abwechseln und ausruhen könnten. Die einzelnen Bauernnetzwerke seien bereit, mehrere Tage oder sogar Wochen mobilisiert zu bleiben, hieß es von einem Vertreter von Junge Landwirte gegenüber „Le Figaro“. „Die Ankündigungen von (Premierminister, Anm.) Gabriel Attal werden das Ende der Mobilisierung bestimmen.“

Traktoren blockieren eine Autobahn in Beauvais
Reuters/Stephanie Lecocq
Hunderte Traktoren blockieren acht wichtige Zufahrtsstraßen nach Paris

Allerdings wurde bei einigen Protestierenden der Wunsch laut, direkt mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron statt mit Attal zu sprechen. Bisher hatte sich Macron bei den Bauernprotesten in der Öffentlichkeit zurückgehalten und Attal die Bühne überlassen.

15.000 Sicherheitskräfte im Einsatz

Insgesamt waren 30 Departements und 16 Autobahnen betroffen. Innenminister Gerald Darmanin verschärfte im Vorfeld die Sicherheitsmaßnahmen, 15.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz. Zugleich forderte er Polizei und Gendarmerie zu Zurückhaltung auf: „Die Ordnungskräfte müssen mit großer Mäßigung vorgehen.“ Sie sollten „nur als letztes Mittel“ eingreifen, wenn Menschen zu Schaden kommen könnten oder Gebäude schwer beschädigt würden. Zugleich rief er die Landwirte zu „Mäßigung“ auf.

„Wir bleiben in gewisser Entfernung, wir wollen keine Gewalt“, sagte FNSEA-Vorsitzender Rousseau. „Solange unsere Forderungen nicht erfüllt sind, bleiben wir voll mobilisiert.“ Der Bauernverband hatte eine Liste mit 140 Forderungen vorgelegt und sieht in den bisherigen Zugeständnissen der Regierung nur einen Teil erfüllt.

Zugeständnisse von Regierung

Nach einer ersten Protestwoche hatte Premier Attal bereits am Freitag Erleichterungen angekündigt, sein Redemanuskipt lag auf einem Strohballen. Er nahm die geplante Abschaffung der Steuervergünstigung für Agrardiesel zurück und sagte konkrete Maßnahmen für den Abbau der Bürokratie, 100 Millionen Euro für von Unwettern getroffene Landwirte und den Biosektor und einen Notfonds für Viehzüchter zu.

Am Sonntag versprach er zusätzliche Maßnahmen gegen unfaire Konkurrenz anderer Länder. „Das ist Katzenlulu“, zitierte „Le Figaro“ die wütende Reaktion eines Rinderzüchters aus dem Westen Frankreichs.

Gabriel Attal
Reuters/Nacho Doce
Premier Attal kam bereits am Freitag einigen Forderungen der Landwirte nach

Vorgehen gegen EU-Umweltauflagen

Am Montag legte Frankreichs Agrarminister Marc Fesneau im Interview mit dem TV-Sender France 2 nach. Die Regierung werde zeitnah Vorschläge zur Unterstützung der Bauern auf den Tisch legen. Dabei gehe es auch um eine Änderung der EU-Umweltvorschriften für landwirtschaftliche Flächen, die nach den im vergangenen Jahr vom EU-Parlament beschlossenen Biodiversitätsregeln im Rahmen des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur brachliegen müssen.

ORF-Korrespondentin Primosch zu den Protesten

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch meldet sich aus Paris und spricht über die Bauernproteste und die Blockade von Paris.

Das beeinträchtige ihren Betrieb, klagen viele Bauern. Aber auch unter Landwirten herrscht keine Einigkeit. Denn Biobauern beispielsweise fordern mehr staatliche Unterstützung, um sich gegen Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu wehren. Die Regierung versucht, die Proteste einzudämmen, fürchtet sie doch bei der EU-Wahl im Juni die wachsende Unterstützung der extremen Rechte durch die Bauern. Marine Le Pen und ihre Partei, der rechtsnationale Rassemblement National, versuchen bereits, Stimmung für die EU-Wahl zu machen. Le Pen zeigte sich sogar als Zeichen der Unterstützung für die Bauern am Sonntag in einem fahrenden Traktor.

Umweltorganisationen solidarisieren sich mit Bauern

Zahlreiche Umweltorganisationen schlugen sich auf die Seite der Landwirte. Es sei „sehr gut möglich, sich zugleich für die Umwelt und eine zukunftsfähige Landwirtschaft einzusetzen“, hieß es in einem Aufruf, der unter anderem von Greenpeace und „Extinction Rebellion“ unterzeichnet wurde. In der Zeitung „Liberation“ kritisierten einige Organisationen den „vorherrschenden Diskurs, der uns zu Feinden machen will“.