Ab Mittwoch findet in Washington ein Treffen der Conservative Political Action Conference (CPAC) statt. Die zweimal jährlich stattfindende Konferenz gilt als Gipfeltreffen von Rechtsaußen. Im Vorjahr fand sie unter der Schirmherrschaft von Viktor Orban in Ungarn statt.
Stargast ist niemand anderer als Trump selbst. Auf der Website des Treffens wird Stefanik unter den Dutzenden Rednern und Rednerinnen in erster Reihe angeführt. Die Präsidenten von Argentinien und El Salvador, Javier Milei und Nayib Bukele, werden – wie zahlreiche prominente Republikaner –, weit darunter genannt.
Mit Spannung wird erwartet, ob sich die bisher schon abzeichnende Annäherung zwischen Trump und Stefanik auch dort zeigen wird. Zudem ist laut „New York Times“ eine Art Probeabstimmung für die Vizepräsidentschaftskandidatur mit nicht weniger als 17 Personen geplant.
Haltung zu Trump um 180 Grad geändert
Die Harvard-Absolventin zog 2015 als jüngste Frau der Geschichte in das Repräsentantenhaus ein und wurde dem moderaten Lager der Republikaner zugerechnet. 2016 weigerte sie sich, die Kandidatur Trumps zu unterstützen, kritisierte ihn für frauenfeindliche Aussagen und ein Jahr später für seinen Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen. Mehrere Jahre galt sie als eine jener Abgeordneten, die besonders oft parteiübergreifende Gesetzesinitiativen unterstützte.
Ab 2019 schwenkte Stefanik um: Sie verteidigte Trump in seinem Amtsenthebungsverfahren und zog damit Aufmerksamkeit auf sich – und ihre Spendengelder vervielfachten sich, wie der Sender NPR berichtete. 2020 verbreitete sie die nicht bewiesenen Behauptungen Trumps, dass die Demokraten die „Präsidentschaftswahlen gestohlen" hätten. Kritische Aussagen zu Trump von davor wurden in ihren Social-Media-Profilen und auf ihrer Website gelöscht.
Trump nach dem Mund geredet
2021 wurde Stefanik Vorsitzende der House Republican Conference, eines einflussreichen Fraktionsgremiums, und löste damit Liz Cheney ab, die die Speerspitze der Anti-Trump-Bewegung innerhalb der Republikaner bildete. Sie sei „ultra-MAGA“ sagte sie 2022 in Bezug auf Trumps Slogan „Make America Great Again“. Kritik zog sie auf sich, als sie den Demokraten die rechtsextreme Verschwörungserzählung des „großen Bevölkerungsaustauschs“ unterstellte.
Im Dezember machte Stefanik bei einer Kongressanhörung zu Antisemitismus an Eliteuniversitäten in den USA von sich reden, als sie die Präsidentinnen von Harvard und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit scharfen Fragen in die Mangel nahm. In den vergangenen Monaten übernahm sie laut US-Medien auffällig oft wörtliche Formulierungen von Trump – der sie umgekehrt als „Killer“ gelobt haben soll. Zuletzt waren beide häufig bei gemeinsamen Wahlkampfterminen zu sehen.
Vorwurf des Opportunismus
In US-Kommentaren wird vermutet, dass Stefanik ganz offensichtlich auf die Vizepräsidentschaftskandidatur spekuliert, was ihr Vorwürfe des Karrierismus einbrachte: Peter Wehner, ranghoher Mitarbeiter unter drei republikanischen Präsidenten, sieht in der Politikerin keinen Einzelfall: Es seien "Opportunisten, die ganz im Moment leben und ihre Persönlichkeit wechseln, um ihre unmittelbaren politischen Eigeninteressen durchzusetzen. Die Verpflichtung zu ethischem Verhalten, die Hingabe an das Gemeinwohl und die Treue zur Wahrheit scheinen für sie keinen Wert an sich zu haben“, schrieb er in einem Gastkommentar in der „New York Times“.
Jugend als Kapital und Risiko
Dass sämtliche US-Medien nun Stefanik als chancenreichste Vizepräsidentschaftskandidatin bezeichnen, liegt zum einen an ihrer Trump-Treue, die vom Ex-Präsidenten wohl geschätzt wird – gerade auch, weil ihm sein ehemaliger Vize Mike Pence nach der Kapitol-Stürmung im Jänner 2021 offen widersprochen hatte. Vergangene Woche betonte Stefanik in einem CNN-Interview einmal mehr, dass sie anders als Pence gehandelt hätte. In seiner Position hätte sie die Wahlergebnisse für 2020 nicht bestätigt.
Als 39-jährige Frau öffnet Stefanik auch den Zugang zu Gruppen von Wählern und Wählerinnen, die Trump als 78-Jähriger kaum mehr ansprechen kann. Umgekehrt stellen ihre Jugend und Unerfahrenheit aber auch ein Risiko dar, manche fühlen sich an Sarah Palin erinnert, die als Vizepräsidentschaftskandidatin von John McCain im Wahlkampf 2008 mit vielen wirren Aussagen eher zur Bürde wurde.
Weitere Frauen mit Chancen
Andere ins Spiel gebrachte mögliche „Running Mates“ von Trump zeichnen sich ebenfalls dadurch aus, andere Wählerschichten anzusprechen. Drei weiteren Frauen werden Chancen eingeräumt: Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota, und Kari Lake aus Arizona gelten als ultrarechte Trump-Fans – allerdings auch als unberechenbar. Für Lake spricht, dass Arizona ein heiß umkämpfter Bundesstaat ist. Den Frauenbonus verkörpert auch Sarah Huckabee Sanders, Gouverneurin von Arkansas. Von 2017 bis 2019 war sie unter Trump Sprecherin des Weißen Hauses, das könnte Wählerinnen und Wähler an das oftmals herrschende Chaos in der Regierung erinnern.
Entscheidung wohl erst im Sommer
Gute Chancen werden dem Kongressabgeordneten Tim Scott nachgesagt, der als Afroamerikaner Stimmen von Schwarzen sammeln und als ruhiger Gegenpol zu Trump agieren könnte. Allerdings ist er strikter Abtreibungsgegner – und für breite Wählerschichten muss Trump hier eine moderatere Position einnehmen, um als wählbar zu gelten. Außenseiterchancen werden zudem dem rechtslibertären Unternehmer Vivek Ramaswamy und dem Sentor J. D. Vance eingeräumt – Letzterer hat wie Stefanik eine 180-Grad-Wendung seiner Position zu Trump vollzogen.
Der Auswahlprozess und die Spekulationen darüber dürften die USA aber noch einige Monate beschäftigen. Auch wenn Trump bereits in Jänner meinte, er wisse schon, wen er aussuchen werde: Bei den vergangenen Wahlen wurden bei Republikanern und Demokraten die Vizepräsidentschaftskandidaten zumeist erst im Sommer verkündet.